Bernard Lagneaus Maschinenpark im Frankfurter NordWestZentrum
Von Erhard Metz
Das ist nicht von Pappe – so lautet eine deutsche Redewendung: man meint damit, eine Sache sei schwierig, beachtlich, nicht zu unterschätzen. Angesichts der drei derzeit im Frankfurter NordWestZentrum aufgebauten Riesenmaschinen könnte man sich dieser Redensart zustimmend erinnern. Und doch und aber dann:
All diese mechanischen Wunderwerke, die ineinandergreifenden Zahnräder und Getriebe, die Heerscharen an Transmissionsriemen … sie sind – aus Pappe!
In den drei – jeweils für sich zig-Meter langen und viele Meter hohen – Maschinen ist alles in Bewegung. Was auch immer an Mechanik ein Ingenieursherz höher schlagen lässt, ist in ihnen in schier unendlich vielen Variationen versammelt. Zahnräder-, Schnecken- oder Riemengetriebe arbeiten unaufhörlich vor sich hin, einige Kilometer an Transmissionsbändern setzten entfernte Wellen, Spindeln und Zentrifugen in Bewegung. Pump- und Hebewerke entfalten ein rätselhaftes Geschehen. Das alles geschieht geräuschlos, das Surren der wenigen Elektromotoren geht im allgemeinen Lärmpegel der an dieser Stelle zweistöckigen glasüberdachten Halle des nach Eigenwerbung grössten Einkaufs- und Erlebniszentrums Deutschlands unter.
Man kramt nach vielleicht Vergleichbarem im Gedächtnis, denkt an Michel Beutlers gewaltigen „Webstuhl“, ohne wirklich fündig zu werden, erinnert sich widerstrebend an Franz Kafkas zum Entsetzen detailliert beschriebene Foltermaschine „Egge“ in seiner Erzählung „In der Strafkolonie“ – nein, keine Vergleiche, das hier im NordWestZentrum ist ein virtuoses Spiel, das niemandem etwas zuleide tun will. Aber die drei Riesenmaschinen irritieren denn doch. Was für eine Arbeit verrichten sie – eine sinnlose? So sinnlos wie so vieles in unserer oft gedankenlos-hektischen Welt der Produktion und Betriebssamkeit? Und dann: die Kurzlebigkeit dieser Konstruktionen aus Karton: gerade einmal zwei Wochen nur haben sie Bestand, am kommenden 15. Oktober 2016 endet ihr bewegtes „Leben“. Die Auf- und Abbauzeiten bemessen sich auf jeweils einen Monat und mehr. Wozu – dazu? – all dieser immense Konstruktions- und logistische Aufwand?
Bernard Lagneau, 1937 im französischen Courbevoi geboren, hat diese Grossinstallation „Mechanische Kartonwelten“ geschaffen. Wir dürfen ihn auszugsweise zitieren: „Den Aspekt der Vergänglichkeit einer Kunstausstellung erkennen und darauf eingehen. Diese Vergänglichkeit akzeptieren und sogar als wünschenswert betrachten … Durch diese Vorgehensweise versuchen, für den Bildhauer einen neuartigen Status zu definieren …“
Seit 1970 fertigt Lagneau seine ungewöhnlichen Werke, die er europaweit installiert: in Deutschland bislang in Berlin, Bremen, Braunschweig, Dresden, Hamburg, Hamm, Ingolstadt, Karlsruhe, Koblenz, Köln, Leipzig, Ludwigsburg, Nürnberg, Potsdam, Regensburg, Sindelfingen und 1980 bereits schon einmal in Frankfurt am Main – wir können uns leider nicht daran erinnern.
Bernard Lagneau, „Mechanische Kartonwelten“, NordWestZentrum Frankfurt, nur noch bis Samstag, 15. Oktober 2016; unbedingt sehenswert!
Werke/Installationsansichten © Bernard Lagneau; Fotos: Erhard Metz