Drei orts- und zeitübergreifende Ausstellungen zum Thema Wald
Wälder. Von der Romantik in die Zukunft
Drei Museen im Rhein-Main-Gebiet nehmen sich gemeinsam der Wälder an: Das Deutsche Romantik-Museum, das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt und das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg. Sie kooperieren in einer großen mehrteiligen Ausstellung. Sie haben sich zusammengefunden, um die Bedeutung und Bedrohung von Wäldern zu thematisieren, ausgehend von der Romantik bis in die Zukunft. Das Thema betrifft uns alle und unsere ökologische wie gesellschaftliche Entwicklung. Aber es macht auch die Kraft des pluralistischen Ansatzes einer Museumskooperation deutlich. Das übergreifende Projekt verknüpft Zugänge aus Wissenschaft und Kunst, Ökologie und Alltag. Mit Exponaten aus den Künsten, der Kultur- und Forstgeschichte sowie den Naturwissenschaften spannt die Schau „Weder“ (16. März bis 11. August 2024) den Bogen von der Epoche der Romantik bis in die Gegenwart.
August Cappelen (vollendet von Johann Wilhelm Schirmer), Sterbender Urwald nach dem Sturm (Urwald im Charakter der Telemark), 1851/52 © Museum Zitadelle Jülich, Landschaftsgalerie, Inv.-Nr.2021-0001 (Schenkung Dr. Matthias Bühler), Foto: Bernhard Dautzenberg
„Wälder sind außerordentlich vieldeutige Naturräume. Sie sind wirtschaftliche Ressource und sie sind heute auf der ganzen Welt in ihrem Bestand gefährdet. Bei der Ausstellungskonzeption wurde schnell klar, dass es bei den brennenden Fragen der Gegenwart um gar nicht anders geht, als sich dem Thema transdisziplinär zu nähern“, sagt Prof. Nicola Lepp, verantwortlich für die kuratorische Gesamtidee und für die Ausstellung im Deutschen Romantik-Museum.
Und sie hebt die Besonderheit der Kooperation der drei Häuser hervor: „Entstanden ist eine Ausstellung, die in insgesamt 13 Ausstellungskapiteln parallel an drei sehr unterschiedlichen Museen stattfindet, wobei jedes Haus mit sehr unterschiedlichen Ansätzen das Thema betrachtet. Dabei stellt jede Institution vor dem Hintergrund von Klimawandel und Biodiversitätskrise auf ihre Weise heutige Ansätze vor. Natur ist nicht mehr nur als Ressource für menschliche Bedürfnisse zu denken; sie ist ein mit dem Menschen zutiefst verflochtener Lebenszusammenhang. Der Rückblick auf die Epoche der Romantik ist dabei konstitutiv: Hier entsteht die Idee einer lebendigen Natur, die nicht als Objekt, sondern als eigenes Subjekt gedacht ist. Denn im Fluchtpunkt der Ausstellung steht die große Frage: Wie können wir unsere Naturverhältnisse in Zukunft so gestalten, dass wir Natur nicht zerstören, sondern unsere Lebensverhältnisse mit ihr gestalten? Dies verhandelt die Ausstellung am Beispiel der Wälder, die dafür besonders gut geeignet sind. Einerseits stehen sie für Natur schlechthin, andererseits sind sie ein kulturell überformter Raum par excellence“, so Nicola Lepp weiter.
Das Deutsche Romantik-Museum nimmt in seiner Ausstellung eine kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Perspektive ein und findet in der Epoche der Romantik Anfänge ökologischen Denkens, während im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt die Besucherinnen und Besucher aktuelle Perspektiven der Naturwissenschaften im Spiegel ihrer gesellschaftlichen Relevanz und im Austausch mit künstlerischen Forschungen erwarten. Das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg stelltwiederum die Künste beider Epochen in den Mittelpunkt und erkundet, wie Mensch-Wald-Verbindungen im Möglichkeitsraum der Kunst imaginiert werden.
Dem romantischen Denken in Zusammenhängen und Wechselwirkungen entspricht die transdisziplinäre Herangehensweise des Projekts. Die sich daraus ergebende Vielfalt unterschiedlicher Exponate – von natur- und wissenschaftsgeschichtlichen Objekten bis hin zu Blicken aus Kunst, Literatur, Musik und Tanz – verbindet die drei Ausstellungen. Objekte und Installationen laden nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Hören, Riechen und Ausprobieren ein.
Sophie Reuter, Hambacher Forst, 2018, Fotografie © Sophie Reuter
„Unser ungewöhnliches Kooperationsprojekt ist von der ökologischen Krise motiviert, die uns alle umtreibt“, führt Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts / Deutsches Romantik-Museum aus. „Die Epoche der Romantik prägte eine veränderte Einstellung zur Natur und damit auch zum Wald – im Mittelpunkt stand damals die heute wieder brandaktuelle Erkenntnis unserer Zugehörigkeit zur Natur. So wird die romantische Hinwendung zum Wald in der gemeinsamen Ausstellung aus einer ungewohnten Perspektive vorgestellt: Unsere Leitfrage war, wie sich die romantische Wald-Faszination zu der weltweit aktuellen Sorge um unsere Wälder verhält. Schon die Romantiker reagieren mit ihrer Waldbegeisterung auf das auch damals aktuelle Verschwinden der Wälder. Gleichzeitig verbindet die Ausstellung die romantische Praxis der Überschreitung von Grenzen zwischen Künsten und wissenschaftlichen Disziplinen mit interdisziplinären Herangehensweisen von heute.“
Prof. Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Senckenberg Naturmuseums am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum ordnet die gelungene Kooperation so ein: „Die Rolle der Wälder für das Wohlergehen des Lebens auf der Erde ist zentral. Dass sich drei Museen der Rhein-Main-Region zusammengefunden haben, um die Relevanz und Funktionen von Wäldern von der Romantik bis in die Zukunft zu thematisieren, zeigt zweierlei: erstens die Bedeutung des Themas für uns alle und unsere ökologische wie gesellschaftliche Entwicklung – zweitens aber auch die Kraft des pluralistischen Ansatzes. Unser Projekt ist inter- und transdisziplinär angelegt. Es bezieht sich auf die menschliche und die nicht-menschliche Welt. Jede Institution hat ihre Zugänge definiert, das Projekt kuratiert und sich gegenseitig inspiriert. Gerade in Frankfurt geht das besonders gut, angesichts der Dichte von Forschungen und Museen“.
Kathrin Meyer, Direktorin des Museums Sinclair-Haus, fasst den besonderen Wert dieses multiperspektivischen Projekts mit seinem Zusammenspiel der Epochen und Disziplinen wie folgt zusammen: „Interdisziplinäre Projekte wie dieses haben ein großes Potenzial: Sie treten aus den einzelnen Sichtweisen heraus, verbinden sie und wirken daran mit, die Komplexität der Welt vorstellbar zu machen. Wir sind immer noch auf dem Weg, uns als Mensch in der Natur zu verorten und die Verbindungen zwischen Bäumen, Menschen und all den anderen Lebewesen wie Moosen, Pilzen sowie anderen Handelnden nicht nur rational zu verstehen, sondern auch zu empfinden. Um uns diese vielfältigen Beziehungen vorstellen zu können, brauchen wir beides: Wissenschaft und Kunst.“
Katarzyna Wielga-Skolimowska, Künstlerische Leitung der Kulturstiftung des Bundes, unterstreicht auch den kooperativen Aspekt der Wälder-Ausstellung: „Für das Ausstellungsprojekt haben sich drei Museen zu einer Forschungs- und Erkenntnisgemeinschaft zusammengetan und lassen ein pluralistisches Porträt des Waldes entstehen: Sie zeichnen das Bild einer Polyphonie der Organismen, in der menschliche und nicht-menschliche Bewohner in einer biotischen Gemeinschaft denselben Rang haben.“
Künstler:innen im Museum Sinclair-Haus: Yann Arthus–Bertrand, Julius von Bismarck, Carl Blechen, August Cappelen, Ellie Davies, Heinrich Dreber, Jasper Goodall, Wilhelm Klein, Carl Friedrich Lessing, Agnes Meyer-Brandis, Beth Moon, Loredana Nemes, Mariele Neudecker, Katina Vasileva Peeva, Friedrich Preller, Sophie Reuter, Abel Rodríguez, Johann Wilhelm Schirmer, Rasa Smite & Raitis Smits, Thomas Struth, Thomas Wrede, Zheng Bo
Kuratorin: Kathrin Meyer
Blicke ins Vermittlungsprogramm
Das von allen drei Museen gemeinsam konzipierte Wäldermobil kommt von April bis Juni in die Innenstädte von Bad Homburg (Sa,18.5., Marktplatz) und Frankfurt (20.4., 4.5., 8.6., 22.6., 29.6., Orte s. waelder-ausstellung.de) und bringt den Wald in die Stadt. Erwachsene und Kinder können auf dem von raumlaborberlin gestalteten Lastenrad „Wälder“ entdecken mit Kunst, Literatur und Naturwissenschaften. Begleitet wird das Wäldermobil von der Waldseele: uralt, geheimnisvoll und voller Wissen über den Wald. Die Kunstfigur der „Waldseele“ (raumlaborberlin) animiert Interessierte spielerisch dazu, ihre Verbindungen zu Wäldern zu vertiefen und zu reflektieren.
Kuratorische Gesamtleitung/ Rahmenkonzept: Nicola Lepp
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