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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Mensch Recht Kunst“ in der BBK-Galerie an der Hanauer Landstraße 89 in Frankfurt

Und am Ende küssten sich fast alle…

Eine Ausstellung zum 75. sten Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechte. BBK und Pro Asyl machen in „Mensch Recht Kunst“ darauf aufmerksam.

Von Paulina Heiligenthal

Die nebelgehüllte Main-Metropole mutet mysteriös an. Lässt wundersame Geschichten zu. Wäre da nicht die überdimensionale Plakatreihe MENSCHENRECHTE SIND UNBEZAHLBAR in der Unterführung der Hanauer Landstraße, die eindringlich um Aufmerksamkeit bittet. Justament in Sachen Menschenrechte sind wir unterwegs.

Auch in Gärten kann man Geräusche eingefangen, Foto: Paulina Heiligenthal

Die Main-Metropole liegt verträumt in einem Nebelmeer, Foto: Paulina Heiligenthal

Auf Highheels versuche ich das Tempo des liebsten Ehemannes, zu Hause eher „gehbeeinträchtigt“, auf der Suche nach der Hausnummer „98“ beizubehalten. Straße rauf, Straße runter, durch den Schlick einer Baustelle und dann wieder zurück. Immer mehrere Meter hinterher.  Im Japan-style. Unauffindbar, die entsprechende Hausnummer. Dann leuchten sie endlich auf, die Buchstaben BBK der Galerie. Auf der Seite mit den ungraden Zahlen. Merkwürdige Nummerierung.

Hier herrscht bereits ein reges Treiben. Die ersten Künstlerkollegen aus dem Umland von Frankfurt werden gesichtet und begrüßt. Kontakte werden geknüpft. Schon huscht sie auf uns zu, diejenige, derentwegen wir in die Ausstellung gekommen sind. „Ich bin sooooo glücklich, dass Ihr hier seid“, sagt die kleine zierliche Venera Kazarowa, in Russland eine ganz große Künstlerin. Sie fühlt sich vertraut in unserer Nähe. Deutlich spürbar. Nur wenige Tage nach der großangelegten Invasion auf die Ukraine floh sie auf abenteuerlicher Weise mit ihrer kleinen Familie in den Westen. Ein Diktator duldet keine Kritik. Erst recht keine normabweichende Familiengeschichte.

„Menschenrechte gelten für alle Menschen, nicht nur für Staatsbürger“, sagt Günter Burkhardt, Stiftungsvorstand und Mitbegründer von Pro Asyl, Foto: Paulina Heiligenthal

Sie spielen feierlich zur Eröffnung der Ausstellung „Mensch Recht Kunst“ auf, die ukrainischen Musiker, darunter der Geiger Mikhael Makarov aus Odessa. Die Ausstellung zum 75sten Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechte, ist eine gemeinsame Initiative von Pro Asyl und BBK Frankfurt, Berufsverband Bildender Künstler. Inspiriert vom obengenannten Günter Burkhardt zusammen mit Victor Naimark.

Asylrecht ist ein Menschenrecht“, sagt der Architekt und Kunstmaler, seit 2008 im Vorstand des BBK. 1990 kam Victor Naimark, dessen Mutter den Holocaust überlebte, von St. Petersburg in die Bundesrepublik, auf dem Weg in die USA. Er blieb. 2016 war er Gestalter der aus Ton gearbeiteten Menora für den jüdischen Gebetsraum am Frankfurter Flughafen.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, so lautet Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, am 10. Dezember 1948 verabschiedet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 48 Staaten stimmten in Paris mit Ja, acht Länder enthielten sich, darunter der damalige Apartheidstaat Südafrika und die Sowjetunion.

Die ausstellenden Künstler mit den Initiatoren und Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, Foto: Paulina Heiligenthal

Die Allgemeine Menschenrechtserklärung sichert allen Menschen Gleichheit, Gerechtigkeit, Würde und Freiheit zu. Eine allgemeine Gültigkeit, die durch den dramatischen Rechtsruck in Europa Risse und Brüche bekommt und in Gefahr gerät, wie Günter Burckhardt bei seiner Begrüßung sorgenvoll anmerkt.

Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg appelliert in ihrer flammenden Eröffnungsrede daran, die Demokratie vehement zu verteidigen, der Missachtung der Menschenrechte vehement entgegenzutreten. Dies könne nur gelingen, in dem wir ALLE im nächsten Jahr zur Wahl gehen und demokratisch wählen. N‘importe, welche Partei. Mit einer Ausnahme:„NICHT die Eine wählen, die das Fundament unserer Demokratie aufweicht!“ Diese Botschaft möchte ich gerne weiterreichen. Jede und jeder sollte sich für Menschenrechte einsetzen, sowohl die Regierung als auch das Individuum!

Die Installation „Dialog der Ohren“ rahmt die ukrainischen Musiker ein, Foto: Paulina Heiligenthal

Wälzerklänge begleiten die chinesisch-deutsche Künstlerin Yan Rechtmann und die iranische Künstlerin Firoozeh Akhlaghi in ihrer gemeinsamen Performance: Ein verzweifeltes Ringen, um einen Platz im Rettungsboot. Kaum begonnen, konnte ich nur aus den Augenwinkeln zuschauen. Mein Künstlerkollege aus Rosbach wirbelte mich in einer spontanen Tanzperformance nur so herum, dass mir ganz schwindlig wurde. Welch eine Diskrepanz!

„Es liegt im Stille sein eine wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung, der Sammlung auf das Wesentliche“, sagte  Dietrich Bonhoeffer.

Subtile Bewegungen im Eröffnungsbild der Performance, Foto: Paulina Heiligenthal

Links und rechts der Musiker ist die Installation „Dialog der Ohren“ der Künstlerin Venera Kazarova platziert. Aus überdimensionalen Ohren wächst ein grüner Zweig. Ein Symbol der Hoffnung?  Ohren wie Schmetterlinge mit Flügelschlag, sommerleicht. Ohren wie Instrumentenkoffer mit Klangkunst, beflügelnd. Ohren, die in der Performance die inständige Botschaft ausstrahlen:  „Menschen, hört einander zu, auch der Natur und den Tieren! Menschen, redet nicht! Nur dann könne ein gutes Miteinander und Zusammenleben unterschiedlichster Menschen funktionieren!“   

Im Hintergrund zu den Protagonistinnen in schlichtem Schwarz unterstreicht ein Video diese Botschaft zusätzlich. Zu sehen ist die Künstlerin selbst, wie sie mit einem silberfarbenen Hörrohr schwerelos durch ihre Kleinstadt zu gleiten scheint. Um dann sanft innezuhalten, die Geräusche der Häuser und Gärten einfangend, aufzusaugend.

Die Künstlerin Venera Kazarowa, Foto: Paulina Heiligenthal

Sensibel festgehalten von der Filmerin Swetlana Kazarowa. Die individuelle Kostümgestaltung, die ästhetische Präsentation, die puristische Choreografie fordern ein genaues Hinsehen, das in den Bann zieht, aufhorchen lässt, nachdenklich stimmt!  Swasiba, Venera für diese fantastische Performance. Poetisch und feinsinnig. Professionell ausgeführt unter Deiner Regie, Du großartige Künstlerin.

Die Ausstellung ist jetzt eröffnet, die Weinflaschen sind entkorkt, die Knabbereien sind bereit gestellt. Zeit für einen persönlichen Gedankenaustausch. Der Geräuschpegel steigt merklich an. Eine lebendige Konversation entfacht sich sogleich zwischen Günter Burkhardt und dem liebsten Ehemann. Im Verlauf der Unterhaltung kann Ersterer es gar nicht fassen, dass er gebeten wird, Herrn RA Victor Pfaff, Mitbegründer von PRO ASYL, Grüße auszurichten.

Wie, was, Sie kennen ihn? Großes Kopfschütteln und Verblüffung mit vielen Fragezeichen im Gesicht und noch mehr Fragen auf der Zunge. Ja, wir kennen, schätzen und mögen ihn. Wähnt er ihn unnahbar im Elfenbeinturm arbeitend oder gar auf einem anderen Planeten? Immerhin hat Herr Pfaff, auf unsere Bitte hin, mit großem Einsatz und noch mehr Klugheit, das Bleiberecht für die Kazarovae in Deutschland erringen können.

Dann fiel der Groschen beim Stiftungsvorstand von PRO ASYL: Es müsste die gemeinsame Begabung sein, den alltäglichen Klippen des Lebens mit heiterer Gelassenheit, sprich mit Humor zu begegnen. Dass es des Öfteren eine belebende, mitunter schelmisch geführte Korrespondenz zwischen den beiden Herren gibt, wurde nicht verschwiegen.

Mit ihrem Diptychon „Revolution“ erinnert die Künstlerin Firoozeh Akhlaghi an die 7000 Jahre alte Kultur Mesopotamiens. Sie schafft hier eine Welt, in der sich alle Lebewesen frei von Dominanz in einem harmonischen Gleichgewicht bewegen. Eine Traumwelt. Gleichzeitig thematisiert sie den Kampf der mutigen Frauen in ihrer ehemaligen Heimat Iran.

Es gibt viele Berührungspunkte in der anschließenden Unterhaltung mit der Künstlerin, ihrer Elevin, beide aus dem Iran und ihrer Freundin aus Griechenland. Auch viel Empathie und Warmherzigkeit. Unsere Themen kreisen nicht nur um die Jahrtausende alte Kultur Irans. Auch um Zan, Zendegi, Azadi. Frau, Leben, Freiheit. Mit dieser Forderung protestieren die Menschen seit Ende September 2022 gegen das Regime der Islamischen Republik.

Mein syrischer Ausweis befindet sich noch immer in meinem Portemonnaie, Foto: Paulina Heiligenthal

Vom Themenkreis Iran war Syrien nicht mehr weit. Ein Land, das ich einmal sehr gut kannte. Es stellte sich heraus, dass die griechische Besucherin in Damaskus geboren und getauft wurde. Ihre Mutter ist Niederländerin aus der Frans Hals-Stadt Haarlem. Daher ihre edelsteinfarbenen Augen.

Erinnerungen werden geweckt an die vielen Sommertage, die ich dort jedes Jahr verbrachte. Vor der Revolution. Erinnerungen an meine Einzelausstellung im „Salle des Beaux Arts“ von Homs, die, innerhalb von nur 5 Tagen im Kunstverein eröffnet wurde. Inklusive Rahmung und Hängung, des Zeitungsinterviews und des Druckens der Plakate und Einladungen. Erinnerungen vor allem an die geliebten Freunde und Künstlerfreunde, die dem Terror entfliehen mussten und jetzt in den USA leben.

Während mein Mann begeistert von seiner Unterhaltung mit der Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg berichtet, verabschieden wir uns mit vielen Umarmungen und Küssen von den beiden Iranerinnen, der Griechin, von Venera und Swetlana Kazarova aus der Ausstellung. Beglückt über die bereichernden Begegnungen.

Die Ausstellung „Mensch Recht Kunst“, in der Galerie des BBK, Hanauer Landstraße 89, Frankfurt/M geht noch bis zum  23. Dezember 2023.

Öffnungszeiten:

freitags von 16 bis 19 Uhr und

samstags und sonntags von jeweils 14 bis 18 Uhr.

Zu sehen sind Arbeiten von:
Firoozeh Akhlaghi, Gennady Gorbaty, Kaven Hosseini, Venera Kazarova, Victor Naimark, Alexandre N. Osipov, Yan Rechtmann, Alexander Salivonchyk und Hélène Vergnes.

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