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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

AIDA – von Giuseppe Verdi in der Oper Frankfurt

Unbändige Kriegslust – Sehnsucht nach Frieden

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Zwei Länder führen unerbittlich Krieg gegeneinander. Das ist die politische Realität in der Opera lirica „Aida“, die schonungslos die augenblickliche Situation in der Welt vor Augen führt. „Der Krieg zerstört nicht nur irgendwelche Häuser oder Straßen, er zerstört das Wesen des Lebens, er zerstört Menschen.“ (Aussage eines Ukrainers – Programmheft S.50). So ist es auch in „Aida“. Zwei zumutbare Minuten lang wird Kampflärm die Oper unterbrechen.

Claudia Mahnke (Amneris) und Stefano La Colla (Radamès)

Vor 42 Jahren in Frankfurt zuletzt gespielt, hat das Werk nun eine hochaktuelIe, stellenweise bedrückend brutale Inszenierung der gebürtigen Amerikanerin Lydia Steier erlebt, die mit penetranten Buh- und dagegen ankämpfenden Bravorufen bedacht wurde. Sängerinnen und Sänger, der Chor und das Orchester wurden dagegen einhellig gefeiert – vor allem die Sängerin der Aida, Guanqun Yu, die im Wasserbassin gestürzt war, aber bis zum Schluss durchhielt, und im Rollstuhl auf die Bühne gefahren wurde.

Radamès tritt in Lederschürze auf und macht sich am Wassersystem zu schaffen, da das Geschehen am Nil spielt. Die ägyptischen Eliten haben sich in aufwändigen Bunkern verschanzt, wo sie die gefangen genommenen äthiopischen Sklavinnen ausbeuten. (Bühnenbild: Katharina Schlipf)

Putzen ist angesagt und erinnert unter Anderem an die Inszenierung von Hans Neuenfels 1981, die Michael Gielen, der 1950 aus der Emigration zurück gekehrt war, dirigierte. Es ging Beiden um Kritik am Militarismus, an der Kirche, bei der Gesellschaftkritik speziell um Imperialismus und Kolonialismus.

(Hans Neuenfels zitiert im „Das Bastardbuch“ -Autobiografische Stationen – Edition Elke Heidenreich bei Bertelsmann München  2011 –  S. 301 ff. – Michael Gielens Erinnerungen an den Abend aus dessen Biografie „Unbedingt Musik“). Gielen beklagte, dass die kritischen Aspekte vom Publikum damals nicht wahrgenommen wurden und im Tumult untergingen; „[..] in der Premiere regnete es Stinkbomben von der Galerie“. Einfluss auf Lydia Steiers Interpretation wird auch vom sogenannten „Skandalregisseur“ – aufgrund seiner gewalttätigen, sexualisierten Regie – Calixto Bieitos kommen, bei dem sie Regieassistentin war.

Aida, Tochter des äthiopischen Königs, und Radamès lieben sich. Das ist auch Amneris, der ägyptischen Prinzessin, Tochter des Königs, nicht entgangen, die ein Auge auf Radamès geworfen hat, den der Hohepriester Ramfis auf Geheiß der Götter, zum Feldherrn im Krieg gegen die Äthioper ernennt. Von dieser Ernennung hat Radamès geträumt. Ramfis selbst wird von Schuldgefühlen geschüttelt, nimmt ständig Beruhigungspillen und raucht nervös. Er denkt an die vielen jungen Männer, die fallen werden.

v.l.n.r. Guanqun Yu (Aida), Claudia Mahnke (Amneris) und Kihwan Sim (Der König von Ägypten) sowie unten in der Bildmitte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen Nicholas Brownlee (Amonasro), umgeben vom Ensemble

Der Triumphzug – unter den Klängen der langen Trompeten, die Giuseppe Verdi (1813-1901) eigens hat konstruieren lassen, kehrt das ägyptische Heer zurück und wird enthusiastisch gefeiert. Unter ihnen auch die Krüppel vorheriger Kriege. Eine beklemmend-realistische Szene. Damen und Herren der feinen Gesellschaft lassen sich hinreißen, die hereingeführten äthiopischen Gefangenen zu quälen und zu demütigen. Aida vergisst sich, und verrät, dass auch ihr Vater Amanasro unter den  Kriegsgefangenen ist. Radamès wünscht, dass sie freigelassen werden. Der König willigt ein, will aber, dass Aida und der Vater als Geiseln zurück bleiben.

Andreas Bauer Kanabas (Ramfis) sowie im Hintergrund Guanqun Yu (Aida; stehend) und Statisterie der Oper Frankfurt (kniend)

Auch Amanasro ist korrupt und erbarmungslos, als er seine Tochter erpresst, Radmès zum Verrat über die Kriegsroute der Ägypter zu motivieren. Aida wird schwach. Amneris hat alles mitbekommen und lässt Radamès festnehmen, weil er sich des Landesverrats schuldig machte. Amonasro wird erschossen und liegt 28 Minuten im Wasser.

Amneris ist die unbarmherzige Rivalin von Aida. Sie scheut sich nicht, in exklusiver Kleidung (Kostüme von Siegfried Zoller) zu töten. Eine Sklavin hat ihr Haar, die Vitrinen sind voll mit Perücken, beschädigt. Amneris prügelt sie tot und lässt sie auf der Bühne liegen. Eine brutale Szene. Amneris will Radamès – zum Tode verurteilt – retten. Vergeblich, und sie bereut ihr Intrigenspiel.  „Euer Blutdurst wird nie gestillt…und ihr wollt Diener des Himmels sein?“ (Aida zum Priester, 4.Akt) Hart ist das Urteil: Radamès wird bei lebendigem Leibe eingemauert. Aida folgt ihm. „Und unsere rastlosen Seelen fliegen ins Licht der Ewigkeit!“ (Aida: 4.Akt)

Aida ist eine Heldin, die bereits im 2. Akt erinnert: „Heute sind wir vom Schicksal geschlagen, aber morgen könnte es euch treffen.“

Andreas Bauer Kanabas (Ramfis) sowie im Hintergrund Guanqun Yu (Aida; stehend) und Statisterie der Oper Frankfurt (kniend)

Amneris macht eine große Entwicklung mit. Am Ende der Oper fleht sie um Frieden: „Pace t’imploro! Pace, pace, pace!“ Derzeit ist die Hoffnung auf Frieden gering. „Jeden Tag, jede Stunde begraben Menschen ihre Liebsten“, ein junger Mann aus Gaza im November 2023 (Programmheft S.52). Ist Frieden nur eine Utopie?

Sechzehn Jahre lenkte Ismail Pascha als Vizekönig die Geschicke Ägyptens. Er ließ in Kairo ein Opernhaus bauen und trieb nach anfänglichem Widerstand das Projekt Bau des Suezkanal voran.

Giuseppe Verdi sollte für die Eröffnung des Opernhauses eine Oper schreiben. Er lehnte ab. Er wolle kein Gelegenheitsstück komponieren. Das Opernhaus wurde daher mit „Rigoletto“ eröffnet. Aber Ismail Pascha insistierte und fand in dem französischen Archäologen und Autor Auguste Mariette einen Unterstützer. Verdi war begeistert von Mariettes Szenario und nahm den Auftrag an. Der Dramatiker Antonio Ghislanzoni wurde als Librettist verpflichtet, aber Verdi wirkte am Libretto entscheidend mit.

Das Auftragswerk „Aida“ beruht auf keinen historischen Fakten. Und die Musik: Der englische Musikwissenschaftler Julian Budden, Autor des Buches „Verdi, Leben und Werk“ (2000) ist begeistert vom „Biss“ und der „Theatralik“ der Oper „Aida“, deren Probleme von Länge und Proportion „in triumphaler Weise gelöst“ sind. „Alles Gepränge der Großen Oper findet sich auch hier, aber es erdrückt die Oper nicht.“ (Zitat Programmheft S. 14)

Dirigent Erik Nielsen, der Frankfurter Oper lange Zeit als Korrepetitor und Kapellmeister verbunden, erfüllt diesen Anspruch zusammen mit den Musikerinnen und Musikern des Frankfurter Opern- und Museumorchester ausgezeichnet.

Die junge Chinesin Guanqun Yu, an allen internationalen Opernbühnen aktiv, ist eine hervorragende Aida. Ihre klare Sopranstimme meistert die dramatischen Momente mit Leichtigkeit und die lyrischen mit Leidenschaft. Wie lange sie wegen ihrer Verletzung ausfällt, ist fraglich. Für sie springt die ukrainische Sängerin Ekaterina Sannikova ein, die in St. Petersburg studierte, in den USA auftrat, Gewinnerin des CulturArte Prize beim Operalia Wettbewerb 2021 und der Monte-Carlo Voice Masters 2022 ist. Am Düsseldorfer Opernhaus wird sie 2024 große Partien singen.

Claudia Mahnke am 19. November – Oper extra – vor dem Bühnenbild von „Salome“ in der Rolle der Herodias. Die Barry-Kosky Inszenierung ist ab 6. Januar 2024 wieder im SpielplanFoto: Renate Feyerbacher

Kammersängerin Claudia Mahnke, seit langem Ensemblemitglied, ist Aidas Rivalin. Die Rolle der Königstochter Amneris interpretiert sie bösartig, höhnisch, wütend, leidend und verzweifelnd. Ihr ausgewogener Mezzosopran erreicht  fantastische Höhe. Schauspielerisch grandios.

Der italienische Tenor Steffano La Colla, weltweit gefeiert, auch mehrfach schon in Frankfurt, hat Radamès schon viele Male gesungen. Mühelos auch jetzt.

Ein Erlebnis ist die Interpretation des Ramfis durch Andreas Bauer Kanabis. Faszinierend wie er seinen Bass einsetzt und die zerrissene Figur des Hohepriesters spielt. Für ihn, für Claudia Mahnke und Nicholas Brownlee ist es ein Rollendebüt.

Nicholas Brownlee – eine Zufallsbegegnung auf der Straße, Foto: Renate Feyerbacher

Der amerikanische Bassbariton Nicholas Bronwlee, seit zwei Jahren Ensemblemitglied, gefeiert als Hans Sachs in Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ wird auch als Amanasro, Vater von Aida, begeistert gefeiert. Eine außergewöhnlich-durchdringende Stimme.

Kihwan Sim, Star der Titelpartie von „Le nozze di Figaro“ – Ende Dezember und Anfang Januar wieder im Spielplan – war in der Aida-Premiere der unbedeutende König von Ägypten und ist in Nachfolgeaufführungen als Ramfis angekündigt. Last but not least wieder einhelliges Lob für den Chor einstudiert von Tilman Michael.

Diesen Aida-Opernabend sollte man nicht verpassen: wunderbare Musik, tolles Sängerteam und eine eindringlich-aktuelle Regieleistung, die gedanklich herausfordert.

Weitere Vorstellungen:

am 10., 17., 21., 26. und 29. Dezember, am 1.,13. und 20. Januar 2024

www.oper-frankfurt.de

Telefonischer Vorverkauf:  069  212 -49 49 4 ohne Vorverkaufsgebühr

Am 29. Dezember wird Michel Friedman mit dem Militärexperten Carlo Masala im Bockenheimer Depot ein Gespräch zum Thema Krieg führen.

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