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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„The Visitors“ auf der Ruhrtriennale

Getanzte Selbstermächtung: das bunte und zugleich verstörende Leben in Hillbrow, Johannesburg

Von Simone Hamm

Sie tragen silberne Kleider und rote Schuluniformen, blonde Perücken. Sie laufen über den Catwalk in Batik-T-Shirts und pompösen Abendroben. Sie zeigen Spaß und Lust und dann wieder den schieren Horror. Die jungen Tänzer und Tänzerinnen kommen aus Hillbrow, einem einst sehr angesagten, mittlerweile aber ziemlich gefährlichen Stadtteil im südafrikanischen Johannesburg, in dem die Armen wohnen. Die Hillbrower auf der Ruhrtriennale zeigen ihren Stadtteil, wie sie ihn sehen. Extrem, verstörend, aber auch bunt und prall und schön.

The Visitors, Constanza Macras / Dorky Park © Ursula Kaufmann / Ruhrtriennale 2023

Die argentinische, in Berlin ansässige Choreografin Constanza Madras und ihre Gruppe Dorky Parc führen die Zuschauer zusammen den jungen Tänzern aus Hillbrow mitten hinein dieses Leben in Südafrika.

In einem großen Haus stehen zwei Jugendliche vor einer Bücherwand und lauschen den Geräuschen hinter der Wand. „Die Visitors“ sind eingedrungen und haben die eine Hälfte des Hauses besetzt. Jetzt wollen sie die andere Hälfte okkupieren.

Der Kampf beginnt. Und die Zuschauer in der Duisburger Gebläsehalle sind plötzlich in einem Slasherfilm gelandet, einem Subgenre des Horrorkinos. Killer fallen über eine Gruppe von Jugendlichen her und töten sie brutal. Doch sie wehren sich und eine von ihnen geht mit einem Messer, das immer blutiger wird, gegen die Killer vor und besiegt sie. Alle.

The Visitors, Constanza Macras / Dorky Park © Ursula Kaufmann / Ruhrtriennale 2023

Die Tänzer und Tänzerinnen werden die Dämonen der Vergangenheit, Apartheid und Landnahme besiegen und bald auch auch die des heutigen Südafrika. Dazu brauchen sie viel Mut und – um nicht zu verzweifeln – viel Humor. Auch den bringen sie gekonnt auf die Bühne.

Da ist etwa die gelangweilte Beamtin, die eine junge Frau nur ausreisen lassen will, wenn sie die Geburtsurkunde des Vaters nicht beibringt. Da sie ihren Vater aber gar nicht kennt, muss sie bleiben. Ständig fällt der Strom aus. Und dann funktioniert erst einmal gar nichts mehr.

Atemberaubend schnell und sehr präzise sind dagegen die Tänzer und Tänzerinnen. Urban African Dance, Hip-Hop und Elemente westlichen Tanzes werden bunt durcheinander gewirbelt.

Die Kostüme sind farbenprächtig. Die Musik ist ein Beat aus Trommeln, Chorgesang oder es sind verfremdete Welthits. Adeles „Hello“ ruft hier etwa nach der personifizierten Korruption und oder Bürokratie.

Was die Jugendlichen aus Hillbrow zeigen, ist nicht nur Elend, Armut und Gewalt. Es ist Aufbruch, Energie, Hoffnung,  Ermutigend und inspirierend.

Da hält es niemanden mehr auf seinem Sitzplatz.

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