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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sir John Eliot Gardiner zu Gast in der Alten Oper Frankfurt

Und immer wieder Bach…

Von Petra Kammann

Schon sein ganzes Leben lang beschäftigt sich einer der innovativsten Musiker der Welt, der britische Dirigent John Eliot Gardiner, mit Johann Sebastian Bach. Die Queen erhob den Bach-Spezialisten und Gründer dreier eigener Ensembles (Monteverdi Choir, English Baroque Soloists und Orchestre Révolutionnaire et Romantique) 1998 in den Adelsstand. Gardiner, ein Pionier der historischen Aufführungspraxis, hauchte der Alten Musik wieder ein neues Leben ein. Zwei Tage vor seinem 80. Geburtstag können sich die Frankfurter und die im Rhein-Main-Gebiet Lebenden nun selbst ein eigenes Klang-Bild davon machen. Am 18. April um 20 Uhr dirigiert auf Einladung des Frankfurter Bachorchester e.V. Gardiner in der Alten Oper die ihn so prägende Bach’sche h-Moll-Messe mit dem Monteverdi Choir und den auf historischen Instrumenten spielenden English Baroque Soloists.

Der große Bach-Spezialist Sir John Eliot Gardiner, Foto: © Sim Canetty-Clarke

„Der „lebenslange Bach-Student“

Schon in der Wohnung von Gardiners Eltern hat wohl das berühmte Porträt des Thomaskantors Johann Sebastian Bach von Haußmann gehangen. Bachs strenger Blick habe ihm als Kind schon immer Furcht eingeflößt, bekennt er später in seiner Autobiografie. Doch nach und nach habe sich seine Angst in Bewunderung und Begeisterung für den Komponisten verwandelt. Seit vielen Jahren ist der am 20. April 1943 in Dorset geborene Brite nun einer der bedeutendsten Bach-Dirigenten unserer Zeit.

Seine Kindheit wurde nicht nur vom strengen Blick des Barockkomponisten Bach bestimmt, sondern im Umfeld der Familie auch vom Klang der Musik geleitet. In seinem Elternhaus nahm er verschiedene Impulse auf wie zum Beispiel das Bewirtschaften der Natur, das Miteinander. Da spielte auch die Musik eine nicht unbeträchtliche Rolle. Sie gehörte einfach zum täglichen Leben. Es wurde gesungen, Instrumente wurden gespielt, wenn auch nicht professionell.

So konnte John Eliot bereits als kleiner Junge die Sopranpartien aus den Bach’schen Motetten auswendig singen, nebenbei lernte er sogar auch noch die deutsche Sprache kennen. Schon bald begann er, Klavier und Geige zu spielen, später dann Bratsche, bevor er über Umwegen eines Studiums der Geschichte und des Arabischen (Thema seiner Magisterarbeit: „Misunderstandings between Europe and the Arab World“) dann doch noch eine grundlegend musikalische und schließlich eine Dirigierausbildung machte.

Für Gardiner Inspirationsquell von früh an: das Poträt des Thomaskantors Johann Sebastian Bach 

Die Summe von Gardiners theoretischer und praktischer Beschäftigung mit der Person und dem Werk Johann Sebastian Bachs hat er 2013 dann in einem umfangreichen Buch festgehalten: „Music in the Castle of Heaven: A Portrait of Johann Sebastian Bach“. Diese seine Bach-Biografie liegt seit 2016 auch auf Deutsch vor, und zwar mit dem vielsagenden Titel „Musik für die Himmelsburg“, in der auch Atheisten nicht abgeschreckt werden, sich mit religiös gebundener Musik zu beschäftigen, die für Bach so entscheidend war.

In der umfangreichen Biografie unternimmt der „lebenslange Bach-Student“, als der Gardiner sich selbst sieht, den Versuch,“den Menschen über sein Werk kennenzulernen“. Denn das Werk und das Wesen Bachs zu ergründen, wurde so etwas wie Gardiners Lebensaufgabe. Heute gilt der Dirigent vielen als der bedeutendste Bach-Interpret überhaupt, zumindest in Bezug auf dessen Vokalwerk. Kaum einer, der tiefer und umfassender in die Musik des Barock-Komponisten eingedrungen wäre!

Von 2014 bis  2018 wurde Gardiner Präsident des Bach-Archivs Leipzig. Seine profunde Kenntnis vom vielfältigen Leben und Wirken des Komponisten hatten ihn für die Funktion des Stiftungspräsidenten und die damit verbundene Rolle eines international beachteten Botschafters für die Leipziger Bach-Forschung  prädestiniert. Als er 2018 die Leitung an den Niederländer Ton Koopman übergab, sagte er: „Es gibt sie nicht, die eine Wahrheit bei Bach. Oder doch nur die, dass es ohne Bach keine Wahrheit gibt.“

Der Monteverdi Choir, Foto: Renato Mangolin /Frankfurter Bachkonzerte

In Frankfurt ist er natürlich auch kein Unbekannter. Zuletzt hatten ihn die Frankfurter Bachkonzerte im Dezember 2016 zu einem vorweihnachtlichen Bachkonzert in die Alte Oper eingeladen. „In der berückenden Eingangsarie der Kantate „Süßer Trost, mein Jesus kömmt“ BWV 151 war ihre vibratofreie und zugleich von aller sopranistischen Stichsägen-Schärfe, wie sie bei Alter Musik gerne auftaucht, entfernte Stimme ein Muster an schöner Einfachheit. Schaute man nicht hin, vermeinte man tatsächlich einen Knaben-Sopran singen zu hören. Im Verein mit der duettierenden Flöte ergab sich zudem eine passende adventliche Stimmung. Jenes dergestalt vermittelte ,Herz und Seele freuet sich‘ hätte sicherlich jeder im Saal unterschrieben, schrieb damals der Kritiker der Frankfurter Rundschau über das Konzert.

Aber so vielfältig wie die Person und das Werk Bachs sind auch die Prägungen und Neigungen des Dirigenten Gardiner. War sein Großvater ein bedeutender Ägyptologe seiner Zeit, so war sein Vater, der sich u. a. für die Wiederbelebung von englischen Volkstänzen einsetzte, ein Pionier der Bio-Landwirtschaft. Noch heute betreibt auch Gardiner selbst – sehr ungewöhnlich für einen Profi-Musiker – in der konzertfreien Zeit einen eigenen Bio-Bauernhof mit 100 Rindern und 900 Schafen.

Die Verbundenheit von Himmlischem und Irdischem haben wohl auch die notwendige Kontinuität, Stabilität und Reife des Künstlers geprägt. Und natürlich können die Bach-Liebhaber am kommenden Dienstag schon sehr gespannt sein auf die dramatischen und entrückenden Klänge der h-Moll-Messe. Sie werden den Übergang des Ausnahmemusikers in sein neues Jahrzehnt einleiten.  Nach seinem 80. Geburtstag, am 24. April, wird er dann die großartige h-Moll-Messe noch einmal in St. Martins-in-the-Fields in London zu Gehör bringen.

Sir John Eliot Gardiner der Dirigent in Aktion, Foto: Chrischchristodoulou

Sollten Sie es nicht schaffen, noch in letzter Minute eine Karte für das Live-Erlebnis in der Alten Oper zu ergattern, so bleibt Ihnen ein kleiner Trost: Der HR schneidet das Konzert in St.-Martins-in-the Fields mit. Schalten Sie dann einfach am 24. April um 19.30 h das Radion ein: Monteverdi Choir | John Eliot Gardiner: Bach B Minor Mass, Monday 24 April 2023 7:30 pm – 9:30 pm.

 

JOHANN SEBASTIAN BACH

Hohe Messe h-Moll BWV 232 mit dem English Baroque Soloists und dem Monteverdi Choir

Dienstag, 18. April 2023, 20 Uhr 
Alte Oper Großer Saal

Die Solisten:

Sopran: Hilary Cronin

Mezzosopran: Bethany Horak-Hallett

Countertenor/Alt: Reginald Mobley

Tenor: Nick Pritchard

Bass: Dingle Yandell

Leitung:

John Eliot Gardiner

19.15 Uhr Konzerteinführung durch Christian Kabitz

Dauer des Konzerts: ca. 110 Minuten ohne Pause

Mit freundlicher Unterstützung der FREUNDE der Alten Oper Frankfurt

 

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