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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Filmregisseur  Fatih Akin im Deutschen  Filminstitut – Filmmuseum

„Gute Filme sind für mich wie Freunde“

von Renate Feyerbacher

Immer wieder gibt es im Deutschen Filminstitut/ Filmmuseum (DFF)  die Reihe Carte-Blanche. Es werden Filmregisseurinnen, Filmregisseure zum Gespräch eingeladen, die im Gespräch mit Urs Spörri über sich, ihre Arbeitsweise, ihre Vorbilder und Vorlieben sprechen. Es folgen über den Monat verteilt Filme, die sie für die Reihe Carte Blanche  ausgesucht haben und begründen, warum dieser und jener Beitrag dem Publikum gezeigt werden soll.

Fatih Akin am 2.3 20.23 im DFF,  Foto: Renate Feyerbacher

Diesmal war der in Hamburg geborene Fatih Akin, Sohn türkischer Einwanderer, zu Gast. „Altona und St.Pauli sind meine Heimat“. „Bin prüde aufgewachsen –moslemisch.“

Ausgesucht hat er ausschließlich Gangsterfilme aus den USA, Indien, Türkei, Italien, Hong Kong und Deutschland. „Ich bin überhaupt kein Gangster [aber ]ein Fan von Horrorfilmen“.

Alle Beiträge sind lang. Für ihn ist das gemeinsame Anschauen von Filmen ein Erlebnis, etwas Kollektives.

Locker, kenntnisreich vom internationalen Filmgeschehen, fasziniert er im Gespräch mit dem Filmwissenschaftler Urs Spörri das Publikum, das zahlreich erschienen war. Jeder, jedem zugewandt, beantwortet er die Fragen, lässt Selfies machen und signiert Bücher.

Ich erinnere mich an eine zufällige Begegnung in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Medien Berlin. Wir redeten miteinander. Es war während einer BERLINALE vor längerer Zeit. Mich überraschte seine Lockerheit, das auf den Andern- Eingehen, dass er weder Gehabe, noch Promi-Gedöns an den Tag legte.  So zeigte er sich auch beim Foyergespräch am 2. März im DFF.

Gleich im Anschluss lief dann Fatih Aktins Film „Zum Goldenen Handschuh“ (2019), die Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka, die Heinz  Strunk in seinem gleichnamigen Roman aufgezeichnet hat. Das Buch wurde 2016 für den Leipziger Buchpreis nominiert und im selben Jahr mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet.

Fatih Akin schrieb das Drehbuch für den Film „Zum Goldenen Handschuh“ führte Regie und war an der Produktion beteiligt.

In der Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“ in St.Pauli sprach Fritz Honka die Frauen an und lockte sie, die dem Alkohol verfallen waren, in seine Wohnung, wo sie sich regelrecht mit Schnaps volllaufen ließen. Honka hatte ein leichtes Spiel, sie zu vergewaltigen und grausam umzubringen. Die erste Leiche entsorgte er auf einem Müllplatz, die weiteren in einem Verschlag hinter seiner Mansardenwohnung. Der Gestank im Haus war unerträglich.

Der Beitrag wurde 2019 im Hauptwettbewerb der BERLINALE gezeigt. Es ist ein abstoßender, Frauen verachtender Film, der keinen psychologisch- analytischen Ansatz hat. Akin beschreibt ihn so: „Es ging darum, Gewalt so darzustellen, dass sie wieder erschüttert.“ Ich war nicht erschüttert, sondern ablehnend. Warum so ein Film?

Ankündigung DFF, Foto: Renate Feyerbacher

Der deutsch-türkische Filmemacher Fatih Akin, auch weltweit mehrfach ausgezeichnet, ist einer der besten und talentiertesten Genrefilmer. Musik spielt in seinen Werken immer eine große Rolle. So auch in „Rheingold“ (2022). Da geht es aber nicht etwa um Wagners Oper, sondern um Hipp Hopp, um die Biografie des Ende 1981 im Iran geborenen Gangster Rappers Giwar Hajabi alias Xatar – xatar bedeutet ‚gefährlich‘.

Die Eltern, beide Musiker, der Vater Musikprofessor und Komponist, flohen aus dem Iran in den Irak, wo sie als Kurden i zusammen mit dem kleinen Sohn m Gefängnis saßen. Das Deutsche Rote Kreuz half bei der Befreiung. Die Familie  kam nach einem Zwischenstopp in Paris 1985 als Asylbewerber nach Bonn.

Xatar litt unter der Ausgrenzung und Armut. 2009 überfiel er mit Komplizen einen Goldtransporter, floh in den Irak, wurde verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert, verurteilt, kam aber vorzeitig aus der Haftanstalt.

2015 schrieb er seine Biografie „Alles oder Nix“ Bei uns sagt man, die Welt gehört dir“ (Riva Verlag, München). Aus der Biografie hat Fatih Akin ein Drehbuch geschrieben. Gedreht wurde an deutschen Originalschauplätzen, in den Niederlanden, Marokko und Mexiko. Als „Besonders wertvoll“ stufte die Deutsche Film- und Medienbewertung den Spielfilm ein. Um die eine Million Zuschauer waren bereits im Rheingold-Kinofilm.

Dennoch die Kritiken sind sehr unterschiedlich: von „[..] der sehr überzeugende Emilio Sakraya als Xatar machen den Film zu einem gelungenen Stück Biografie-Kino.“ (Deutschlandfunk), – „Allen Fans sei geraten: Am besten ganz schnell vergessen und sich auf seinen nächsten Film „Amrum“ * freuen [..] „(NDR), – „Wirklich ernst nehmen kann man »Rheingold« nicht. Was ist das für ein überdrehter, an vielen Stellen halb garer, dabei aber über einen Großteil der Laufzeit von satten 140 Minuten doch unterhaltsamer Film. Aus unpassenden Tönen werden die schönsten Melodien“. (epd-Film)

*„Amrum“ ist ein Projekt, das er mit dem ‚Vater des Autorenfilms‘ Hark Bohm (* Hamburg 1939), mit dem er bereits viel zusammen arbeitete, derzeit realisiert.

Fatih Akin ist selbst nicht wirklich zufrieden: „Rheingold“ musste schnell gemacht werden.“ Er wäre zufriedener, wenn er mehr Zeit gehabt hätte.

Akin schwärmt dagegen von seinem ersten Debüt- Spielfilm „Kurz und Schmerzlos“ (1998). Der von Freundschaft, Liebe und Verrat handelt. Grimme Preis, Bayerischer Filmpreis, Spezialpreis in Locarno für Bestes Ensemble. „Ein Film wie ein Diamant: kantig und voller Klasse“, schrieb TV Movie- auch epd-film fand positive Anerkennung.

Der große Durchbruch kam für Fatih Akin mit „Gegen die Wand“ (2004), den er in Hamburger  Stadtteilen  Altona und St.Pauli mit Sibel Kekilli drehte. Es wimmelte von Preisen u.a. Goldener Bär der BERLINALE 2004, fünf LOLA‘s, Europäischer Filmpreis für „Bester Film“ und Publikumspreis, Preis amerikanischer Filmkritiker und und und.

Das türkisch-deutsche Filmdrama „Auf der anderen Seite“ (2007) gewann in Cannes und auf der ganzen Welt Filmpreise. „Akin erreicht zu Recht Weltgeltung“ (epd-film).

Auch „Tschick“ (2016) nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf begeisterte und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Die deutsche-französische Koproduktion „Aus dem Nichts“  (2017) mit Diane Krüger, die den Nagelbombenanschlag durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Köln zum Thema hat, zieht wieder eine Vielzahl von Preisen auf sich, u.a. die Oscar-Nominierung 2018 „Bester fremdsprachiger Film“.

Fatih Akin, der Filmemacher, mischt sich sowohl in der Türkei als auch in Deutschland politisch immer wieder ein. Er, der in einem sozialen Brennpunkt aufwuchs, „Schlüsselkind“, kennt die Probleme der Menschen, die zu uns kamen, um hier eine neue Heimat zu finden.

Fatih Akins ausgewählte Filme der Reihe Carte Blanche sind im März im DFF zu sehen.

Das nächste Datum: „Un Prophète“ von Jacques Audiard am 14.3.. Danach folgt  fast täglich einer der ausgewählten Filme.

DFF – Deutsches Filminstitut
& Filmmuseum
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
069 961 220 – 220
info@dff.film

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