Endlich wieder Live: das 8. Kammerkonzert der Frankfurter Museums-Gesellschaft in der Alten Oper mit dem Quatuor Arod
Überbordende Spielfreude, hochdramatisch und präzise
Von Petra Kammann
Was für ein Gefühl! Menschen streben zielbewusst vom Opernplatz die Treppe der Alten Oper hinauf in Richtung geöffneter Tür, meist gewappnet mit Impf-Dokument und Maske. Es ist wieder Leben in das Haus eingekehrt. Im Großen Saal spielt Andrés Orozco-Estrada mit der Star-Geigerin Hilary Hahn, um sich zu Ende dieser Spielzeit und seiner siebenjährigen erfolgreichen Tätigkeit als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt zu verabschieden. Im Mozart-Saal weiter unten agiert das junge frische Streichquartett Quatuor Arod. Es ist eines der im vergangenen Jahr ausgefallenen Konzerte der traditionsreichen Frankfurter Museums-Gesellschaft.
Das französische Arod-Quartett: Alexandre Vu – Violine, Jordan Victoria – Violine, Jérémy Garbarg – Violoncello, Tanguy Parisot – Viola, Alle Fotos: Petra Kammann
Dr. Burkhard Bastuck, Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Museums-Gesellschaft, tritt kurz auf die Bühne, um sich wegen zahlreicher ausgefallener Konzerte beim Publikum zu entschuldigen, sich für die Treue bedanken und es darauf einzustimmen, dass die Besetzung der Säle vermutlich noch eine Weile im Schachbrettmuster erfolgen wird. Außerdem sei leider in Zukunft das die Frankfurter Museums-Gesellschaft seit einigen Jahren begleitenden Artemis-Quartetts noch nicht gesichert. Aber Bastuck ist einfach glücklich und optimistisch, dass es nun erst einmal wieder weitergeht mit den Live-Konzerten.
Das Debut des französischen Streichquartetts Quatuor Arod in der Kammermusik-Reihe der Frankfurter Museumsgesellschaft hatte schon lange angestanden und musste immer wieder verschoben werden. Seitdem das 2013 gegründete Quartett 2016 den renommierten ARD-Wettbewerb gewonnen hatte, standen ihm wichtige europäische Konzertbühnen offen wie das Auditorium du Louvre in Paris oder das Palais des Beaux Arts in Brüssel. Auch wurden die dynamischen Musiker bereits zu berühmten international bekannten Festivals eingeladen. Im Juli werden sie übrigens auch noch einmal auf dem Rheingau Musik Festival auftreten.
Dr. Burkhard Bastuck, Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Museumsgesellschaft
Und schon kommen selbstbewusst und voller Elan die vier drahtigen jungen Musiker mit ihren Streichinstrumenten auf die Bühne. Ihr Name ist Programm, haben sie sich doch nach dem feurigen Hengst aus Tolkiens „Herr der Ringe“ benannt. Arod ist in dem Tolkien’schen Fantasy-Epos nämlich das Pferd des Elbenprinzen Legolas, das leicht und feurig galoppiert.
Diese Grundhaltung hat sich wohl auf die Musiker übertragen. So setzen sie mit großer Wucht und Dynamik zu Mendelssohn Bartholdys Streichquartetett f-Moll op.80 ein, um die kompromisslose Musik des Komponisten, die als „Requiem“ für Felixens verstorbene Schwester Fanny Hensel galt, in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig gibt diese Komposition einen Vorgeschmack auf die herannahende „Moderne“ à la Schönberg.
Zwischen dem Tod seiner Schwester Fanny im Jahre 1847 und seinem eigenen Tod, der knapp ein halbes Jahr später nach mehreren Schlaganfällen folgte, hat sich möglicherweise Mendelssohn Bartholdys Bewusstsein, immer den Tod vorausahnend, von der Dimension Zeit verändert. Sein inneres Getriebensein findet sich in dieser Musik wieder. Das in den Schweizer Bergen in Einsamkeit entstandene Quartett ist geprägt von einem scharfen punktierten Rhythmus, hin und wieder unterbrochen von jähen Pausen, die man als Innehalten empfindet.
Der Verlauf wird dann gleichsam von den Synkopen vorangetrieben. Dieses rhythmische Geflecht wurde von den französischen Musikern kongenial aufgegriffen, durchdrungen und mit atemberaubender Dramatik dargeboten. Die erste Geige versucht, der Bedrängnis der emotionalen Lage zu entkommen und übernimmt die Führung, im Konzert mit virtuoser Präzision von Jordan Victoria gespielt.
Das Adagio, das dem zurückgenommenen zweiten Satz mit sehr fein gestrichenen Pianissimi folgt, wechselt nach einer harmonisch eigenwilligen Klage von Moll zu As-Dur. Es nimmt sich eher lyrisch versöhnlich aus, bis das Finale mit seiner wilden Zerrissenheit der ersten beiden Sätze wieder zurückkehrt. Furios, leidenschaftlich und präzise wurde es von den Streichern des ungewöhnlichen Quartetts dargeboten. Eine reife Leistung! Der Applaus für die jungen Spieler blieb nicht aus.
Nach der Pause, bei der alle unter ihren Masken schwitzend auf ihren Plätzen sitzen blieben, folgte dann ebenso konzentriert das zweite der Graf Rasumowsky gewidmeten Streichquartette von Ludwig von Beethoven, die eigentlich 2020 anlässlich des Beethovenjahres an dieser Stelle vom Quatuor Ebène hätten gespielt werden sollen. Ebenso dieses Werk geriet durch die Interpretation des jungen musikalischen Teams ausgesprochen modern.
Auch hier stach die erste Geige, ganz besonders hell in den oberen Lagen, besonders hervor, bevor die Harmonie jäh nach Moll umschwenkte. Das ständige Pendeln dieses Satzes zwischen Dur und Moll ließ die Zuhörer in der Schwebe. Auch hier war es wieder der pochende Rhythmus der Begleitstimmen, welche den Satz dann vorantrieben.
Lediglich der Mittelteil gewährte eine kleine Atem- und Ruhepause mit dem schwebenden Ausgang, bevor es zum heiteren, fast tänzerischen 3. Satz ging, in dem die zweite Geige (Alexandre Vu) die Stimmführung übernahm, und bevor das Tempo im expressiven Finale des e-Moll-Quartetts, op. 59, 2 immer weiter gesteigert wurde.
Das verlangte den Streichern ein hohes Maß an Virtuosität ab. Großartig, wie hierbei die einzelnen Ensemblemitgliedern zusammenspielten, als ginge es um ihr Leben. Auch hier anhaltender Applaus.
Mit großer Zustimmung verließ das Publikum die Alte Oper; Foto: Petra Kammann
Es war der zweite Auftritt des Quartetts an diesem heißen Juni-Tag. Besonders sympathisch kam dann die kurze Ansprache des ersten Violinisten rüber, der auf leicht gebrochenem Deutsch die Zugabe eines heiteren Haydn-Satz ankündigte, der die Besucher dann ebenso heiter gestimmt im Abendlicht auf den Opernplatz entließ, vor dessen Fontäne sich die Menschen erfrischten und wieder miteinander ins Gespräch kamen.