Rene René Polleschs „Goodyear“ auf den Ruhrfestspielen und am Deutschen Theater Berlin
Das wird ein gutes Jahr!
Von Simone Hamm
„Goodyear“ – René René Polleschs erste Inszenierung nach dem Lockdown, Foto: Arno Declair
René Polleschs erstes Stück „Goodyear“, seine Inszenierung nach dem Lockdown und mithin der großen Pause auf den Bühnen, war ganz leicht und lustig, genau das Richtige also nach den Tagen, Wochen und Monaten der Abstinenz. Ende Mai war die Premiere am Deutschen Theater Berlin, im Juni ist das Stück auf der Ruhrtriennale zu sehen.
„Goodyear“ wie der Reifenhändler. „Goodyear“ ist ironische Anspielung auf das Jahr in der Pandemie aber vielleicht auch Ausblick auf ein gutes Jahr. Endlich.
Zuerst stehen fünf Rennfahrerwitwen ganz in schwarz und mit Schleier vor einem blau-gemalten Himmel auf der Bühne. Die schwarzen Witwenkostüme haben die Gattinnen der Rennfahrer ohnehin immer im Gepäck dabei. Für den Fall, dass es mal ganz schnell gehen muss.
Sophie Rois ruft nach Henry, sie meint wohl ihren Kollegen Henry Hübchen. Der taucht nicht auf, den ganzen Abend nicht, also erzählt sie von ihm. Von diesem Henry sagt sie, er sei ein großer Schauspieler, weil ihn der Inhalt nie interessiert habe, nur die Darbietung.
Dann tragen die Schauspieler Rennfahrerkluft und Sophie Rois will den Anzug gar nicht mehr ablegen, will sofort eine zweite Folge spielen.
Wieweit also lässt ein Schauspieler, eine Schauspielerin sich auf seine Rolle ein? Wieviel davon nimmt er nach dem Theaterabend mit? Und was, wenn er – wie Jeremy Mockridge – einfach nicht zu der Figur findet, die er verkörpern soll? Was, wenn er über die eingegrenzte Bühne hinaus will, so wie Katrin Wichmann, die sich im glitzernden Abendkleid von der Bühne rollt? Rennfahrer-Schauspieler, die ihre Zunft manchmal recht zynisch betrachten.
Bisweilen deklamieren die Schauspieler zu ohrenbetäubendem Motorenlärm auf der schwarz glitzernden Bühnenrennstrecke. Es ist einfach gar nichts zu verstehen. (Das Bühnenbild hat Barbara Steiner angelegt, die Kostüme stammen von Tabes Braun.) Es gibt irrwitzig komische Szenen. Astrid Meyerfeldt klettert in einen überdimensionalen weißen, mit Glitzersteinen besetzten Stöckelschuh, der zum Rennauto wird, Jeremy Mockridge verheddert seine lange Beine in einer Trittleiter, Christine Groß versucht, in diesem Chaos zu retten, was zu retten ist.
Ein Abend, an dem die Fragen nach dem Sinn des Theaters nur vordergründig gestellt wird. Die Antwort ist: es kann so sein oder so oder auch ganz anders. Das hatte fast etwas Dadaistisches. Kein großer, unvergesslicher Theaterabend. Nichts Bedeutungsschweres, aber auch nichts Thesenhaftes, sondern einer, der Freude macht und bei dem man viel lachen konnte. Wie wir das doch vermisst haben!