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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Einjähriges bestanden“ – Die Pianistin Angelika Nebel und ihre Studiokonzerte

Nehmen Sie Platz auf dem Parkplatz!

Von Petra Kammann

„Konzerte besuchen, Musik hören und genießen, sich austauschen – all das bedeutet eine ganz spezielle Nähe, die wir alle vermissen. Die vielfältigen Einschränkungen durch Covid-19 haben uns auch im kulturellen Bereich hart getroffen, und es wird noch eine Weile dauern, bis die Konzertsäle für ein großes Publikum wieder öffnen. In dieser Situation habe ich im Juni 2020 die Reihe „Studio-Konzerte im Westend“ begonnen und werde diese auch 2021 regelmäßig weiterführen“  heißt es auf der Homepage der Pianistin Angelika Nebel. Am 12. Juni spielte sie das 72. Konzert für Musikbegeisterte, die in dieser Zeit nicht auf Live-Konzerte verzichten wollten.

Bei geöffneten Fenstern spielte Angelika Nebel ihr „Jubiläumskonzert“, das 72. Konzert in einem Pandemiejahr, Foto: Petra Kammann

In fast unmittelbarer Nähe des Studios im Frankfurter Westend liegt auch das Sigmund-Freud-Institut, wo einst Alexander Mitscherlich dozierte, schrieb und laut über „Die Unwirtlichkeit der Städte“ nachdachte. Lässt sich nicht auch einem unwirtlichen Parkplatz mit Mülleimern neues Leben einhauchen?  Was es dazu braucht? Menschen mit Ideen, die sich nicht von den Widrigkeiten des Alltags abschrecken lassen. Man öffne das Fenster, biete einer geneigten Zuhörerschaft Klappstühle, spiele und lausche auch bekannten Weisen wie zum Beispiel der bekannten Bach-Aria „Willst Du mein Herz mir schenken“ aus dem Notenbüchlein für Anna M. Bach, BMV 518 neue Seiten ab.

Der fügte die Pianistin Angelika Nebel drei selbstkomponierte Variationen hinzu. Ein solches Konzert fand am 12. Juni hinter dem Haus des Studios in der Friedrichstraße statt, also ein Jahr nach dem ersten Konzert vom 13. Juni 2020, dem  72. Konzert dieser Art im Pandemiejahr.  Ein Jahr lang hatte Nebel unter den widrigsten Umständen und Beschränkungen der Pandemie Studio-Konzerte im Frankfurter Westend, erst im Teehaus nebenan veranstaltet. Das aber musste zwischenzeitlich schließen. Dann bot sie ihren Konzertbesuchern allwöchentlich unter Einhaltung der üblichen Hygieneregeln in ihrem Studio mit zwei Flügeln auf beengtem Raum Konzerte für bis zu zwei Personen an, immer mit einem spezifischen Programm, weil es in der kühleren Jahreszeit nicht anders möglich war.

Aufmerksam lauscht das Publikum dem Spiel der Pianistin; Foto: Petra Kammann

Prof. Angelika Nebel bewährte sich als Siegerin des Tages der Natur und sonstiger Unbillen. So schien ausgerechnet im warmen Juni zunächst das Wetter nicht mehr mitzuspielen. Der Himmel verdunkelte sich  zunehmend. Viele bange Blicke richteten sich nach oben. Aber der optimistischen Pianistin war  es schließlich beim Spielen der temperamentvollen Fis-Dur-Sonate des katalanischen Komponisten Antonio Soler (1729-1783) sogar gelungen, die Stimmen der Vögel in den umgebenden Bäumen mit ihrem Klavierspiel zu erwecken. Sie  kommentierten und echoten heiter mit ihrem Gesang die Pianotöne. Und nach und nach klarte dann auch der Himmel  auf. Das muntere Wechselspiel vertrieb gar das nahende Gewitter, so dass zu guter letzt doch noch ein Sonnenstrahl auf den Hinterhof-Parkplatz fiel und die Lage entspannte.

Sehr leicht daher kamen dann auch die impressionistisch anmutenden „Sept pièces fragiles“ der elsässischen Klavierpädagogin, Komponistin und Schumann-Verehrerin Marie Jaëll (1846 – 1925) mit ihren märchenhaften Szenerien, mit den Kobolden  und grauen Schmetterlingen, bevor Nebel zur ornamentaleren Arabeske C-Dur op. 18 von Robert Schumann mit großer Kraft und Innigkeit anhob.

Dann trat Nebel vor die Tür und wartete mit einer Anekdote zur bearbeiteten Aria aus der Kantate „Die Elenden sollen essen* BWV 75 “ Schafe sollen sicher weiden“ auf. Ein selbstgehäkeltes Schäfchen sei ihr eines Tages von einer Zuhörerin zur Erinnerung an ein Konzert in den Briefkasten gesteckt worden. Seither begleite es sie gewissermaßen als Talisman.

„Schafe können sicher weiden“, Prof. Nebel zeigt das selbstgehäkelte Schäfchen, das eine Art Talisman für sie wurde; Foto: Petra Kammann

Der Choral , Jesu bleibet meine Freude‘ aus der Kantate , Herz und Hand und Tat und Leben‘, MWV 147 rundete dann das stimmige Konzert ab und die Musikgemeinde konnte bei Getränk, Kuchen und Gesprächen den ungewöhnlichen Musiknachmittag, den  die aus der Tiefgarage kommenden knatternden Motorrädern oder hochfrisierten Sportwagen während des Musizierens soweit verschont hatten. Bei soviel geballtem Engagement mussten wohl auch sie dem Raum für Musik den nötigen Respekt einräumen.

Ein Dankeschön für die Blumen und den Applaus; Foto: Petra Kammann

Die Gäste waren einfach nur begeistert ob der Nebel’schen Kenntnis, Erfahrung und pianistischen Interpretation, nicht zuletzt ihres unzeitgemäßen Idealismus wegen und kamen auch nach Abschluss des eigentlichen Konzerts miteinander ins Gespräch.

Die türkische Künstlerin Gözde Ju hat sich das intensive Gepräch der bis zuletzt gebliebenen Kleingruppe am Ende des Konzerts mit ihrer Kamera von oben angeschaut. Schön auch, dass die Musikwissenschaftlerin PD Dr. Ulrike Kienzle wie auch die langjährige Verantwortliche der Abteilung Exilliteratur der Deutschen Bibliothek, Dr. Brita Eckert, und nicht zuletzt Dr. Julia Cloot vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain unter den Gästen waren. Auch sie könnten sich überzeugen von der These: Es lebe der Idealismus und die private Initiative der in Frankfurt viel beschworenen engagierten Stadtgesellschaft!

Die bis zum Schluss miteinander mit der Pianistin Diskutierenden, Foto: Gözde Ju 

Mehr unter:

https://www.angelikanebel.de

Musikleben der Stadt Frankfurt:

https://www.frankfurter-buergerstiftung.de/informationen/mediathek/video/musikstadt-frankfurt-facetten-aus-1000-jahren-frankfurter-musikleben-60

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