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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Leander Haußmanns „Amphitryon“-Inszenierung am Thalia Theater

Ganz in Schwarz. Jens Harzer und Sebastian Zimmer spielen Doppelrollen.

Von Simone Hamm

Marina Galic (Alkmene), Antonia Bill (Charis), Iffland-Preisträger Jens Harzer (Jupiter / Amphitryon) und Sebastian Zimmler (Merkur / Sosias), Foto: Armin Smailovic

Zum ersten Mal, seit bekannt wurde, dass Jens Harzer den Iffland-Ring tragen darf, ist er auf der Bühne in einer Premiere zu sehen. Am Hamburger Thalia Theater als Amphytrion in Kleist gleichnamigen Stück.

Zuerst aber steht vor dem samtroten Vorhang der Bühne des Thalia Theaters Sebastian Zimmer in schwarzen Schlaghosen und dunkler Weste. Hätte er noch einen Hut getragen, man hätte geglaubt, er sei ein Zimmermann auf der Walz. Zimmer ist der Diener Sosias und zugleich ist er der Götterbote Merkur in Gestalt des Sosias. Sosias, eigentlich ein munterer Lebemann, ist verängstigt. Er streitet mit dem schnoddrig frechen Götterboten darüber, wer wer sei.

Eine halbe Stunde lang, ein fulminantes Solo.

Und das ist das Besondere an der Inszenierung von Leander Haußmann:  Anders als sonst werden Sosias und Merkur, sowie Amphitryon und Jupiter von einem einzigen Schauspieler gespielt.

Jupiter, der Götterherrscher, hat die Gestalt des thebanischen Feldherrn Amphitryon angenommen und Amphytrions Frau Alkmene geschwängert, die ihn für ihren Gatten hielt. Sie wird Herkules gebären. Sie ist begeistert von der Liebesnacht mit dem Gott. So hat Amphytrion sie noch nie geliebt. Ahnt sie vielleicht doch, dass er es gar nicht ist, sondern ein Gott in seiner Gestalt?

Alkmene (Marina Galic) ist noch ganz erfüllt von der Begegnung mit dem Gott, als Amphytrion ankommt und er ist verwirrt, weil sie ihm für eine Nacht dankt, in der er doch noch gar nicht da war. Auch Sosias Frau (Antonia Bill) weiß nicht, wo ihr der Kopf steht.

Eine Dreiviertel Sunde lang spielen die vier vor dem Vorhang, ohne technische Effekte, ohne Requistiten. Hausmann vertraut seinen Schauspieler. Und das kann er.

Antonia Bill (Charis) und Sebastian Zimmler (Merkur / Sosias), Foto: Armin Smailovic

Dann öffnet sich der Vorhang: eine sich drehende Wand, sich drehende Schwingtüren, darüber ein Schriftzug: „Good“. Wenn der Gott auftritt, leuchtet ein O weniger. Das Bühnenbild dazu hat Via Lewandowsky geschaffen. Bob Dylan die  Musik, dann Klaviertöne.

„Wer bin ich und wenn ja wieviele“ lautet eine philosophische Frage, die nach Richard David Prechts Bestseller in den letzten Jahren permanent gestellt wurde. Sosias und Amphytrion tragen diesen Identitätskonflikt in sich. Und Leander Haußmann löst ihn nicht auf. Er setzt komödiantische Akzente, macht den Kleistschen Amphytron wunderbar leicht. Die etablierte Kritik mag Leander Haußmann nicht so gern. Ihm wird vorgeworfen, seine Inszenierungen gierten zu sehr nach Effekt, biederten sich beim Publikum an, seien zu simpel, zu oberflächlich.

Aber natürlich ist es zulässig, den Konflikt, den zwei Personen miteinander haben, in eine einzige zu verlegen. Natürlich ist es ebenso zulässig, auf Komik zu setzen. Das gelingt ihm vor allem der meisterhaften Schauspieler wegen.

Jens Harzer mit langen, fettigen Haare ist als Amphytrion ein altgewordener Hippie im dunklen Mantel oder vielleicht ein vergessener Rockstar. Als Gott legt er den Mantel ab und trägt einen hautengen Rolli über dunkler Hose mit Bügelfalten. Schmierige Seriosität.

Der neue Iffland-Ringträger ist bekannt für sein genaues, eindringliches Sprechen und daher natürlich die Idealbesetzung für einen Kleist-Abend. Wie Sebastian Zimmer wechselt auch er scheinbar mühelos zwischen Jupiter und Amphitryon, ist herrisch fordert und fragend unsicher. Das letzte Wort aber bleibt Alkmene. Das berühmte „Ach“. Und keine Frage ist wirklich beantwortet.

„Amphitryon“ nächste Vorstellungen:

9.6. 19.00, 11.6. 20.00, 22.6. 15.00, 23.6. 15.00, Thalia Theater, Karten unter Telefon 32 81 44 44

www.thalia-theater.de

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