home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Rattelschneck“ im caricatura – Museum für Komische Kunst

Zeichner-Duo glänzt mit eigenem Witzkosmos

Von Hans-Bernd Heier

© Rattelschneck

Das caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst zeigt in einer grossen Schau bis zum 3. November 2013 über 400 Exponate des Zeichner-Duos „Rattelschneck“. Hinter dem Künstlernamen, der von dem englischen Wort rattlesnake (Klapperschlange) abgeleitet ist, verbirgt sich das meisterhafte Zeichnerdoppel Marcus Weimer und Olav Westphalen, beide Jahrgang 1963. „Rattelschneck ist keine Person, sondern“, den beiden Protagonisten zufolge, „ein Kollektiv; gegründet als utopisches Projekt“.

© Rattelschneck

„Rattelschneck hat einen eigenen Witzkosmos geschaffen und den absurden Humor in Deutschland nachhaltig geprägt“, erklärt Achim Frenz, Leiter des caricatura, des „schönsten Museums der Welt“. „Das Duo ist berühmt für absonderliche Cartoons der ganz eigenen Art, skizzenhaft angelegte Kugelschreiberzeichnungen, die mit verblüffenden Pointen und besonders schönem Wortwitz glänzen“.

© Rattelschneck

Daneben gibt es amüsante Bildergeschichten und Comic-Strips wie „Bubu & Baba“, „Mein und Meine“ und „Raupe kürzt ab“. Oder auch „Stulli, das Pausenbrot“ – schön fett mit Margarine beschmiert und dick mit Fleischsalat belegt -, dessen einziges Ziel es ist, aufgegessen zu werden. Dieser Wunsch bleibt dem ekligen Klappbrot jedoch stets verwehrt.

Olav Westphalen und Marcus Weimer, Foto: © Britta Frenz

… und so sehen sie sich selbst … © Rattelschneck

Zusammengefunden hat sich das Zeichner-Duo an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg bei dem Gastprofessor F. K. Waechter, dem Mitbegründer des Satiremagazins Titanic und Zeichner der Neuen Frankfurter Schule. Ohne Waechter als Ansprechperson und Ratgeber hätte es das Kollektiv wohl nicht gegeben, wie Marcus Weimer sagt. In Hamburg formierte sich um das Jahr 1984 das Rattelschneck-Kollektiv (damals noch zu Dritt zusammen mit Lieven Brunckhorst) und formte den eigenständigen Rattelschneck-Stil. Seitdem haben sie zahlreiche Bücher publiziert. Ihre gezeichneten Witze sprechen auf hohem Niveau alle Bereiche des alltäglichen Lebens an. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass ihre Zeichnungen in so unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften wie Titanic, 11 Freunde, taz, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und Junge Welt veröffentlicht werden.

© Rattelschneck

Das Rattelschneck’sche Werk ist inzwischen riesengross und auf der ganzen Welt verteilt. Vor Jahren wurden allein in Berlin bereits 65.000 Zeichnungen des Duos gezählt. Das caricatura museum frankfurt bietet mit seiner Auswahl einen Einblick in dieses umfangreiche Schaffen: Gezeigt werden aus Anlass des „100. Geburtstags“ des Künstler-Kollektivs über 300 Cartoons, Bildergeschichten und Strips aus Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Unveröffentlichtes und Abgelehntes, mehr als 100 Stulli-Geschichten, Filzstiftzeichnungen in Übergrösse, Film- und Fotomaterial, und zwei der drei vielleicht einzigen Rattelschneck-Leinwände der Welt. Um die vielseitigen Arbeiten richtig geniessen zu können, sollten Besucher dieser kurzweiligen Schau ausreichend Zeit mitbringen.

© Rattelschneck

Das Erfolgsduo ist mehrfach ausgezeichnet worden, so unter anderem mit dem Sondermann-Preis für Komische Kunst im Jahre 2007. Als „Meister der caricature brute“, der schnellen, rauen Zeichnung, bedient sich Rattelschneck der Schnörkellosigkeit als Stilmittel und „zeigt die Welt so brutal, roh und unbehauen, wie sie ist“, heisst es in der Jurybegründung.

Museumsleiter Achim Frenz und Marcus Weimer bei der Pressekonferenz; Foto: Hans-Bernd Heier

Der zeichnerische Stil von Marcus Weimer und Olav Westphalen unterscheidet sich nur minimal, und höchstens Experten könnten die Arbeiten zuordnen. Dabei soll die Zeichnung den Witz unterstützen. Oder wie es Weimer ausdrückt: „Die meisten Rattelschneckwitze brauchen die Zeichnung. Wenn Leute einen Rattelschneckwitz nur erzählen, haben sie meistens ein Problem. Keiner lacht“.

© Rattelschneck

Die Abstimmung zwischen dem Zeichner-Duo fällt wegen der grossen räumlichen Trennung nicht ganz leicht und muss deshalb gut organisiert sein. Denn Marcus Weimer wohnt in Berlin und Olav Westphalen lebt – nach Stationen in San Diego und New York – heute in Stockholm, wo er seit 2007 als Professor für Performancekunst an der Königlichen Kunsthochschule unterrichtet. Früher wurden die Ideen für Cartoons und Bildergeschichten per Fax zwischen Amerika und Deutschland hin- und hergeschickt, heute per E-Mail zwischen Schweden und Deutschland. Bei regelmässigen Arbeitstreffen in Stockholm und Berlin werden Witze vorproduziert, gerecht aufgeteilt und dann jeweils einzeln ausgearbeitet bzw. gezeichnet. Da die beiden Künstler befreundet sind, verbringen sie gemeinsame Ferien, zum Beispiel auf Mallorca, wo sie sich auch intensiv über die Arbeiten austauschen.

Die Beiden sind allerdings nicht nur als Witzezeichner unterwegs, sondern betätigen sich auch noch auf anderen Feldern. So arbeitet Olav Westphalen auch als Maler, der seine Leinwände allerdings mit bürgerlichem Namen signiert, weil das Pseudonym „Rattelschneck“ sich auf dem Kunstmarkt nicht gerade als verkaufsfördernd erwiesen hat. Eine kurze Zeit hat er auch als Witzeschreiber für Thomas Gottschalk gearbeitet, aber das war, wie Westphalen in einem Interview sagte, „wirklich nicht meine Welt“. Ganz anders ist das bei Marcus Weimer, der als inhaltlicher Mitarbeiter für die Gags in Olli Dittrichs WDR-Show „Dittsche – Das wirklich wahre Leben“ verantwortlich zeichnet und dem dieser Job richtig Spass macht.

© Rattelschneck

Besucher der sehenswerten Rattelschneck-Schau können in der Dauerausstellung im ersten Stock des Museums für Komische Kunst jetzt auch ein weiteres Werk von Hans Traxler bewundern: Dieser hat in seiner neuesten Zeichnung die Mitglieder der Neuen Frankfurter Schule versammelt. F. K. Waechter, Bernd Eilert, F. W. Bernstein, Hans Traxler selbst, Pit Knorr und Eckhard Henscheid stehen im Atelier um den sitzenden Chlodwig Poth und Robert Gernhardt an der Staffelei. Als Vorlage diente das Gemälde „Un atelier aux Batignolles“ des französischen Künstlers Henri Fantin-Latour. Dieser malte ebenfalls acht Meister in einem Atelier. In diesem Fall fanden Otto Scholderer, Édouard Manet, Auguste Renoir, Zacharie Astruc, Émile Zola, Edmond Maître, Frédéric Bazille und Claude Monet im Atelier von Manet zusammen.

Hans Traxler, „Die 8 der Neuen Frankfurter Schule“; © Hans Traxler

Museumsleiter Achim Frenz zeigt sich über Traxlers Dauerleihgabe hocherfreut: „Denn nirgendwo passt es besser hin als in die Dauerausstellung ‚Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule‘ „. Diese Dauerausstellung wird zweimal im Jahr umgehängt. Zur aktuellen Hängung gehört nun auch das neue Bild von Hans Traxler, das jene fünf Zeichner gemeinsam mit ihren schriftstellerischen Kollegen würdigt.

„Rattelschneck“, caricatura museum frankfurt, bis 3. November 2013

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): caricatura museum frankfurt

 

Comments are closed.