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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Doppelschlag: Kittelmann und Eissenhauer verlassen Frankfurt und Kassel

Wenn es zuschlägt, dann meist heftig, und im aktuellen Fall gleich doppelt: Udo Kittelmann, Direktor des Museums für Moderne Kunst Frankfurt (MMK), und Michael Eissenhauer, Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel (vormals Staatliche Kunstsammlungen Kassel), werden ihrem Ruf nach Berlin folgen – Kittelmann als Direktor der Alten und Neuen Nationalgalerie (einschliesslich des „Hamburger Bahnhofs“), Eissenhauer als Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Der Stiftungsrat der Stiftung Preussischer Kulturbesitz hat heute die entsprechenden Vorschläge der Findungskommission einstimmig gebilligt. Derzeit werden die beiden Berliner Positionen von Peter-Klaus Schuster in Personalunion wahrgenommen, der im Oktober 2008 in den Ruhestand eintreten wird.

Der Beschluss der Findungskommission und seine Veröffentlichung am vergangenen Wochenende kamen für Freund wie Feind überraschend. Ein Musterbeispiel für geschickte Personalpolitik, deren Strippen wohl massgeblich Kulturstaatsminister Bernd Neumann, zugleich Vorsitzender des Stiftungsrates, gezogen haben dürfte. Und manche vorwiegend in Frankfurt angestellten Spekulationen (und Befürchtungen!), für Berlin komme doch eigentlich der Direktor von Städel Museum, Liebighaus und Schirn, Max Hollein, in Frage, haben sich erledigt, wobei Hollein schon vor längerem ihm nachgesagte Ambitionen in Richtung Berlin dementiert hatte. „Berufsmässige“ Personalspekulanten dürfte dies allerdings kaum ruhen lassen.

Ein harter Schlag für Frankfurt, für Kassel und für Hessen! Da tröstet es wenig, stolz darauf verweisen zu können, derartige Persönlichkeiten als prominente Museumschefs in Frankfurt und Kassel zu haben, aktueller gesagt: gehabt zu haben.

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Museum für Moderne Kunst Frankfurt
(Bildnachweis: MMK)

Kittelmann, seit 2002 Nachfolger des Gründungsdirektors Jean-Christophe Ammann, hat das Frankfurter MMK zu einem der weltweit renommierten Häuser dieser Sparte ausgebaut. Er, der dem Publikum in seinem Haus eine Reihe grossartiger, spektakulärer Ausstellungen bescherte, sprach sich jedoch zugleich immer wieder für die Grundwerte eines Museums aus, nämlich eine eigene Sammlung zu errichten und zu erweitern, um auf diese Weise das kulturelle Erbe für nachfolgende Generationen aufzubereiten und zu bewahren. Dies gelte, so Kittelmann, gerade und in erster Linie auch für die zeitgenössische Kunst. Skepsis hegte er gegenüber einem – oberflächlich betrachtet oft publikumsattraktiveren und deshalb kommerziell erfolgreicheren – reinen „Ausstellungsbetrieb“. Ob er damit die benachbarte, manches Mal als Konkurrenz empfundene Schirn Ausstellungshalle meinte? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Nun wird er aber als künftiger Chef der Berliner Nationalgalerie eine Institution leiten, die sich jenseits der eigenen Sammlungen gerade durch besonders massenattraktive Ausstellungen – man denke nur an die Präsentation des New Yorker MOMA oder des Metropolitan Museum of Art, New York – eine Position erobert hat, die die einen als bereits heute legendär ansehen, andere aber als event- und sensationsbestimmt kritisieren.

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Museum Schloss Wilhelmshöhe in Kassel
(Foto: Christoph Juengling wikimedis commons GFDL)

Michael Eissenhauer, seit 2001 Direktor in Kassel und seit 2003 zugleich Präsident des Deutschen Museumsbundes e.V., hatte es sich zum Ziel gesetzt, die dortige reiche, aber oft als zersplittert wahrgenommene Museumslandschaft zu einem neuen und schlüssigen Konzept zusammenzufügen. Er verlässt Kassel, ohne diese Herkulesaufgabe vollendet zu haben. Herzstück der Kasseler Museen sind die (wie man ungestraft sagen kann weltberühmten) Sammlungen der Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel, also die Galerie alter Meister mit Werken unter anderem der altdeutschen Maler (Albrecht Altdorfer, Albrecht Dürer) und vornehmlich der italienischen, spanischen und niederländischen Malerei des Barock, allen voran Tizian, Rembrandt, Frans Hals, Peter Paul Rubens.

Beide künftig an prominenter Stelle wirkende Direktoren sind berufliche Seiteneinsteiger: Kittelmann, 1958 geboren, war zunächst Augenoptiker, bevor er als Leiter des Ludwigshafener und anschliessend des Kölner Kunstvereins auf sich aufmerksam machte. 2001 holte er als Kommissar des deutschen Pavillons auf der Biennale Venedig mit dem Künstler Gregor Schneider auf Anhieb den „Goldenen Löwen“. Eissenhauer, Jahrgang 1956, erlernte erst das Handwerk des Möbelschreiners und begann anschliessend seine akademische Laufbahn, die er 1985 mit der Promotion abschloss. Vor seiner Berufung nach Kassel wirkte er in verschiedenen Positionen in Berlin, Nürnberg und Coburg. Beide Direktoren stehen für eine Verjüngung an der Spitze der Berliner – und der deutschen – Kunstmuseumslandschaft. Frankfurt und Kassel werden sich nolens volens nach geeigneten Nachfolgern umsehen müssen – die Fussstapfen, die Kittelmann und Eissenhauer hinterlassen, sind gross.

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