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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Tanz im Museum – Anna Teresa de Keersmaeker zu Gast im K20

Mit dem Stück „Fase – Four Movements to the Music of Steve Reich“ wurde die belgische Choreografin Anna Teresa De Keersmaeker 1982 schlagartig berühmt. Mit ihrer Kompanie „Rosas“ ist sie jetzt bis zum 10. November im Düsseldorfer K20 präsent. Sie hat eine neue Fassung erarbeitet, die im Rahmen der Reihe „Konstellationen“ / „100 Jahre bauhaus im westen“ zunächst im K20 zu sehen ist; am 16. November dann noch mal als Bühnenfassung im tanzhaus nrw.

Ein-Blicke von Petra Kammann

Die Tänzerinnen Laura Bachmann (l.) und Sofa Ratsifandrihana (r.) tanzen einen Teil der „Four Moments to the Music of Steve Reich“ in der Grabbe Halle der Kunstsammlung NRW, alle Fotos: Petra Kammann

Prof. Dr. Susanne Gaensheimer, seit 2017 Direktorin der Kunstsammlung NRW 

Hausherrin des K20 und Gastgeberin Susanne Gaensheimer strahlt. War ihr doch wieder ein neuer Coup gelungen. Schon als Chefin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt (MMK) hatte sie 2015 mit der Ausstellung „The Fact of Matter“ den Choreographen William Forsythe, der 1984 das Ballett Frankfurt gegründet und damit mehr als 30 Jahre Tanzgeschichte schrieben hat, an das Haus gebunden.

Forsythe hatte seinerzeit auf eindrucksvolle Weise dem Publikum vorgeführt, dass Choreographie nicht zwangsläufig mit Tanz verbunden sein muss. Als Künstler präsentierte der weltberühmte Choreograph im Frankfurter Palast der zeitgenössischen Kunst seine eigenen raumbezogenen Installationen. Sie sollten die Betrachter in Aktion versetzen und sie dazu bringen, sich und ihren  eigenen Körper zu erleben. Durch diese unmittelbare Raum- und Körpererfahrung rückte Forsythe auch bedeutende Kunstwerke der Sammlung des MMK in ein neues Licht wie etwa das der Mexikanerin Teresa Margolles.

In Düsseldorf ist der Ansatz ein anderer. Er richtet sich an ein Publikum, das – offen für Entdeckungen – unmittelbar in das Haus gezogen wird. Für Gaensheimer, die sich darauf eingestellt hat, gehören Performances im Museum ohnehin zu einer großen Selbstverständlichkeit. Nach Ai Wei Wei stellte sie daher nun der Tanzkompagnie „Rosas“ den lichten Museumsraum zur Verfügung und öffnete ihn auf diese Weise hin zum städtischen Umfeld. Für die Tänzer der Kompanie bedeutet dies, dass sie aus der ,Black Box‘ des Theaters ins Helle des Tages treten und damit ganz unmittelbar den Blicken ausgesetzt sind.

In der auf den Raum zugeschnittenen Choreographie sind die Töne in jeglicher Hinsicht auf ein Minimum reduziert und schärfen die Wahrnehmung. Sanft scheint das späte Herbstlicht auf die beiden in gebrochenem Weiß gekleideten Tänzerinnen, deren Kleid sich nur durch eine Nuance des hellen Farbtons unterscheidet.

„Fase“ basiert auf vier Kompositionen des New Yorker Mitbegründer der Minimal Music Steve Reich – „Piano Phase“ (1967), „Come Out“ (1966), „Violin Phase“ (1967) und „Clapping Music“ (1972) – und greift darin das Prinzip der Phasenverschiebung durch minimale Variationen auf.

Eindringlich und passend zur seriell flutenden Musik des amerikanischen Komponisten Reich ist die Grabbe Halle schlicht und minimalistisch ausgestattet mit vier gleich großen grauen Platten, auf denen sich die Tänzerinnen Laura Bachmann und Sofa Ratsifandrihana hochkonzentriert im Gleichtakt drehen und wenden, zueinander- und wieder auseinanderstreben.

Und trotz aller angespannten Konzentration wirken die Bewegungen der beiden Tänzerinnen zur scheinbaren Endlosschleife der sich wiederholenden Musik von Steve Reich ausgesprochen anmutig, leicht und grazil. Das Publikum, das völlig frei um die 9 x 9 metergroßen quadratischen Tanzflächen herumflanieren kann, hat dabei die Möglichkeit, sich deren Bewegungen aus der Nähe anzuschauen, was bei einer dunklen Guckkastenbühne oft nicht möglich ist, wenn man nicht gerade in der ersten Reihe eines Theatersaals sitzt. Und selbst da im künstlich beleuchteten Bühnenraum ist der Effekt ein anderer.

Eigentlich seien es fast kindliche Urbewegungen, welche die Grundmuster der Choreographie bestimmten, sagt De Keersmaekers, die 35 Jahre lang diesen Klassiker selbst tanzte, im Gespräch mit der Kuratorin Isabelle Malz. Wäre sie nicht vor zwei Jahren vom Pferd gestürzt und hätte sich dabei die Schulter gebrochen, was sie förmlich aus der Bahn geworfen habe, stünde sie jetzt da. 2018 hatte die Choreographin „Fase“ daher an zwei junge Tänzerinnen weitergegeben und damit exemplarisch Fragen des Tanzerbes thematisiert. Anne Teresa De Keersmaeker sei es darum gegangen, alles auf ein Minimum zu reduzieren, um daraus ein Maximum an Komplexität zu generieren, erläuterte die Kuratorin.

Nur leichte Variationen paralleler Bewegungen sind auch in Steve Reichs Musikstück eingebaut. Die Choreographin hält bewusst voller Energie gegen die sich zurücknehmende Musik, welche die Tänzerinnen antreibt, sich wie die Derwische bis zur Erschöpfung zu drehen und in Ekstase zu tanzen.

Wunderbarerweise besteht die Möglichkeit, diesen Klassiker des zeitgenössischen Tanzes so hautnah zu erleben, und das sogar auch noch kostenlos. Zu den Öffnungszeiten des Museums täglich ab 12 Uhr und immer zur vollen Stunde wird nämlich einer der vier Teile – drei Duette und ein Solo –“Fase- Four Movements to the Music of Steve Reich“ aufgeführt zu sehen sein. Und das wird dann noch gesteigert:

Die NRW-Kunstsammlung-Kuratorin Isabelle Malz

Im K 20 verrät De Keersmaeker, die per Skype der Kuratorin Isabelle Malz zugeschaltet war, weil sie sich zum Zeitpunkt der Vernissage in New York befand, dass sie selbst dann zur Finissage am 10. November nicht nur dabei zu sein gedenkt, sondern „Fase“, wie viele Jahre zuvor auch, sogar wieder selbst wieder tanzen wird. Das wäre wohl eine extra Fahrt in die Rheinmetropole wert…

Skype-Schaltung mit der Choreografin Anna Teresa De Keersmaeker in New York

Das Kooperationsprojekt

„Konstellationen“ ist ein Kooperationsprojekt mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und dem tanzhaus nrw in Düsseldorf, Museum Folkwang und PACT Zollverein in Essen, Museum Ludwig und dem Zentrum für Zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Tanz Köln im Rahmen von „100 jahre bauhaus im westen“, Land Nordrhein-Westfalen und Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL), gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Schirmherrin ist Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein- Westfalen.

Weitere Termine im K20 und im Tanzhaus nrw

16.11.2019, 11.15 – 13.15 Uhr
Öffentlicher Workshop RE:ROSAS!
Das Publikum wird, angeleitet durch eine Tänzerin der Kompanie Rosas, eine Interpretation des legendären Stücks „Rosas danst Rosas“ (1983) von Anne Teresa De Keersmaeker einstudieren, das inzwischen weltweit in hundertfachen Variationen durch das Netz zirkuliert.

Eintritt frei; Anmeldung erforderlich (service@kunstsammlung.de)

tanzhaus nrw

9.11., 20.00 Uhr
Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas
„Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich“

15. und 16.11., 20.00 Uhr, 17.11., 15.00 Uhr

Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas Bartók / Beethoven / Schönberg

Weitere Informationen unter:

https://tanzhaus-nrw.de/

www.kunstsammlung.de

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