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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Absolventenausstellung 2019 der Städelschule (Folge 2)

Abschied, Aufbruch und andere Befindlichkeiten

Von Erhard Metz

Absolvent der Städelschule zu sein bedeutet in vielen Fällen Abschied nehmen: von der in mancher Weise Schutz und Fürsorge gewährenden Alma Mater, der Akademie und ihren Lehrenden; vom Studentenzimmer, ja von der Stadt Frankfurt selbst. Niwat Manatpiyalert hat aus diesen Umständen seine Absolventenarbeit gezimmert: ein Tisch, auf den er einen Stapel „nachempfundener“ Drucke des „Frankfurter Hauptbahnhofs“ von Max Beckmann gelegt hat, ein jeder Besucher kann ein Exemplar mitnehmen. Abreise (wohin?) scheint angesagt.

Niwat Manatpiyalert, Dietrichstraße 6, 2019, Holz, Poster, Tapete, Lampe, 200 x 200 x 60 cm, Poster 70 x 90 cm

Beckmann malte das Werk – es hängt natürlich im Städel Museum und hat das gleiche Format 70 x 90 cm wie die künstlerische Nachbildung – 1943 im Amsterdamer Exil. Unter dem nur kniehohen Tisch baut Manatpiyalert seine geräumte Studentenbude in der Dietrichstraße nach – niedrig verzerrt, der Betrachter muß sich mächtig bücken, um einen Blick hinein werfen zu können. Im Spiegel, hinter dem sich eine zweite Zimmertür zu verbergen scheint, das leere Regal. Auszug – die „Freiheit“ des Lebens als Künstler hat begonnen.

Leer sind auch die dreieckigen Wandschränkchen von Stian Hansen, die Konstruktion erinnert an einen zweiflügeligen Klappaltar. Doch von Bildnissen ist nichts zu sehen, Leere auch hier. Sie gilt es im künftigen künstlerischen Dasein zu befüllen. Angst vor der Leere darf ein Künstler nicht haben.

↑ Stian Hansen, Cabinet (Reclining nail), 2019, Acrylfarbe, Holzlasur, Kleber, Tolex, Scharniere, Holz, 146 x 88 x 44 cm
↓ Max Negrelli, Wams, 2019, Betonfarbe, Faden, Messingknopf, 75 x 50 x 15 cm; Trachtenschuhe, 2019, Betonfarbe, Gummischuhsohle, Klebstoff, Tackernadeln, 30 x 10 x 8 cm

Auch Max Negrelli formt ein eigentümliches Bild von Leere, ein nur noch Schatten werfendes abgetragenes und zerschlissenes Wams, ein Paar ausgelatschte Schuhe, denen man eine vermeintliche Trachteneigenschaft nicht mehr ansehen kann, stehen wie zurückgelassen auf einem spirrigen Ständer im Raum.

Melancholie verbreitet auch die sehr schöne Arbeit in Öl auf Leinen von K-K, des anscheinend einzigen Maler-Künstlers unter den diesjährigen Alumni, wir erinnern uns sofort an die Arbeiten, die wir beim diesjährigen Rundgang durch die Akademie sahen.

K-K, Windy rooftop & the anal staircase, 2019, Öl auf Leinen, 180 x 150 cm

Farbenprächtig geht es bei den ebenfalls wunderschönen Collagen von Olivia Coran zu, die in drei Leuchtkästen bereits von weitem die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und den Betrachter zu vielfältigen Assoziationen inspirieren.

Olivia Coran, Untitled, 2019, Collage

„Malerisch“ sind ebenso die Arbeiten mit Sonnenblumenkernen von Sóley Ragnarsdóttir, von denen wir hier eine sozusagen monochrome in extremem Format wiedergeben.

Sóley Ragnarsdóttir, Untitled, 2017-2019, Mixed media, 200 x 45 cm (Totale und Detail)

2o Studentinnen und Studenten aus Europa, Amerika und Asien haben mit dieser Ausstellung die Städelschule verlassen, ein zahlenmäßig eher kleinerer Jahrgang, wie Rektor Professor Philippe Pirotte in der Eröffnungsveranstaltung ausführte. Einige unter ihnen sind in der sehr sehenswerten Ausstellung mit mehreren Werken bzw. einer Werkgruppe vertreten, viele der Alumni können bereits auf zum Teil umfangreiche Ausstellungserfahrungen zurückblicken. Die Schau legt ein beredtes Zeugnis ab über die Vielgestaltigkeit der medienübergreifenden künstlerischen Ausbildung an der renommierten Akademie.

„AIR CONDITIONED“ – Absolventenausstellung der Städelschule 2019, Städel Museum Ausstellungshaus, Untergeschoss, nur noch bis 14. Juli 2019

Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen und Künstler; Fotos: Erhard Metz

→ Absolventenausstellung 2019 der Städelschule mit Preisverleihung

 

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