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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Jonathan Doves Oper „Flight“ an der Bonner Oper

Absolut sehenswert, tiefgründig und leicht zugleich

von Simone Hamm

Ein Stewart und eine Stewardess (Carl Rumstadt und Tina Jäger), die sich in dunkle Ecke und enge Toiletten drücken, um sich miteinander zu vergnügen, ein junges Paar, Bill und Tina (Samuel Levine und Ava Gesell), die ihre müde Ehe  mit Hilfe von Tagebüchern und einer Reise in die Sonne wieder aufpeppen wollen. Eine 52jährige Frau, die sehnsüchtig auf die Ankunft  eines dreißig Jahre jüngeren Mannes, einer Ferienbekanntschaft aus Mallorca, wartet (Susanne Blattert). Ein Diplomat, der nach Minsk reisen will (Mark Marouse) und seine hochschwangere Frau (Sarah Mehnert), die lieber bleiben möchte. Eine Controllerin thront über allen, herrscht über den Flughafen.

Benno Schachtner (Refugee), Susanne Blattert (Older Woman), Statisterie des Theater Bonn. Foto: © Sandra Then

Den letzten Flug hat der Diplomat nach Minsk genommen, allein. Dann kommt Sturm auf und alle Flüge werden gecancellt. Und noch einer ist unter den Wartenden, ein Flüchtling (Benno Schachtner). Er erzählt, dass er auf seine Papiere wartet, die sein Bruder ihm bringen will. Erst dann kann er weiterfliegen. Er verkauft den Frauen einen gefrorenen Stein als Talisman. Er bittet sie um Geld und um Hilfe.

Ein paar Cent geben sie, an der Hilfe sparen sie. Der Stein hat nicht gehalten, was der Flüchtling versprochen hat. So einfach werden Wünsche nicht wahr. Die Frauen  schlagen  den Flüchtling bewusstlos, stopfen ihn in einen großen Koffer.

Währenddessen haben Bill und der Flugbereiter wilden Sex auf dem Tower. Der sextolle Steward, nimmt sich, was und wen er kriegen kann. Minskwoman bekommt ihr Baby.

„Flight“ von Jonathan Dove, uraufgeführt 1998 in Glydebourne, ist die meistgespielte moderne Oper und die Inszenierung in Bonn ist die 41. weltweit.

Librettistin April de Angelis hat sich von einer wahren Geschichte inspirieren lassen: 18 Jahre lang hat Mehran Karim Nasir auf dem Flughafen Charles de Gaulle gelebt. Bis er dort starb. “Flight“ macht noch einmal darauf aufmerksam, wohin verfehlte Migrationspolitik führt, wie unmenschlich und hart sie sein kann.

Im Hintergrund ist ein Film vom Flughafen Köln/Bonn zu sehen, landende Flugzeuge. Eine Videoinstallation von Rasmus Rienecker.

Chistopher Jähnig (Immigration Officer), Susanne Blattert (Older Woman), Benno Schachtner (Refugee), Mark Morouse (Minskman), Tina Josephine Jäger (Stewardess), Carl Rumstadt (Steward), Sarah Mehnert (Minskwoman), Foto: © Sandra Then

Regisseurin Adriana Ataras inszeniert „Flight“ zunächst als Komödie. Sie schafft starke Bilder, durchbricht sentimentale Momente, etwa die Geburt des Kindes der Minskfrau, indem sie – Köln ist nicht weit – die heiligen drei Könige über die Bühne schleichen läßt. Sie läßt Ballerinen Pirouetten drehen und einen Mann als Wolf auftreten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Aber Adriana Ataras schafft auch zutiefst ergreifende Momente.  Als der Flüchtling von der Flucht mit seinem Bruder erzählt, bei der dieser sich in einer Radkappe versteckt hatte und wenig später erfroren wie ein Stein zu Boden fiel, fliegt ein einsamer Astronaut durch die Weiten des Alls.

Countertenor Benno Schachtner als Flüchtling ist enorm wandlungsfähig, ausdrucksstark. Er kann Trotz und Trauer in seine Stimme legen und berührt ungemein in dieser Szene. Es ist eine Meisterleistung.

Dove hat eine eingängige, aber alles andere als leichte  Musik geschrieben, die beeinflusst von Musicals und Jazz ist. Daniel Johannes Mayer dirigiert das Beethovenorchster mit Bravour.

Sophie Theodorides ist die über allem schwebende Controllerin, die sich entrüstet über die Eskapen des Stewarts und der Stewardess, die aber ein großes Herz für den Flüchtling hat. Vergeblich warnte sie ihn mit ihren glockenhellen Sopran vor den Passagieren. Immerhin, er wird aus dem Koffer befreit, der strenge Mann von der Einwanderungsbehörde lässt ihn weiter im Flughafen leben.

Überhaupt hat sich nach einem fulminanten Tag am Flughafen und fulminanten Stunden an der Bonner Oper nicht viel verändert: das Pärchen fliegt in Urlaub, die Diplomaten (mit Kind) nach Minsk, Stewart und Stewardess turteln weiter wie bisher und die ältere Frau wird sich einen anderen Ferienflirt suchen, auf den sie warten kann.

„Flight“ ist in an der Oper Bonn noch zu sehen am:

1.2.   19.30 Uhr,

4.2.   16.00 Uhr

24.2. 19.30 Uhr

15.3. 19.30 Uhr

24.3. 18.00 Uhr

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