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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Hessische Staatsballett reüssiert mit einer Choreografie des Israelis Ohad Naharin, das spanisch-libanesische Choreografenduo Campos / Nader erzählt von Vertrauen

Weite Sprünge, groteske Verrenkungen, zartes Innehalten bei Tanz.Köln

von Simone Hamm

Die Batsheva Dance Company konnte nicht aus Tel Aviv nach Köln kommen. Tanz.Köln holte stattdessen das Hessische Staatsballett mit Ohad Naharins Choreographie „Last Work“. Wer seine Tickets behalten hatte, erlebte einen sehr bewegenden Tanzabend. Eine Ko-Produktion mit Montpellier Danse & HELLER AU – Europäisches Zentrum der Künste, Dresden. Unterstützt durch den Batsheva New Works Fund und die Dalia und Eli Hurvitz-Stiftung

Last Work vom Hessischen Staatsballett, Choreografie: Ohad Naharin, Foto: Andreas Etter

Naharin, Star der israelischen Tanzszene und Leiter der Batheva Dance Company, interpretiert seine Werke nicht, gibt keine Interviewas dazu. Der Tanz soll sich von selbst erschließen.

Premiere in Wiesbaden hatte „Last Work“ erst vor wenigen Wochen, ausgerechnet am 7. Oktober, dem Tag, an dem Israel von der Hamas angegriffen worden ist.

Obwohl Naharins Werke zeitlos sind, ist es doch unmöglich, diesen besonderen Tanzabend nicht vor diesem Hintergrund zu erleben: „Last Work“ als Stück der Stunde, als Tanz von Verzweiflung und Trauer, des sich wieder Aufbäumens und Innehaltens.

Zudem hat Nahrain durchaus eine politische Meinung. Naharin ist – wie viele Israelis – Kritiker der Besatzungspolitik der orthodoxen Juden in den Palästinensergebieten. Die Kulturministerin wollte Batsheva Dance 2019 deshalb die finanzielle Unterstützung streichen.

In „Last Work“ läuft im Hintergrund eine Tänzerin im blauen Kleid gleichmäßig auf einem Laufband. Eine Stunde lang. Völlig unbeeindruckt von all dem, was auf der Bühne vor sich geht. Hüpfende Männer, trippelnde Frauen, ein Mann dessen Körper bedeckt ist von den Händen der anderen. Sie springen hoch und weit, sie liegen an Boden, winden sich, machen groteske Verrenkungen, knicken Hände und Füße ab, gehen x – beinig, schlackern mit Armen und Beinen, stehen auf Zehenspitzen. Sie werden zu einem Pulk, in dem sich alle umarmen, dann zu Paaren, tanzen allein.

Last Work vom Hessischen Staatsballett, Choreografie: Ohad Naharin, Foto: Andreas Etter

Einmal tragen die Tänzer weiße, das Gesicht bedeckende Tücher, eine Tänzerin tritt im im Tütü auf, Tänzer in asiatischer Mönchskluft. Eri Nakamura hat die Kostüme kreirt. Ein Tänzer befestigt einen Pfahl mit einem Paketklebeband am Boden, zieht das Band nach allen Seiten. Es sieht fast wie ein Zelt aus. Dann beginnt er, die Tänzer damit zu fixieren. Zuletzt die Tänzerin im blauen Kleid auf dem Laufband.

Das Hessische Staatsballett zeigt die ganze Palette der Gesellschaft, von unbändiger Freiheit über Gewalt bis hin zum Stillstand. Dazu die meist düstere, fast meditative elektronische Musik von Grischa Lichtenberger.

Am Ende ducken sich die Tänzer und Tänzerinnen, machen sich ganz klein als suchten sie Schutz. Da hebt eine Tänzerin im Hintergrund eine weiße Fahne. Sie flattert, fällt zusammen, wird zum unbeschriebenen weißen Blatt.

„Last Work“ vom Hessischen Staatsballett ist zu sehen

in Wiesbaden

24.11. 26.11, 2.12.,8.12.,13.12.2023 und am 5.1.,17.1.2024

in Darmstadt

am 21.1. 28.1. 32.2., 16.2.2024

Vertrauen, Präzision und Kraft

„Made of Space“ vom Choreografenduo Maria Campos und Guy Nader bei tanz.köln.

Es ist still. Eine Tänzerin läuft auf die Bühne, über der eine riesige weiße Spirale schwebt, die den Boden berührt. Eine zweite Tänzerin kommt hinzu. Ein Tänzer. Sie werden schneller, formen Kreise, drehen sich um sich selbst. „Made of Space“ heißt die Choreografie des libanesisch – spanischen Duos Guy Nader und Maria Campos.

Made of Space. Choreografie: Guy Nader & Maria Campos, Foto: Alfred Mauve

Dann betreten die Schlagwerker Miguel Marin und Daniel Munárriz die Bühne. Sie beginnen zart, werden immer lauter, intensiver. Es kommen mehr Tanzende, am Ende sind es vier Frauen und drei Männer in blaugrauen Hosen und T-Shirts.

Sie laufen vor- und rückwärts, meist in Kreisen. Eine Tänzerin wird in die Luft geschleudert, kerzengerade ist ihr Körper. Voller Vertrauen lässt sie sich in die Arme der Anderen fallen, die ihren Körper auffangen und tragen. Sie hebt Brust und Bauch und Po, lässt sich zurücksinken. Ihr Körper wird zur Welle.

„Made of Space“, das ist Bewegung durch Zeit und Raum, kraftvolle Energie, Artistik,  Präzision.

Made of Space. Choreografie: Guy Nader & Maria Campos, Foto: Alfred Mauve

Die Tänzer und Tänzerinnen laufen im Kreis, drehen sich wieder um sich selbst. Es ist ein unaufhörlicher, immer gleicher Zyklus mit der Drehbewegung als Mittelpunkt. Stetige Wiederholung, getragen vom Rhythmus des Xylophons und des Schlagzeugs.

Es scheint, als ließe eine zentrifugale Kraft sie immer wieder aufeinander zu-, ineinander hineinlaufen. Sie umschlingen sich. Dann zerbricht das Knäuel, fällt  wieder auseinander. Und alles beginnt von vorn.

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