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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Nominierungen des Deutschen Hörbuchpreises 2023

Die Nominierten für den Deutschen Hörbuchpreis 2023 nach Kategorien

Für den Deutschen Hörbuchpreis 2023 stehen die 21 Nominierten fest: In sieben Kategorien hat die Nominierungsjury jeweils drei Produktionen für die Endrunde ausgewählt. Mit 351 Einreichungen verzeichnet der Hörbuchpreis im 21. Jahr seines Bestehens eine konstant hohe Anzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auf Grundlage der Longlist hat die Nominierungsjury jeweils drei Titel pro Kategorie für den Deutschen Hörbuchpreis 2023 nominiert. Hier stellen wir die Finalisten mit einer Kurzbeschreibung und der Jurybegründung vor:

Beste Interpretin

  • Katja Kullmann
    Der Audio Verlag
    Nominiert als beste Interpretin: Anna Maria Mühe

    Kurzbeschreibung:
    Allein lebende Frauen, so zahlreich sie auch sind, werden nach wie vor gesellschaftlich stigmatisiert. Indem sie sich auf Spurensuche in Geschichte, Politik, Literatur und Pop begibt, zeigt Katja Kullmann, was die „Singuläre Frau“ schon immer war: Vorreiterin der Moderne, Wegbereiterin feministischer Diskurse und unabhängige Entscheiderin. In einer Mischung aus Selbsterkundung und soziologischer Studie plädiert die Autorin für eine radikale Neubewertung der alleinstehenden Frau.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Mögen auch zu Beginn der Lesung noch Fragezeichen im Raum stehen – Anna Maria Mühe bringt uns die „Singuläre Frau“ nicht nur näher, nein, sie mutiert auch zu ihr, schlüpft dabei wie selbstverständlich in die Rolle der Autorin und wechselt in einer beeindruckenden sprachlichen Umsetzung fließend und stimmlich nuanciert die Perspektiven zwischen Sachbuch und Autobiografie.

  • Katja Petrowskaja
    Der Audio Verlag / Südwestrundfunk
    Nominiert als beste Interpretin: Meike Rötzer

    Kurzbeschreibung:
    Hieß sie wirklich Esther, die Großmutter des Vaters, die 1941 im besetzten Kiew allein in der Wohnung zurückblieb? Um ihre Familiengeschichte zu erforschen und zu bewahren, reist Katja Petrowskaja zu den historischen Schauplätzen, nach Kiew und Mauthausen, Warschau und Wien. Sie reflektiert über ein von Massenmord und Krieg traumatisiertes Jahrhundert und holt fast vergessene Figuren in eine verschwommene Erinnerung zurück. Wenn der Name nicht mehr gewiss ist, was kann man dann überhaupt wissen?

    Begründung der Nominierungsjury: 
    Offene Fragen und Widersprüche begleiten Meike Rötzer alias Katja Petrowskaja auf ihrer persönlichen mosaikartigen Spurensuche in die Vergangenheit. Meike Rötzer brilliert sprachlich einfühlsam mit allen Feinheiten emotionaler Betroffenheit, gleichzeitig begegnet sie uns aber auch in der Rolle der neutralen, bewusst distanziert erscheinenden Berichterstatterin einer äußerst komplexen Geschichte voll unerwarteter Wendungen

  • Dörte Hansen
    Random House Audio
    Nominiert als beste Interpretin: Nina Hoss

    Kurzbeschreibung:
    Eine Stunde vom Festland entfernt liegt die idyllische kleine Nordseeinsel, auf der Familie Sander lebt. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Ihren Ältesten quälen Flutstatistiken, er erwartet den schwersten Sturm aller Zeiten. Tochter Eske fürchtet den Touristenandrang. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf – erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

    Begründung der Nominierungsjury
    Nina Hoss verleiht in ihrer Lesung der fiktiven Insel, ihren Bewohnern und dem Meer einen ganz eigenen Klang und stellt eine ungeheuer intensive Atmosphäre her, ohne die Distanz der Erzählerin zu verlieren. Sie lässt für die Hörer:innen eine komplette Welt entstehen und wird den vielen Nuancen des Textes in Ton und Betonung gerecht, von rau über zart, ironisch und melancholisch bis wütend. Wer sich auf die Lesung einlässt, hört den Wind wehen, die See rauschen und fühlt mit den Protagonisten der Geschichte.

Bester Interpret

  • Jon Fosse / Hinrich Schmidt-Henkel (Übers.)
    Hörkultur Verlag
    Nominiert als bester Interpret: Max von Pufendorf

    Kurzbeschreibung:
    In den Teilen drei bis fünf seiner Heptalogie erzählt Jon Fosse die Vorgeschichte der Protagonisten. Der erfolgreiche Maler Asle lebt seit dem Tod seiner Frau zurückgezogen an einem Fjord in Norwegen. Sein gleichnamiger Doppelgänger, ebenfalls Maler, verfällt zusehends dem Alkohol. Im Sinne des Rimbaud-Zitates spielt „Ich ist ein anderer“ mit den Möglichkeiten alternativer Lebensläufe. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, aber auch zwischen Leben und Tod.

    Begründung der Nominierungsjury
    Jon Fosses minimalistische Bandwurmsätze ohne Punkte, seine wiederholungsdrängende karge Sprache verleiten zum atemlosen Lesen. Die ruhige, wunderschöne Interpretation Max von Pufendorfs lässt all das vergessen. Eine packende Sprachmelodie zieht uns hinein in die norwegische Landschaft, die „Buchstaben“ verschwinden, der Text wird zum Lied, und wie Musik zuweilen durch winzige Verschiebungen entsteht, lässt des Sprechers klare und warme Stimme aus wenigen Worten die sich immer wieder verändernden Künstlerfiguren für uns wachsen.

  • Hervé Le Tellier / Romy und Jürgen Ritte (Übers.)
    JUMBO Neue Medien & Verlag
    Nominiert als bester Interpret: Uve Teschner

    Kurzbeschreibung:
    Bis über beide Ohren verliebt folgt ein Mann von Paris aus seiner Zufallsbekanntschaft, einer wesentlich jüngeren Frau, nach Schottland. Schon im Flieger ahnt er, dass diese Reise keine gute Idee war: Nichts ist in Schottland so, wie der Mann sich das erträumt hat, und so endet das Wiedersehen mit der Angebeteten im Desaster. Hervé Le Telliers kleiner Roman kreist selbstironisch um das Altern des Mannes und die Vergeblichkeit der Liebe.

    Begründung der Nominierungsjury
    „Die Tribute von Panem“ sind Vergangenheit. Mit uns erwachsen geworden erfreut uns der facettenreiche Uve Teschner mit überzeugendem ironischen Blick auf einen müd gewordenen französischen Bonvivant. Charmant betrachtet er den „Helden“ mit deutlicher Sympathie und großem Mitgefühl, seine tiefe, sonore Stimme lässt uns diese kleine Praline von Le Tellier mit viel Freude und Vergnügen genießen.

  • Serhij Zhadan / Juri Durkot und Sabine Stöhr (Übers.)
    SAGA Egmont / AUDIOBUCH
    Nominiert als bester Interpret: Frank Arnold

    Kurzbeschreibung:
    Pascha, ein junger Lehrer, will seinen 13-jährigen Neffen Sascha aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause holen, weil die Schule unter Beschuss geraten ist. Die beiden brauchen einen ganzen Tag, um durch den im Donbass gelegenen Ort zu kommen, und geraten in die unmittelbare Nähe der Kampfhandlungen. Die vertraute Umgebung hat sich in ein unheimliches Territorium verwandelt, sie irren durch eine apokalyptische urbane Landschaft.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Frank Arnold begeistert uns immer wieder durch seine Vielseitigkeit. Während dieser albtraumähnlichen, klaustrophobischen Reise durch eine Stadt im Kriegszustand, auf der Suche nach Schlupflöchern, verändert sich sein Timbre stets aufs Neue. Klingt die Stimme hier metallisch und schroff, leidet und verzweifelt sie, begleitet sie dann wieder ironisch spöttelnd manche absurde Situation, karikiert satirisch gezeichnete Weggefährten und lässt uns sensibel die Veränderung und Reifung der Hauptfigur erleben.

Bestes Hörspiel

  • Françoise Sagan / Rainer Moritz (Übers.) / Ulrich Lampen (Bearb. und Regie) / Jörg Achim Keller mit der hr Bigband (Musik)
    Der Audio Verlag / Hessischer Rundfunk

    Kurzbeschreibung:
    Die siebzehnjährige Cécile verbringt den Sommer zusammen mit ihrem verwitweten Vater Raymond und seiner jungen Geliebten Elsa an der Côte d’Azur. Unbeschwert leben sie in den Tag hinein, bis Anne erscheint, eine alte Freundin der Familie. Als Raymond sich in Anne verliebt und sie zu heiraten beschließt, fürchtet Cécile um ihr leichtes, freies Leben. Mit ihrem Freund Cyril und Elsa plant sie eine Intrige, die fatale Folgen hat.

    Begründung der Nominierungsjury
    Ulrich Lampen erweckt Sagans einstigen Skandal-Roman als sinnliches Hörspiel wieder zum Leben. Unmittelbar zieht er uns mit Jörg Achim Kellers Free-Jazz-Klängen und mit der sanften Stimme der heranwachsenden Cécile (Elisa Schlott) in die nonchalante Atmosphäre der Côte d’Azur der 1950er Jahre. Wir hören das Plätschern der Wellen, das Zwitschern der Vögel und sitzen mit im Auto, wenn Cécile mit ihrem Womanizer-Vater Raymond (Michel Rotschopf) an der Küste cruist. Die messerscharfen Beobachtungen und hinzuerfundenen Dialoge machen uns auch mit den Geliebten Raymonds und mit der trügerischen Idylle vertraut.

  • Pavel Polian (Hg.) / Roman Richter (Übers.) / Andreas Weiser (Bearb., Regie und Komposition)
    Der Audio Verlag / Hessischer Rundfunk

    Kurzbeschreibung:
    Als „Briefe aus der Hölle“ veröffentlichte der russische Kulturgeograf Pavel Polian die restaurierten Aufzeichnungen von Mitgliedern des sogenannten Sonderkommandos in Auschwitz, die gezwungen wurden, bei dem Massenmord in den Krematorien mitzuhelfen. Im Angesicht des eigenen Todes war es ihr dringlichster Wunsch, der Nachwelt schriftliche Zeugnisse des Grauens zu hinterlassen. Ausgewählte „Briefe“ liegen dem gleichnamigen Hörspiel von Autor und Musiker Andreas Weiser zugrunde.

    Begründung der Nominierungsjury
    Wie Menschen gequält und ihrer ureigenen Seelenkräfte beraubt wurden, erleben wir durch ein Hörstück, das auf Augenzeugenberichten von Mitgliedern des jüdischen „Sonderkommandos Auschwitz“ beruht. Als Basis dienen aufgefundene Briefe mit erschütternden Beobachtungen, die sie angesichts des Grauens festhielten und verstecken konnten. Als vorgetragene Zeitdokumente bilden sie ein akustisches Vermächtnis für die Nachwelt. Schrille, quälende Hintergrundgeräusche und Dissonanzen intensivieren den Schrecken. Ein eindringlicher akustischer Stolperstein!

  • Margaret Mitchell / Amina Eisner (Bearb.) / Jörg Schlüter (Regie) / Philipp Thimm (Musik)
    Der Hörverlag / Westdeutscher Rundfunk

    Kurzbeschreibung:
    An der Seite von Scarlett O’Hara, einer der stärksten literarischen Frauenfiguren des 20. Jahrhunderts, steht Prissy, die befreite Sklavin, die als Hausmädchen lediglich eine Nebenrolle bekleidet. Das Hörspiel aber erzählt das berühmte Epos nicht nur aus Prissys Perspektive, sondern verbindet es außerdem mit der Geschichte ihrer afrodeutschen Nachkommen im heutigen Berlin. So stellt Autorin Amina Eisner den Klassiker in einen großen historischen Kontext und zeigt rassistische Kontinuitäten und Strukturen auf, die nach wie vor wirksam sind.

    Begründung der Nominierungsjury
    Die komplexe Inszenierung verbindet die literarische Vorlage und die ergänzte Handlung zu einem organischen Ganzen mit einem mitreißenden Ensemble, geschickten musikalischen Überleitungen und genau richtig bemessenem Einsatz von Geräusch. Die wiederkehrende Verwendung von O-Tönen Martin Luther Kings und Nina Simones trägt zur dichten Atmosphäre bei. Abgerundet wird das außergewöhnliche Hörspiel durch Stellungnahmen der Sprecher:innen zum Thema Rassismus und durch ein umfangreiches Booklet.

Bestes Kinderhörbuch

  • Shelly Brown und Chad Morris / Meritxell Janina Piel (Übers.)
    Hörcompany

    Kurzbeschreibung:
    Das Markenzeichen der zehnjährigen Maddie sind bunte Aufklebe-Schnurrbärte, mit denen sie ihr ganzes Umfeld zum Lachen bringt. Alles wäre perfekt ohne diese tonangebende Mitschülerin, die die vierte Klasse regiert und deren Freundin Maddie so gern wäre. Dann verändert sich Maddies Leben von einem Tag auf den anderen, als bei ihr ein Gehirntumor festgestellt wird. Doch sie ist eine beeindruckende Kämpferin und gibt nicht auf.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Trotz des traurigen Themas gelingt es dem Autorenduo Shelly Brown und Chad Morris, eine lustige und berührende Geschichte über das Leben mit einer schweren Krankheit zu erzählen, die Mut macht und Hoffnung vermittelt, die Hörer:innen zum Weinen und gleichzeitig zum Lachen bringt. Gelesen wird das Hörbuch von Julia Nachtmann, die Maddies Geschichte emotional und einfühlsam vorträgt.

  • Erin Entrada Kelly / Beate Schäfer (Übers.)
    Hörbuch Hamburg / Silberfisch

    Kurzbeschreibung:
    Ende Januar 1986 soll das Spaceshuttle „Challenger“ ins Weltall starten. Die Zwillinge Bird und Fitch und ihr älterer Bruder Cash, der das Schuljahr wiederholen muss, gehen gemeinsam in die siebte Klasse. Bird wünscht sich nichts sehnlicher als ein normales Familienleben, und sie möchte unbedingt Astronautin werden. Ihre Brüder haben ihre eigenen Träume. Als die Challenger abstürzt, verändert sich das Leben der Geschwister und bringt sie auf unerwartete Weise zusammen, näher als je zuvor.

    Begründung der Nominierungsjury
    Die Geschichte der vielfach ausgezeichneten Kinder- und Jugendbuchautorin Erin Entrada Kelly wurde als dreistimmige Lesung mit Julian Greis, Sascha Icks und Hanno Koffler produziert. Sie schaffen es gekonnt und eindringlich, jedem der Kinder authentisch Raum für die jeweils eigenen Sorgen und Träume zu geben und sie, auch vor dem Hintergrund der Katastrophe am Himmel, enger zusammenzuführen. Ein Hörbuch für die ganze Familie!

  • Tania Messner
    Oetinger audio
    Kurzbeschreibung:

    Der elfjährige Leonard Federspiel fällt nachts aus seinem Bett und landet nicht etwa auf dem Teppich seines Zimmers, sondern in einer vollkommen fremden Welt mit seltsamen Erscheinungen: Dort gibt es gefährliche, alles fressende Kieferlinge, Prophezeiungen, Träumlinge und das Mädchen Philomena, das schon auf ihn gewartet hat. Bald hat Leonard Freunde, die ihm zur Seite stehen und ihm dabei helfen, die Träume der Menschen zu retten.

    Begründung der Nominierungsjury
    Hörbuchsprecher Jona Mues liest diese abenteuerliche Fantasy-Geschichte sehr lebendig und mitreißend. Die jungen Hörer:innen folgen ihm in die fantastische Parallelwelt, in der sie an der Seite von Leonard Federspiel nicht nur um die Rettung von Sansaria bangen, sondern es plötzlich auch um die Träume der Menschheit geht. Jona Mues gelingt es dabei auf überzeugende Weise, Leonard und all den anderen Figuren eine eigene Stimme zu geben. Ein rasantes fantastisches Hörerlebnis für Kinder, an dem bestimmt auch Erwachsene ihren Spaß haben.

Beste Unterhaltung

  • Stefano Massini / Annette Kopetzki (Übers.)
    BONNEVOICE Hörbuchverlag

    Kurzbeschreibung:
    1844 eröffnet der aus Bayern stammende Heyum Lehmann, der sich in Henry Lehman umbenennt, ein winziges Stoffgeschäft in Alabama. Seine Brüder folgen ihm nach Amerika. Bald wächst der Familienbetrieb in schwindelerregende Höhen, vom Baumwollhandel über andere Investitionen bis zum Giganten an der Wall Street. 2008 bricht die Bank „Lehman Brothers“ zusammen und läutet den Kollaps des Finanzmarktes ein. Stefano Massinis Versepos ist zugleich eine Auswanderergeschichte und eine Parabel über den Kapitalismus.

    Begründung der Nominierungsjury
    Ist der mehrfach preisgekrönte Roman bereits ein gewaltiges Lese-Erlebnis, so erweitert Stefan Merki das Spektrum um eine zusätzliche Dimension. Er lässt die Menschen hörbar lebendig werden, spielt mit leiser Ironie und erweist sich gleichzeitig als intimer Kenner dieser außergewöhnlichen, eineinhalb Jahrhunderte überspannenden Familiengeschichte. Am Ende ist es wie bei einem gelungenen Konzert – schön, wenn es jetzt noch eine Zugabe gäbe.

  • Yael Inokai
    derDiwan Hörbuchverlag / Hessischer Rundfunk

    Kurzbeschreibung:
    Krankenschwester Meret ist Mitte Zwanzig und arbeitet in einer Klinik, in der ein neuartiger chirurgischer Eingriff eingeführt wird: Durch eine Hirnoperation sollen Frauen von ihren psychischen Leiden geheilt werden. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach setzt die Heilung ein, behaupten die Ärzte. In einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen verliert Meret nach und nach ihren Glauben an die Macht der Medizin.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Anregend erzählt in dichten Bildern, in lakonischer Sprache und mit gezielter Unschärfe, hat sich die Nominierungsjury aufs Feinste von diesem Titel unterhalten gefühlt. Die herausragende Sprecherin Lisa Hrdina begleitet den Hörer durch eine fein verdichtete Story um Machtstrukturen und Emanzipation, über Empathie und Liebe – und alles führt zu einem Happy End. Kammerspielartig lauschen wir einem aktuellen Diskurs um Frauenbilder und hören ein Aufbegehren gegen gesellschaftliche Zwänge. Ein Psychiatrieroman mit eingebautem Emanzipationsakt. Spannend!

  • Bonnie Garmus / Ulrike Wasel und Klaus Timmermann (Übers.)
    Hörbuch Hamburg / Osterwoldaudio

    Kurzbeschreibung:
    Im Amerika der sechziger Jahre tragen Frauen Hemdblusenkleider und treten Gartenvereinen bei. Elizabeth Zott aber will Chemikerin werden. Nachdem ihre wissenschaftliche Karriere von Männern verhindert wurde und ihr Geliebter bei einem Unfall starb, startet die alleinerziehende Mutter eine Kochshow im Fernsehen, in der sie sich dem Kochen mit chemischem Blick widmet und zum Überraschungsstar wird. Ohne Rücksicht auf eigene Blessuren kämpft Elizabeth für die Rechte der Frauen.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Mit beeindruckender Ausdruckskraft liest Luise Helm den Roman über die ungewöhnliche Protagonistin Elizabeth Zott. Mit logischem Kalkül, kratzbürstiger Souveränität und viel Humor wirbelt sie die scheinbaren Gegensätze von Hausfrau und Karrierefrau durcheinander. Sie stellt die bigotte und spießige Männergesellschaft der 50er und 60er Jahre bloß und begegnet mit messerscharfem Verstand allen Demütigungen, die sie als Frau und Wissenschaftlerin zu ertragen hat. Ein komödiantischer Unterhaltungsroman, schwungvoll erzählt. Am Ende sehen wir die hausfraulichen Tätigkeiten unserer Mütter und Großmütter mit anderen Augen…

Das besondere Hörbuch

  • Richard Wagner / Regine Ahrem (Bearb. und Regie) / Felix Raffel (Komposition)
    Der Audio Verlag / Rundfunk Berlin-Brandenburg

    Kurzbeschreibung:
    Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ zählt zu den größten Bühnenkunstwerken der Operngeschichte und ist, wie diese Hörspielproduktion zeigt, ein veritabler Fantasy-Stoff. Regisseurin und Dramaturgin Regine Ahrem hat die pseudomittelalterliche Kunstsprache Wagners in hochdeutsche Prosa übersetzt und wagt eine Neuinterpretation des klassischen Themas. Auch die moderne Kunstkopf-Aufnahmetechnik und der Mix aus orchestralen Wagner-Original-Passagen und neu komponierter Musik tragen zum ungewohnten Hörerlebnis bei.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Ein Hörvergnügen für alle „Ring“-Freunde: Sprachgewaltig und opulent ist Wagners Opernlibretto mit einem herausragenden Sprecherensemble ins Hörspiel gesetzt. Ein Fantasie-Spektakel auch für Wagnerunkundige und -kritische Zuhörer. Da wird gefoppt, gemobbt, genölt, geschnauft, gekeckert und gequiekt – die Intrigen und Machtspiele des Stoffes sind meisterhaft akustisch umgesetzt. Und wenn möglich, bitte über Kopfhörer genießen, denn dann ist man inmitten des Geschehens dank des akustischen 3-D-Effektes.

  • Stefan Weiller / Franz Schubert und Wilhelm Müller
    speak low

    Kurzbeschreibung:
    In vierzehn Episoden erzählt der Autor Stefan Weiller von gescheiterter Liebe und ihren existenziellen Folgen, von Obdachlosen, Suchtkranken, Gewaltopfern und Stalkern. Die Geschichten von Menschen, deren Lebensweg sie in Einsamkeit und Isolation geführt hat, verbinden sich mit den Liedern aus dem Zyklus „Die schöne Müllerin“ von Franz Schubert nach den Gedichten Wilhelm Müllers zu einer akustischen Collage. Sie schlägt eine Brücke über 200 Jahre, von der Romantik bis in unsere Gegenwart.

    Begründung der Nominierungsjury:
    Basierend auf Stefan Weillers Gesprächen mit „Unbehausten“ der Gesellschaft, ist deren Situation auf eindringlich atmosphärische Weise sprachlich und musikalisch mit Franz Schuberts Liederzirkel „Die schöne Müllerin“ verwoben. Überzeugend allein schon die Auswahl der weiblichen Stimmen (Birgitta Assheuer, Dagmar Manzel), die als Liebende und Leidende im Fokus stehen, und auch die Besetzung mit Jens Harzer als unglücklich liebender ‚Müllerbursche’. Weiller lässt die Gestalten selbst sprechen, stellt Beziehungen zu heutigen Nöten und Schicksalen her und verknüpft diese geschickt mit den Texten Wilhelm Müllers.

  • Klaus Sander und Maike Struve (Konzeption und Regie) / Ute, Inge und Ramona (Sprecherinnen)
    supposé

Kurzbeschreibung:
Wie lässt sich über etwas Nicht-Sichtbares (wie eine psychische Erkrankung) und Unsagbares (wie eine traumatische Erfahrung) berichten? In Zusammenarbeit mit einer Psychotherapeutin entstand diese Produktion mit Ute, Inge und Ramona, drei psychisch erkrankten Frauen und Müttern, die die persönliche Geschichte ihrer seelischen Krise erzählen. Aller schicksalhaften Schwere zum Trotz wird die Kraft und Liebe deutlich spürbar, welche diese Frauen in ihrer Depression durch die eigene Mutterschaft erfahren.

Begründung der Nominierungsjury:
Klaus Sander und Maike Struve haben eine echte verlegerische Leistung vollbracht und ein außergewöhnliches Hörbuch produziert. Sie lassen drei Frauen frei sprechen. Die Erzählungen unterscheiden sich stark in Sprache und Duktus und verbinden sich trotzdem zu einer Einheit. Die Regie wahrt die gebotene Distanz und stellt eine gemeinsame Erzählung her. Beim Hören entwickelt sich der Eindruck, mit jeder der Frauen eine intensive Zeit verbracht zu haben. So entsteht ein beeindruckendes Bild dreier Frauenleben.

Bester Podcast

Mohamed Amjahid
17 Tage Scheitern – wie Freiwillige in Afghanistan aushalfen
Westdeutscher Rundfunk

Zum Jahrestag des Truppenabzugs aus Afghanistan

Mitten am Tag
Hörspiel und True Crime Dokumentation
PantaSounds GmbH / Pantaleon Films

STUDIO KOMPLEX
mit Anne-Katrin Eutin und David Ahlf
Hessischer Rundfunk

Die Preisverleihung, inzwischen als Live-Radioshow von WDR 5 etabliert, wird im Rahmen einer „ARD Radiokulturnacht“ von anderen Kulturwellen der ARD übernommen und findet am 28. Februar 2023 zum Auftakt der Lit.COLOGNE statt.

 

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