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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Man nehme: täglich eine Prise Literatur – Der Kalender-Klassiker fürs Neue Jahr – ein Muss!

Momente des Miteinander von Weltliteraten und Weltliteratinnen

Petra Kammann empfiehlt den Literaturkalender 2023

Die individuelle Handschrift des Frankfurter Gestalters Max Bartholl ist ebenso unverkennbar wie die Literaturkenntnis der Verlegerin Elisabeth Raabe. Gemeinsam haben sie über die Jahre den Literaturkalender (ursprünglich Arche, heute edition momente) zu etwas Unverwechselbarem gemacht. Immer wieder kombinieren sie autobiografische Texte und Foto- Trouvaillen von weltweit bedeutenden literarischen Autoren und Autorinnen, die sie jeweils auf ungewöhnliche Weise präsentieren.

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Titel mit Katharina Thalbach und Thomas Brasch, 1983 fotografiert von Isolde Ohlbaum 

Für das kommende Jahr 2023 haben sie sich für den Literatur Kalender das Thema Momente des Miteinander vorgenommen. Je nach Konstellation  kann ein Miteinander doch ganz unterschiedliche Emotionen hervorrufen: Liebe und Zärtlichkeit, aber auch Wut, Krisen und Trauer.

Schon das Titelfoto von Isolde Ohlbaum macht neugierig auf die besondere Beziehung der Schauspielerin Katharina Thalbach zu ihrem Lebenspartner, dem Lyriker und Dramatiker Thomas Brasch. Gemeinsam flohen sie 1976 nach der Biermann-Ausbürgerung aus der damaligen DDR von Ost-Berlin nach West-Berlin.

Noch vor der Ausreise schrieb er über sie: „Ja, Katharina, so erst bist Du schön,/ Wenn Du vergisst, schön auszusehn./ Wir beide wollen auf die Straße gehn/ und lassen ihn und sie umarmt am Fenster stehn „… Auf dem Sofa sitzend schauen die beiden, noch ganz in Einigkeit Verbundenen, uns unmittelbar und voller Unternehmenslust an. Er inszenierte Filme mit seiner Frau in der Hauptrolle wie „Domino“, „Engel aus Eisen“ und „Der Passagier“.

Dennoch blieb auch ihr Miteinander nicht immer ungestört. 2001 starb der herausfordernde und allseits beliebte Partner Thomas Brasch an Herzversagen, mit einem „Loch im Herz“. In der Bundesrepublik hatte er sich geweigert, als lebendiges Demonstrationsobjekt gegen den Sozialismus vereinnahmen zu lassen. „Die Welt wird dich lieben, Thomas“, sagte Katharina Thalbach (Jella Haase) im Biopic Lieber Thomas, „doch ihn liebt immer nur, wem er nicht auf die Füße tritt“.

Von ähnlich schönen wie auch schwierigen Momenten des Miteinander erzählen die 53 Schreibenden, gleich ob Friedenspreisträgerin Nelly Sachs als Emigrantin in Schweden, Italo Calvino in Italien, Katherine Mansfield in Neuseeland, Wisława Szymborska in Polen, Fernando Pessoa in Portugal, Samuel Salvon auf Trinidad, Dylon Thomas in Wales und New York oder Friederike Mayröcker über ihr „Zusammenallein“ mit Ernst Jandl in Österreich.

Verschmitzt schaut uns die polnische Lyrikerin Wisława Szymborska auf einem Foto aus dem Jahr 1997 an, weil sie dem ersten Blick nicht traut. Man ahnt, sie kennt ihre „Pappenheimer“  und traut ihnen nicht immer über den Weg. Ihnen setzt sie in ihrem Gedicht mit dem Titel ABC über das Miteinander ein Denkmal: „Nie werde ich erfahren,/Was A. von mir dachte,/ Ob B. mir bis zuletzt nicht verziehen hat./ Warum C so tat, als sei alles in Ordnung“

Übrigens: Die 2012 gestorbene Nobelpreisträgerin wäre 2023, also im kommenden Juni, 100 Jahre alt geworden. Da kann man sich vermutlich schon jetzt auf Wiederauflagen ihrer so sensiblen wie hintergründigen Gedichte freuen.

Die im Kalender abgebildeten Auserwählten, sie alle erzählen vom schönen oder schwierigen Miteinander mit Freunden oder Vätern, Feinden oder Geliebten, künstlerischen oder politischen Weggefährten, vom Miteinander in der Heimat, im Exil oder im Gefängnis. Die ihnen zugeordneten Kurzbiographien – vor allem der Unbekannteren – bringen uns Literaturliebhabern ihre tatsächlichen Biographien noch näher und schicken uns auf neue Leseentdeckungsreisen.

Außerdem werden wir im Kalendarium täglich an Geburts- und Todestage weiterer interessanter Schriftsteller erinnert, so dass sich uns, wenn wir gewillt sind, deren Spuren nachzugehen, ein reicher und vielfältiger Erlebenskosmos auftut.

Aber nicht nur Der Literatur-Kalender ist ein Muss für die Literaturliebhaber und -liebhaberinnen. Wer gern die Welt mit allen Sinnen wahrnimmmt und es genießt, gleich ob kochend, essend oder trinkend, dem sei der ebenso unnachahmliche Literarische Küchenkalender 2023 der legendären, inzwischen 95-jährigen Sybil Gräfin Schönfeldt, empfohlen. Sie ist nun mal die Grande Dame der Lebenskunst. Mit ihren Texten, Rezepten und natürlich immer auch mit anregenden Bildern und Gedanken, welche die Tischkunst und das Miteinander am Tisch zu einem Fest werden lassen, ist er ist ebenso ideenreich und wie immer ästhetisch schön gestaltet von Max Bartholl und Elisabeth Raabe. Das Jahr kann kommen.

DER LITERATUR KALENDER 2023. MOMENTE DES MITEINANDER
Hg. von Elisabeth Raabe, Gestaltet von Max Bartholl
60 Blätter / 53 Fotos, farbig / € 24,- / ISBN 978-3-0360-2023-5

DER LITERARISCHE KÜCHENKALENDER 2023. Mit Texten, Rezepten & Bildern
Hg. von SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
60 Blätter / 76 vierfarb. Abb. und Fotos, € 22,- / ISBN 978-3-0360-4023-3

P.S. Ein Wunder? Der Literarische Küchenkalender hat dieses Jahr übrigens den Kalenderpreis des deutschen Buchhandels gewonnen, der Literatur Kalender  wurde letztes Jahr „bester Longseller“.  Nein, es ist kein Wunder!

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