home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Allen Hasen und Häsinnen ein frohes Osterfest !

Von Redensarten, Brauchtum und Kunst

Der Hase ist bei uns der Star mit einer durchaus langen Geschichte. Seit rund 300 Jahren hoppelt dieses mythologische Tier durch unsere Oster-Geschichten. Sorgen in Frankreich ( außer im Elsass) die Kirchenglocken für die zu suchenden Geschenke, so sind es bei uns die Hasen, die sich zu Ostern im Gras mit den Eiern verstecken. Die Hasen backen Küchlein, die Hasen backen Eier, die Hasen backen Brot, heißt es. „Der eine fängt den Hasen, der andere isset ihn zu Ostern“, lautet ein Sprichwort. Da liegt der Hase nämlich schon im Pfeffer, im Hasenpfeffer, wo denn sonst? Darf ich vorstellen? „Mein Name ist Hase“.

Ein Hase ist ihm über den Weg gelaufen oder war es eine Häsin? Ist Gefahr im Verzug? Da muss der Meister der Tarnung mal nachdenken…; Foto: Petra Kammann

Ganz besonders ein um 1500 minutiös gezeichneter Feldhase hat Geschichte geschrieben. Seine langen fein gestrichelten Ohren sind die schönsten der Kunstgeschichte. „Der Feldhase“ ist fast so berühmt wie die „Betenden Hände“ desselben Künstlers. Albrecht Dürer sei Dank. Und mit seinen eindringlichen Augen schaut uns der wilde Feldbewohner voller Respekt an. So wurde er zur Ikone und zum Vorbild sämtlicher Kreativer.

Auf der kostbaren Dürer-Zeichnung ruht das Feldtier geradezu majestätisch auf seinen extrem langen Hinterläufen, mit denen es normalerweise auf dem Acker hoppelt. Und es hat etliche zeitgenössische Künstler angeregt, wenngleich zwischen Dürers detailgetreuem „Feldhasen“ und Jeff Koons’ comichaft bedrohlichem knallbunten „Rabbit“ Welten liegen, ebenso wie zu Ottmar Hörls Hasen in allen farbigen Variationen, die eher an bunt bemalte Eier erinnern.

Dürers Hase, eigentlich derFeldhase“, aus dem Jahr 1502, liegt in der Wiener Albertina

Aber der Hase kann auch „Haken schlagen“. Wenn er auf der Flucht ist, schafft der flinke Supersportler damit sogar 80 Kilometer pro Stunde und und springen kann er bis zu 2 m hoch. Nun ja, das Schicksal des Hasen ist es, gejagt zu werden, weswegen Hasenfüße, die sich lieber im Vertrauten verstecken, gerne sagen: „Jockele, geh du voran, du hast Sporen und Stiefel an, dass dich der Has‘ nicht beißen kann“.

Aber das Revier des Felltiers ist ein weites Feld … Wissen, wie der Hase läuft, das tun wir nun schon. Nur auf die Frage „wo der Hase im Pfeffer liegt“, mögen wohl viele nur antworten mit „Mein Name ist Hase!“, weil sie es verlernt haben, den Kochlöffel zu schwingen und ahnungslos sind, wenn es darum geht, jahreszeitliche Gerichte selber herzustellen.

Der Hase ist auch ein vorsichtiges Tier. Sich drückende Hasen machen sich bei Gefahr nahezu unsichtbar. Da hockt der Feldhase mit angelegten Ohren regungslos in seiner flachen Mulde zwischen Ackerfurchen, hohem Gras oder in Hecken, in der sogenannten Sasse und drückt sich tief auf den Sassengrund. Seine Fellfarbe tarnt ihn dann perfekt. Und da bleibt er so lange wie möglich in seinem Versteck liegen – bis er plötzlich abrupt aufspringt, denn er nimmt die noch so feinsten Bodenerschütterungen wahr und flüchtet rasant in hoher Geschwindigkeit, eben bis zu 80 km/h.

Vice Versa

Ein Hase sitzt auf einer Wiese,
des Glaubens, niemand sähe diese.

Doch, im Besitze eines Zeißes, betrachtet voll gehaltnen Fleißes

vom vis-à-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.

Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.

                             Christian Morgenstern

Hasen sind in flämischer Tapisserie beliebt

Der Hase ist schon daran gewöhnt, seine Ausdauer und Kraft in spektakulären Wettläufen und Boxkämpfen unter Beweis zu stellen, in der Partnerwahl bestimmt die Häsin. Innerhalb kürzester Zeit paart sie sich mehrmals, so dass selbst innerhalb eines Wurfs Mehrfach-Vaterschaften vorkommen können. Außergewöhnlich ist, dass die Häsin während der Tragezeit erneut trächtig werden kann und sich Embryonen unterschiedlicher Entwicklungsstadien in ihrer Gebärmutter befinden.

Und das verbindet Hasen auch mit dem Ei. Denn mit dem Ei beginnt das Leben. In natürlicher Umgebung machen Hühner im Winter eine Legepause, während sie zur Osterzeit im Frühjahr oft mit einer Überproduktion starten. Das kam den Christen früher nach der sechswöchigen Fastenzeit gerade Recht. So brachten sie dann die Eier in vielen Variationen auf den Tisch, als Fest für das Leben, das Gott den Menschen schenkt.

Und da der Hase ein Meister im Kinderkriegen ist, stehen Ei und Hase beide symbolisch für das Leben. Als Frühlingsbote ist der Hase nämlich schon bei den ersten warmen Sonnenstrahlen im Wald und auf den Wiesen anzutreffen. Kein Wunder, dass sich der Osterhase im Frühjahr als Symbol für Fruchtbarkeit und Geburt anbot. Und so wird er halt mit dem Osterei in Verbindung gebracht. Da stehen Eier als Symbol als Zeichen für Fruchtbarkeit und wegen der fragilen Schale für Zerbrechlichkeit. Beides hängt mit dem Leben und mit dem Tod zusammen.

Ostereier in verschiedenen Bemalungen von Herbert Kaiser…; Foto Petra Kammann

Schon aus der Antike kommt die Deutung des Hasen als Sinnbild von Lebenskraft, Wiedergeburt und Auferstehung. Hier ist die Wurzel für Darstellungen im Zusammenhang mit dem christlichen Osterfest, in dem der Auferstehung Christi gedacht wird.

Der Hase als ikonisches Tier hat auch das Kunstgewerbe beflügelt wie in den mittelalterlichen und flämischen Tapisserien und immer wieder in der Kunst. Einer der legendären Auftritte von Joseph Beuys in der Galerie Schmela vom 26. November 1965  war „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt„, ein typisches Kunstwerk à la Beuys, mit dem er radikal den Kunstbegriff erweitern wollte.

In der damals noch nicht geöffneten Galerie Schmela sieht man den  Aktionskünstler Beuys mit dem Hasen im Arm durch die Räume schreiten und mit Blicken auf das durch die Umgebung zum uraltem Symbol der Fruchtbarkeit und der christlichen Auferstehung geadelte Tier die Lippen bewegen. Ganze drei Stunden dauert die Performance, bevor  Schmela die Galerietür für die  Ausharrenden aufschließt.

Beuys, auch Professor an der Düsseldorfer Akademie, gab vor, dem Hasen seine Kunst zu erklären. Seine innere Überzeugung aber war: Kunst kann und soll man nicht erklären: „Ich glaube, heute besteht ein großes Missverständnis bei den Menschen, als müsse Kunst durch einen logischen Satzzusammenhang verstanden werden. Wenn aber die dahinter stehende Idee das Werk eigentlich wäre, dann bräuchte ich doch dieses sinnliche Gebilde gar nicht zu machen. Dann könnte ich das doch in logischen Satzzusammenhängen schildern.“

So bedient „der alte Hase“ Beuys, der den Schalk im Nacken hatte, sich der rätselhaften Aktion als eines Mediums, das möglichst viele Kunstgattungen zu einem Gesamtkunstwerk für alle Sinne zusammenbringen wollte. Nachdem das Publikum hereingelassen ist, sitzt Beuys mit dem Hasenkadaver im Arm auf einem Hocker im Foyer und wendet den Kunstfans den Rücken zu.

Er wollte nichts schildern, sondern etwas anderes demonstrieren mit Hilfe des mythologischen Tiers, das nicht einmal mehr lebte. Er hatte das klassische Eröffnungsritual des Ausstellungsbetriebs ad absurdum geführt, weil er auf sinnliche Erfahrung und intuitives Erfassen gesetzt hatte. Seiner Meinung nach stand dem das Tier sehr viel näher. Das habe den Vorteil, dass es Kunst, selbst wenn es wollte, ohnehin nicht verstehen könnte.

Vielleicht sehen Sie speziell in diesem Jahr unter den Bedingungen der Pandemie das Osterfest einmal ganz anders und lassen sich von der Begegnung mit der Natur inspirieren und die Bilder in Ihrem Kopf arbeiten. Machen Sie andere und neue sinnliche Erfahrungen als solche, die Sie vielleicht von einer so sehnsüchtig erwarteten Osterreise erhofft hätten. Auch dieser Satz stammt von Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Kreieren Sie Ihr eigenes Ostererlebnis!  pk

 

 

 

Comments are closed.