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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„August Macke – Paradies! Paradies?“ im Museum Wiesbaden (II)

Lichtdurchflutete Bilder von einzigartiger Farbharmonie

Von Hans-Bernd Heier

Der Maler August Macke hat die Kunstströmungen seiner Zeit im „Eiltempo“ erkundet, bis er seine unverwechselbare Bildersprache fand. Dafür blieb ihm nicht viel Zeit, ist er doch bereits mit 27 Jahren, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, im Gefecht in Frankreich gefallen. Dem bedeutenden Expressionisten widmet das Museum Wiesbaden jetzt eine großartige Retrospektive. Versammelt sind 80 Werke aus allen Schaffensphasen des Frühvollendeten. Ergänzt wird die Präsentation um 23 Werke von „Rheinischen Expressionisten“, die von Macke maßgeblich inspiriert wurden.

August Macke „Stillleben mit Apfelschale und japanischem Fächer“, Öl auf Leinwand, 1911; Kunstmuseum Bonn, DLG aus Privatbesitz; Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen, Wolfgang Morell

August Macke, Anfang 1887 in Meschede (Westfalen) geboren, verlässt vorzeitig das Gymnasium in Bonn und besucht ab 1904 die Düsseldorfer Kunstakademie. Von seinem Studium ist er allerdings enttäuscht, weil er nicht die künstlerische Freiheit findet, die er sich erhofft hatte. Deshalb besucht er parallel zur Kunstakademie die Abendklasse der von Peter Behrens gegründeten Kunstgewerbeschule. Hier kommt er mit dem Jugendstil in Berührung. Diese Stilrichtung mit der Idee des Gesamtkunstwerks, dessen prominentester Verfechter Behrens war, begeistert den jungen Studenten. „Macke stand diesen Strömungen mit großer Aufmerksamkeit gegenüber und vermochte, eine ihm eigene harmonische künstlerische Sprache aus Farbe, Form und Materialität zu entwickeln“, schreibt Kustos Peter Forster in dem exzellenten Begleitbuch. In seinen Arbeiten finden sich häufig florale Elemente, wie beispielsweise in dem Stillleben mit Apfelschale.

„Zwei Frauen im Park“, Öl auf Karton, 1913; Privatsammlung; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Macke reist viel und gerne. Regelmäßig besucht er seine Schwester Auguste im badischen Kandern. Begeistert schreibt er an seine spätere Frau Elisabeth: „Ich kenne keinen Ort, der derart klassische Motive aufzuweisen hätte wie dieses herrliche Kandern“. In dem hübschen Städtchen entstanden rund 20 Ölgemälde, Aquarelle und zahlreiche Zeichnungen. In einer Art Freilicht-Museum führt heute der „August-Macke-Rundweg“ zu den schönsten Winkeln des Ortes, die der Maler in Bildern festgehalten hat, wie Reproduktionen am Wegesrand belegen.

Den unternehmungslustigen Künstler führen Reisen nach Italien, Belgien, Holland, England und Frankreich. 1907 besucht er zum ersten Mal Paris und setzt sich dort mit Originalwerken des  französischen Impressionismus auseinander. Seine Studien vertieft er, als für ein halbes Jahr die private Kunstschule von Lovis Corinth in Berlin besucht. Der impressionistische Einfluss zeigt sich besonders deutlich in Mackes Ölgemälde „Am Rhein bei Hersel“ von 1908, das in der Schau zu bewundern ist.

1909 heiratet Macke seine Jugendfreundin Elisabeth Gerhardt, die aus wohlhabendem Haus stammt, und zieht mit ihr an den Tegernsee, wo auch sein erster Sohn Walter geboren wird. Kurz darauf lernt er Franz Marc kennen, mit dem ihn eine enge Künstlerfreundschaft verbindet. Gemeinsam besuchen sie eine Matisse-Ausstellung in München. Die kraftvolle Malerei der „Fauves“ („Die Wilden“) beeindruckt Macke sehr. Nach der Rückkehr von einer erneuten Paris-Reise schlägt sich der Einfluss der „Wilden“ in einem großzügigen Bildaufbau mit klar nebeneinandergesetzten Formen und intensiven Farben nieder.

„Kinder am Brunnen mit Stadt im Hintergrund“, Öl auf Leinwand, 1914; Kunstmuseum Bonn; Foto: Kunstmuseum Bonn / David Ertl

Durch Marc lernt Macke die „Neue Münchener Künstlervereinigung“ in München mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin kennen, deren „rosafarbenen Salon“ er besucht. Macke nimmt 1911 an der zweiten Ausstellung der von Wassily Kandinsky geleiteten Künstlervereinigung teil, aus der nach internen Auseinandersetzungen die bedeutende expressionistische Künstlergruppe der „Blaue Reiter“ hervorgehen sollte. Macke arbeitet auch an dem gleichnamigen Sammelband „Almanach“ mit, der als eine der bedeutendsten Programmschriften der Kunst des 20. Jahrhunderts gilt.

Ende 1910 ist die kleine Macke-Familie wieder nach Bonn gezogen. Im Dachgeschoss des spätklassizistischen dreigeschossigen Haus hat der Maler sein erstes und einziges Atelier. Seine bekanntesten Gemälde entstehen hier. Von den Atelierfenstern genießt er den freien Blick auf den großen Garten und auf die unmittelbare Bonner Umgebung. Die stimmungsvollen Ansichten hält er in zahlreichen Werken fest, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind.

„Badende Frauen“ (Entwurf für Weberei), Öl auf Leinwand, 1913; Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen; Foto: Bernd Fickert

Bei seinem Streifzug durch die Kunstströmungen der Zeit kommt Macke auch mit der abstrakten Kunst in Berührung. Er versucht sich ebenfalls in abstrakten Kompositionen und hat eine Reihe farblich sehr ansprechende mit Kreide oder Farbstift gezeichnete abstrakte Arbeiten gefertigt, die in Wiesbaden gezeigt werden. Aber diese Kunstrichtung sei, wie der Künstler sagt, nicht sein Element.

Tief beeindruckt ist er dagegen von der reinen Farbfeldmalerei Robert Delaunays. Der nur zwei Jahre ältere französische Künstler hatte bereits 1911/12 erfolgreich an den ersten Ausstellungen des Blauen Reiters teilgenommen. Als Macke im September 1912 Delaunay in dessen Pariser Atelier besucht, ist er begeistert von dessen Serie „Fenêtres“. Die „Fensterbilder“ markieren den Beginn einer auf Farbe und Licht basierenden Malerei und bestätigen Macke in seinen Arbeiten. Diese Begegnung hat Mackes Stil stark beeinflusst und führt zur Übernahme futuristischer und kubistischer Elemente in seine Werke.

August Macke “Farbkomposition“, Gouache, Fettkreide und Pastell,1913; Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe des Landes Nordrhein-Westfalen; Foto: Kunstmuseum Bonn / David Ertl

Zurückgekehrt nach Bonn malt er im Herbst 1912 zusammen mit Marc das rund 4 x 2 Meter messende programmatische Wandbild „Paradies“. Da die Stadt Bonn sich nicht zum Erwerb entschließen konnte, wurde, das farbprächtige Werk Ende 1980 samt Wand in das Westfälische Landesmuseum Münster verlagert.

Blick in de Ausstellung, Foto: Petra Kammann

In Bonn und Köln schließen sich aufgrund Mackes kulturpolitischem Engagement und seiner Kontaktfreudigkeit künstlerisch dem Expressionismus nahestehende Malerkollegen in einem losen Verbund zusammen, der heute als „Rheinische Expressionisten“ bekannt ist. Für die 23 Werke dieser sogenannten „Rheinischen Expressionisten“, die von Macke maßgeblich inspiriert wurden, sind zwei Ausstellungsräume reserviert. Zu sehen sind u. a. Gemälde von Heinrich Campendonk, Helmuth Macke (August Mackes Cousin), Heinrich Nauen sowie Paul Adolf Seehaus – viele Werke stammen aus der Sammlung Brabant. Der rührige Macke ist außerdem Mitorganisator von Ausstellungen in Köln und Berlin.

Um sich wieder ganz auf seine Kunst konzentrieren zu können, zieht Macke mit seiner Frau und den beiden Söhnen im Herbst 1913 in die Schweiz nach Hilterfingen am Thuner See. Hier entstehen herrliche Bilder von Figurengruppen in der Landschaft. Sie gehören zu Mackes Hauptwerken und vereinen die Einflüsse vieler Künstler in seinem eigenen Stil.

„Afrikanische Landschaft“, Öl auf Leinwand, 1914; Kunsthalle Mannheim; Foto: Kunsthalle Mannheim

Einen weiteren Höhepunkt bilden Mackes weltberühmten Tunis-Aquarelle. Zusammen mit seinen Malerfreunden, Paul Klee und Gustav Moilliet, reist er im Frühjahr 1914 in den nordafrikanischen Staat. Die Tunis-Reise gilt als „Sternstunde der Kunstgeschichte“. In einem Schaffensrausch hat er in den zwei Wochen über 50 Aquarelle und Zeichnungen geschaffen, die zu den besten seines künstlerischen Werkes zählen. Sie sind, wie Macke selbst sagte, ein „Gesang von der Schönheit der Dinge“ – voller Harmonie und Optimismus.

„Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit verstand es August Macke in seinen lichtdurchfluteten optimistischen Bildern, kurz noch einmal das irdische Paradies wie in einem flüchtigen Schnappschuss festzuhalten, bevor es mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs infrage gestellt war,“ erläutert Kurator Roman Zieglgänsberger, Kustos der klassischen Moderne am Museum Wiesbaden.

„Blick auf eine Moschee“, Aquarell, 1914; Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe aus Privatbesitz; Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen, Wolfgang Morell

Wenige Monate nach der legendären Tunis-Reise wird Macke eingezogen und fällt kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 26. September im Gefecht südlich von Perthes-les-Hurlus (Champagne). Sein Malerfreund Franz Marc schreibt in seinem Nachruf auf den weltberühmten Lichtmaler: „Er hat von uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell wie sein ganzes Wesen war“.

 

Blick in die Wiesbadener Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Auch wenn Mackes lebensbejahende „Bilder, die von Licht und Farbe durchpulst werden, mehr als „Wohlfühl-Malerei‘ seien“, so Museumsdirektor Andreas Henning, passe die Schau „August Macke. Paradies! Paradies?“ gut in die durch die Corona-Pandemie beschränkte Zeit. Leider musste sie wenige Tage nach Eröffnung wieder bis Ende November schließen. Henning und sein engagiertes Team hoffen und wünschen sich, im Dezember wieder Gäste im Landesmuseum begrüßen zu können, damit diese „Anregung und Freude finden, Auf- und Durchatmen können, Sinne und Denken in Schwung bringen.“ Und wo könnten sie das besser als in der großartigen Macke-Schau?

Die vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain geförderte Schau ist in enger Kooperation mit dem Kunstmuseum Bonn zustande gekommen. Das Kunstmuseum Bonn besitzt eine der umfangreichsten Macke-Sammlungen.

Für Kunstfreunde lohnt sich in Bonn auch ein Abstecher zum „August Macke Haus“, dem ehemaligen Wohn- und Atelierhaus des bedeutenden Expressionisten. Nach der dringend notwendigen Renovierung ist das spätklassizistische Gebäude heutzutage wieder öffentlich zugänglich. Besucher können im Atelier u. a. sein letztes, unvollendetes Bild mit dem ahnungsvollen Namen „Abschied“ auf der Staffelei betrachten, das der Frühverstorbene nie mehr wiedersehen sollte. Seit 2019 betreibt die „Museum August Macke Haus gGmbH“ das Museum.

Nach dem Lockdown soll „August Macke – Paradies! Paradies?“ bis zum 14. Februar 2021 im Landesmuseum Wiesbaden zu sehen sein.

Weitere Informationen unter:

www.museum-wiesbaden.de

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