Kammermusik der Solist*innen der Kronberg Academy in der Alten Oper
Ein Zusammenspiel: Allein und Miteinander
Eine Veranstaltung der Alten Oper Frankfurt in Kooperation mit der Kronberg Academy
Von Petra Kammann
Kleine Besetzung im Großen Saal: Drei Dozenten und Alumni der Kronberg Academy (Vilde Frang, Violine, Nils Mönkemeyer, Viola, Claudio Bohórquez, Violoncello) und fünf Studenten (Joninan Ilias Kadesha, Violine, Seiji Okamoto, Violine, Karolina Errera, Viola) der Kronberg sowie der Pianist Michail Lifits, spielten ungewöhnlich ausdrucksvoll Kammermusik von Johannes Brahms, Antonín Dvořák, Felix Mendelssohn Bartholdy, Dmitri Shostakovich und Hugo Wolf im Großen Saal der Alten Oper.
Ein Konzert von Studenten und Alumni der Kronberg Academy in der Alten OperFrankfurt ; v.l.n.r.: Joninan Ilias Kadesha, Seiji Okamoto, Karolina Errera, Julia Hagen (Violoncello), Michail Lifits (Piano), Foto: © Lutz Sternstein /Kronberg Academy
Normalerweise herrscht ein reges Treiben und großes Geschnatter vor dem Beginn eines jeweiligen Konzerts im Großen Saal der Alten Oper. Schon das Tragen von Masken unter den aktuellen Bedingungen vor Beginn der Musik sorgte bei diesem besonderen Konzert für eine gewisse Ruhe und Stille. Dennoch stimmte der Blick in den viel zu wenig besetzten Saal ein wenig traurig. Drei freie Plätze neben jedem Sitz, es sei denn, es handelt sich um Paare. Die durften beieinander sitzen.
Raimund Trenkler, Gründer und Vorsitzender des Vorstands der Kronberg Academy, Foto: Petra Kammann
Umso größer die Erwartung, wie es denn nun während des Konzerts sein wird. Kann man seiner Freude oder seinem Missfallen Ausdruck verleihen? Zunächst einmal tritt der Künstlerische Leiter und Vorstandsvorsitzende Raimund Trenkler auf die Bühne und erinnert daran, dass eigentlich ursprünglich zum Jahrestag der deutschen Einheit und damit der Öffnung für ein weiteres Europa ursprünglich ein Orchesterkonzerts mit Vilde Frang und dem Chamber Orchestra of Europe sowie ein Nachmittagskonzert mit Solist*innen der Kronberg Academy geplant war.
Er spricht sichtlich bewegt über das Zusammenwachsen der Musiker an einem Ort wie Kronberg, bedankt sich beim neuen Intendanten und Geschäftsführer der Alten Oper Dr. Markus Fein, bei den Sponsoren, die am Engagement für die Kronberg Academy festhalten, beim Publikum, das er ermuntert, das Spiel den Bedingungen entsprechend zu würdigen: „Die Musiker brauchen Sie, weil sie weniger sind“.
Nicht zuletzt Trenklers Appell hinterließ Spuren für die besondere Präsenz dieses Konzerts. Dann folgt erst einmal eine große und lange Stille, bevor Frang, Kadesha, Errera und Bohórquez in das atemberaubende Pianissimo der Italienischen Serenade von Hugo Wolf einstimmen. Da hustet – wie sonst so oft – wirklich niemand. Jeder Takt klingt aus. Das Publikum lauscht vollkommen konzentriert. Diese Erfahrung würde man gerne mit in die großen Konzertsäle mitnehmen, wenn es hoffentlich noch einmal eine Zeit ohne Corona geben wird und es auch größeren Orchestern wieder möglich sein wird, selbstverständlich zusammenzuspielen.
Vilde Frang spielte am 03.10.2020 in der Alten Oper in Frankfurt in einem Konzert von Studenten und Alumni der Kronberg Academy, Foto: © Lutz Sternstein / Kronberg Academy
So delikat wie voller Elan hebt die Violinistin Vilde Frang an und nimmt die anderen Streicher in immer neuen Varianten in die Episoden des Rondos des einzig ausgeführten Satz von Wolfs Serenade mit. Und so souverän wie dialoginteressiert geht Claudio Bohórquez, der Cellist peruanisch-uruguayischer Abstammung, in seinem Cello-Rezitativ auf die angebetete Schöne (hier die Geigerin Vilde Frang) ein, während die Geiger und Bratschisten launisch und höhnisch darauf reagieren.
In dem etwa 70-minütigen Konzert ohne Pause folgen nach jedem Stück des Programms kleine Pausen des Umbaus und der Desinfektion, in denen man dann das gerade Gehörte nachklingen lassen kann.
Berückend klingt dann darauf das gleichsam überirdisch schöne Andante des sogenannten „Werther-Quartetts“ von Johannes Brahms aus dem Klavierquartett c-Moll op.60, in dem der Komponist wohl die unglückliche, zurückliegende Liebesbeziehung zu Clara Schumann und den damit verbundenen Gefühlskonflikt zwischen der Liebe zu ihr und der Freundschaft zu ihrem Mann Robert Schumann verarbeitete.
Bravourös gelingt hier nicht nur die schwebende Interpretation, besonders transparent und präzise auch die Klavierbegleitung durch den usbekischen Pianisten Michail Lifits, der sich dann auch noch einmal in Shostakovichs herb-schöne und technisch ausgefeiltem Klavierquintett g-Moll op. 57 steigert und der jungen Geigerin Lara Boschkor, die bei Erik Schumann studiert, einen entsprechenden Auftritt verschafft.
Mal nachdenklich-melancholisch, mal tänzerisch steuert das Andante con moto der ursprünglich ukrainischen Dumka aus Antonín Dvoráks Klavierquintett Nr. 2, A-dur, op. 81, B 155 auf das fulminante dynamische Final-Presto von Felix Mendelssohn Bartholdys Oktett Es-Dur op 20. zu, das kunstvoll verflochten ist und bei dem alle acht Streicher zu ihrer je eigenen Stimme kommen und vereint beteiligt sind. Es beschwörte einen stürmischen Publikumsapplaus herauf, so dass man alles andere als traurig, sondern vielmehr voller Hoffnung für die jungen Nachwuchskräfte den Großen Saal und die Alte Oper wieder verlassen konnte…
→ https://www.kronbergacademy.de/kuenstler