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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Museum Wiesbaden ist „Schmetterlingen auf der Spur“

Eintauchen in die Welt der farbenprächtigen Falter und in Johann Brandstetters bezaubernde Bilderwelt

von Hans-Bernd Heier

Schmetterlinge sind die großen Sympathieträger unter den Insekten. Weltweit flattern über 160.000 verschiedene Arten durch die Lüfte. Aber auch sie werden seltener. Diesen farbenprächtigen, oft schillernden Faltern widmet das Landesmuseum Wiesbaden nun die vielseitige Sonderausstellung „Schmetterlingen auf der Spur“. Ergänzt wird die faszinierende Schau durch 50 exzellente Schmetterlingsstudien und Aquarelle des preisgekrönten Naturillustrators Johann Brandstetter.

Geflügelte Wesen zu Beginn der Ausstellung: eine heitere Einstimmung mit Origamifaltern aufs Thema; Foto: Petra Kammann

Mit über 500 verschiedenen Schmetterlingen bietet die Ausstellung einen spannenden Einblick in die Artenvielfalt der tag- und nachtaktiven Tiere. Zu bewundern sind einheimische wie auch prachtvolle exotische Exemplare aus der ganzen Welt – von den Taunuswiesen bis zum tropischen Regenwald. In einer beeindruckenden Regenwaldinszenierung können aufmerksame Besucherinnen und Besucher den größten heute lebenden Schmetterling, die „Weiße Hexe“, aufspüren. Zahlreiche Mitmach- und Mikroskopier-Stationen laden zu weiteren Entdeckungen ein.

Der Regenwald lädt zur Schmetterlingssuche ein (Teilansicht); Foto: Hans-Bernd Heier

Die anschaulich präsentierten Exemplare bieten einen höchst lehrreichen Einblick in die Vielfalt, das Leben und die Besonderheiten der Tag- und Nachtfalter. Besucher erfahren Wissenswertes und Erstaunliches aus ihrem Leben. So beispielsweise, dass Schmetterlinge sich durch ihre besonderen Flügelschuppen von fast allen anderen Insekten unterscheiden. Die Schuppen auf ihren Flügeln sind für die Muster und strahlenden Farben verantwortlich. Oder auch aus der Kulturgeschichte: Mystisches und Dämonisches sprach man ihnen im Mittelalter zu. Waren es nicht Hexen, die als Schmetterlinge getarnt über aufgestellte Rahmtöpfe flogen, um daran zu naschen? So kamen die Falter zu ihrem Namen. Im Englischen mit „Butterfly“ deutlich zu erkennen. Aber auch „Schmetten“, ein altes Wort für Rahm, belegt diesen Bezug.

Bei der Auswahl der Exponate konnten die Kurator*innen aus dem Vollen schöpfen. Denn insgesamt umfasst die Wiesbadener Schmetterlings-Kollektion weit mehr als 800.000 Exemplare. Darunter befinden sich in den Naturhistorischen Sammlungen des Landesmuseums über 400 Jahre alte Schmetterlingsexemplare, welche die weltberühmte Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian in ihren Büchern abgebildet hat. Als Maria Sibylla Merian 1647 auf die Welt kam, kümmerte sich kaum jemand um Krabbeltiere. „Sie galten als lästige Wesen des Teufels. Forschung im heutigen Sinne gab es kaum. Dank ihres großen Talents und ihre geduldigen Beobachtungsgaben gelang es Merian, bis dahin Unbekanntes hervorragend darzustellen und zu beschreiben. Und wir können nicht nur eines ihrer Werke präsentieren, sondern auch Schmetterlingspräparte zeigen, die sie in Südamerika studiert hat“, so Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen.

Meisterwerk der Präparier-Kunst: Stelldichein der Schmetterlinge an einer Wasserstelle; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Außerdem besitzt das Museum die große historische Sammlung Johann Christian Gernings, dessen breitgefächerte Kollektionen den Grundstock für das Hessische Landesmuseum für Kunst und Natur bilden. Wissenschaftlich bedeutend ist auch die Sammlung des Wiesbadener Arztes und Ehrenbürgers Arnold Pagenstecher.

Großmodell der Gabelschwanzraupe, eine der bizarrsten heimischen Nachtfalterraupen; Foto: Hans-Bernd Heier

Wie sich eine Raupe über ein Puppenstadium zum Schmetterling entwickelt, hat die Menschen seit jeher fasziniert, auch Maria Sibylla Merian. Heute weiß darüber jedes Kind Bescheid, das den Bestseller „Die kleine Raupe Nimmersatt“ con Eric Carle gelesen hat. Allerdings sind bis jetzt noch nicht alle Geheimnisse der Metamorphose, die von verschiedenen Hormonen ausgelöst werden, gelüftet.

Ein Highlight der Ausstellung sind die lebenden Raupen. Diese sind beim Fressen und beim Verpuppen zu beobachten. Kinder dürften ihre Freude an diesen kleinen „Fressmaschinen“ haben. Die Details einer Raupe sind an einem 18-mal vergrößerten naturgetreuen Modell zu entdecken. Dass auch das Puppenstadium seine ästhetischen Reize hat, zeigt dieses Modell, mit dem der Präparator Detlev Gregorczyk einen Weltmeistertitel der Präparationskunst erzielt hat. Ein eigener Sektor ist der Seidenraupe gewidmet.

Pressekonferenz in Corona-Zeiten; von links: Pressesprecherin Susanne Löffler; Direktor Dr. Andreas Henning und Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen; Foto: Hans-Bernd Heier

Bei der Raupe Nimmersatt dreht sich alles ums Futtern. Ganz anders sieht dies bei den Schmetterlingsfaltern aus. Für sie spielt Essen nur eine untergeordnete Rolle: Ihr Lebensziel heißt Fortpflanzung. Es gibt sogar Arten wie die „Pfauenspinner“ oder die „Glucken“, die ganz auf Futter verzichten und gar keine Mundwerkzeuge mehr ausbilden.

Info-Tafel im FFH-Naturschutzgebiet „Rabengrund“ mit der gefährdeten „Spanischen Flagge“; Foto: Hans-Bernd Heier

Die Ausstellung widmet sich ebenfalls der ökologischen Rolle der Schmetterlinge. So haben weit mehr als 100 einheimische Schmetterlingsarten ihr Leben auf Eichenbäume abgestellt, während die Kiefer nur acht Arten Nahrung bietet. Der Mensch im Umgang mit der Natur trägt die Verantwortung für die Vielfalt der Lebewesen. Der engagierte Schmetterlingsforscher Joseph Reichholf nimmt in einem Video zu diesem Thema Stellung. Die Ausstellung zeigt auch eindrucksvoll am Beispiel des Wiesbadener „Rabengrund“, mit welchen Naturschutzmaßnahmen Lebensräume für Schmetterlinge erhalten werden können. In diesem Zusammenhang thematisieren die Kuratoren auch die Ursachen für den Artenrückgang und die schwindende Häufigkeit der Schmetterlinge.

 

Johann Brandstetter „Monarchfalter“, Aquarell und Bleistift, 2017; © Johann Brandstetter

Über 50 Meisterzeichnungen und Aquarelle von Johann Brandstetter ergänzen die vielseitige Schau. Für das Museum sei es ein „Glücksfall, dass der preisgekrönte Illustrator und Künstler Johann Brandstetter unseren Vorschlag, seine Schmetterlingsaquarelle zusammen mit unseren Sammlungen zu zeigen, so positiv aufgenommen hat“, schwärmt Kurator Geller-Grimm. Brandstetters herrliche Werke lassen den Betrachter die faszinierende Lebenswelt der Schmetterlinge miterleben. „Typische Merkmale meiner Bilder sind unter anderem der Reichtum an Details und der feine Strich, den ich für meine Arbeiten verwende“, erklärt der Künstler.

Johann Brandstetter „Lebensraum Hochmoor“, 2019, Aquarell auf handgetriebenem Natur-Papier; © Johann Brandstetter

Seit seiner frühesten Jugend hat Johann Brandstetter (*1959) sich für Schmetterlinge begeistert. Der ganz in der Tradition Maria Sibylla Merians arbeitende Illustrator beobachtet die Falter wie ein Forscher und hält Formen, Farben und ihre Lebensweise in seinen bezaubernden Arbeiten fest. Über 200 Natur-, Sach- und Kinderbücher hat er illustriert. Zu seinen freien Arbeiten sagt er: „Die Bilder entstehen meist auf Reisen, die ich sehr genau dokumentiere und fotografiere. Diese Natur-Bilder bringen meine Freiheit in der Illustration zum Ausdruck. Ich möchte dem Kunstinteressierten die überraschenden Zusammenhänge in der Natur erläutern, wie auch dem naturverbundenen Betrachter einen Einblick in die künstlerische Sichtweise vermitteln“.

Der in Neuötting lebende Künstler absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Restaurator, bevor er sich der freien Malerei und der Illustration zuwandte. Nach Studienreisen (u.a. Asien, Afrika und Lateinamerika) und theoretischer Beschäftigung auf naturwissenschaftlichem Gebiet – insbesondere der Biologie – spezialisierte sich Brandstetter zunehmend und zuletzt ausschließlich auf Natur-Themen. Seine Arbeiten werden regelmäßig international prämiert. Seit 2014 zählt er zu den 200 weltbesten Illustratoren, die jedes Jahr von der Fachzeitschrift „Lürzers Archive“ ausgelobt werden. Sogar ein Schmetterling wurde nach ihm benannt: der „Mormogystia brandstetteri“.

Johann Brandstetter „Schemetterlinge aus der Familie der Bärenfalter, Aquarell auf handgetriebenem Natur-Papier; © Johann Brandstetter

Auch viele andere Maler haben sich von dem Farb- und Formenreichtum der Falter inspirieren lassen, so beispielsweise Carl Spitzweg, dessen „Schmetterlingsfänger“ in der Sammlung alter Meister des Landesmuseums die Betrachter erfreut. Die Farbenpracht, der verspielt wirkende Flügelschlag und die Metamorphose der Falter haben auch Dichter und Literaten beeindruckt, zum Beispiel den deutschen Schriftsteller Joachim Ringelnatz (1883-1934), dessen Schmetterlingsgedicht besonders gut zu der Thematik der Schau passt:

„Jene brasilianischen Schmetterlinge
Wie schön ihr angezogen seid!
Simpelfarbig ist unsere Menschenhaut
Und hat noch Hitzpickel am Gesicht.
Aber ich denke das ohne Neid.
Ihr renommiert wahrscheinlich auch nicht
Mit euren sonnenmetallischen Flügeln.
Sie sind euer einziges Kleid.
Ihr braucht es niemals zu bügeln.
Und wenn ich es täte, dann ginge
Es sicher entzwei.

Und euer Leben, ihr Schmetterlinge,
Huscht sowieso wie ein Sternschnupp vorbei.
Drum seid ihr Ochsen, wenn ihr’s nicht geniesst.
Dauernd saufen, naschen, geschlechtlich paktieren!
Derart keine Zehntelsekunde verlieren!
Bis euch der deutsche Professor aufspiesst.“

Joachim Ringelnatz

„Schmetterlingen auf der Spur“ bis zum 31. Januar 2021 im Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur; weitere Informationen unter: www.museum-wiesbaden.de und www.johann-brandstetter.com

Dank der Kulanz der Leihgeber konnte die Museumsleitung eine Verlängerung der beiden großartigen Sonderausstellungen erreichen: „Lebensmenschen – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin“ bis zum 23. August und „Ludwig Knaus – Homecoming“ bis zum 15. November.

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