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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Vergessen – warum wir nicht alles erinnern“. Eine facettenreiche Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt

Der lange Schatten des Vergessens und der Strudel der Erinnerung

Von Petra Kammann

Kann man sich vornehmen, etwas zu vergessen oder zu behalten? Wie speichern wir die Erinnerung?  Wie wichtig sind Gefühle, wenn es um das Erinnern und um das Vergessen geht? Ist Vergessen krankhaft? Gibt es auch ein Vergessen, das für den Menschen gut und notwendig ist? Was ist der Unterschied zwischen Verdrängen und Vergessen? Dies sind nur einige der so vielfältig wie interdisziplinär angelegten Aspekte der Frankfurter Ausstellung, die das Spektrum von der Angst vor dem Vergessen über die Leugnung und Verdrängung der Vergangenheit bis hin zum Nicht-Vergessen-Können aufzeigt. Und das Museum selbst spielt dabei auch eine Rolle…

„Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“?, Foto: Petra Kammann

Das Parkett am Eingang ist glatt. Man tritt zwangsläufig auf Sprüche und alltägliche Redewendungen verschiedener Sprachen, um in die Ausstellung „Vergessen – warum wir nicht alles erinnern“ zu gelangen. „Aus den Augen aus dem Sinn“ heißt es da harmlos im Deutschen oder „Die Zeit heilt alle Wunden“, ganz im Sinne des noch banaler und harmonisierender klingenden „Alles wird gut!“ Da nimmt sich die französische Wendung „J’ai un trou de mémoire“ schon dramatischer aus. Attention! Meine Erinnerung hat ein (brutales) Loch (oder einen weißen Fleck?), während der englische Spruch „There is no use crying over spilt milk“ geradezu auf das aktuelle Brexittheater zugeschnitten sein könnte, wenn es da heißt, es bringe nun mal nichts, über verschüttete Milch zu jammern. Solche und ähnliche Sentenzen verfolgen uns nicht nur auf Schritt und Tritt, sie begleiten unsere Überlegungen im Hinterkopf, wenn wir durch die Ausstellung schlendern, staunen, uns überraschen und auch irritieren lassen. So vielgesichtig wie komplex ist das Thema des Vergessens und Erinnerns.

Sind wir beim Innehalten vor bestimmten Objekten nicht auch versucht, uns selbst immer wieder auf die Schliche kommen zu wollen, würden wir doch nur herausfinden, wie denn letztlich unser eigenes Gehirn funktioniert, oder besser: wie es funktionieren möge… Nicht alles, was in unserem Leben passiert, bleibt im Gedächtnis bestehen. Warum vergessen wir Dinge, Situationen oder Menschen, die für andere Menschen doch von so immenser Bedeutung sind? Verdrängen wir deren Gegenwart oder wollen wir deren Existenz am Ende damit ungeschehen machen? Sind wir damit ein Fall für den Psychoanlytiker? Oder gibt es dazu auch andere Erklärungen? Wir müssen nun mal selektieren, um wahrnehmen und überleben zu können, was in der Ausstellung auch nicht bestritten wird. Aber kennen wir nicht auch die Bilder aus Diktaturen, in denen es ein beliebtes Spiel ist, unliebsame Personen aus Fotos zu retuschieren und die Köpfe von Skulpturen und Denkmälern abzuschlagen. Lässt sich mit solchen Aktionen die Vergangenheit ungeschehen machen?

Die Macht der Fotografie und ihrer Vervielfältigung, rechts Kurator Kurt Wettengl, Foto: Petra Kammann

„Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“, sagte der dadaistische Avantgarde-Künstler Francis Picabia zu Anfang des letzten Jahrhunderts. Also drehen wir uns und umkreisen auf rund 900 Quadratmetern die verschiedenen Schichten und Niveaus der Ausstellung mit ihren 400 Exponaten und Kunstwerken von über 50 Leihgebern aus der ganzen Welt und picken uns ein paar Dinge heraus.

Da werden nicht nur die vielfältigen Formen individuellen und kollektiven Vergessens aus der ganzen Welt durchleuchtet. Da werden zwischen der Kunst und den Erkenntnissen aus Sozialwissenschaft, Kulturgeschichte, Neurowissenschaft und Psychoanalyse auch Brücken gebaut wie Synapsen, über die man sich dem äußerst aktuellen Thema aus unterschiedlichen Perspektiven nähern, sich rühren und sich einbinden lassen kann. Aufbereitet ist das Thema mit insgesamt acht verschiedenen Themeninseln, die sich thematisch mitunter teils berühren, teils überlagern.

Was, wann, wie, von wem, wozu und warum wird etwas oder soll etwas vergessen werden, lauten die zentralen Fragen der Schau, wobei auch die Bedeutung eines historischen Museums selbst thematisiert wird. Was verschwindet im Archiv, wo dann nur noch unreflektiert die banale Weisheit „Aus den Augen aus dem Sinn“ greift. Was wollen und müssen wir aufbewahren, welche kulturellen Techniken des Erinnerns gibt es, um uns an Vergangenes zu erinnern? Da müssen wir uns in der Ausstellung dieser Frage stellen, wenn wir zum Beispiel in die begehbare „Black Box“, die Mark Dion eigens für die Schau angelegt hat, begeben und im Dunkeln mit Hilfe einer Taschenlampe die Archiv-Gegenstände erkunden, die seit Jahren ein trauriges Schicksal im Archiv fristen, weil sie nicht mehr zugeordnet werden können.

Hier hat offenbar das kollektive Gedächtnis aufgehört zu funktionieren. Sind aber darum die z.T. wichtigen handwerklichen oder medialen Erfahrungen, die in den Gegenständen stecken, auch überflüssig? Sollen zum Beispiel die liebevoll gestalteten Porträtbüsten des 19. Jahrhunderts, von denen wir die Namen der Porträtierten wir nicht mehr kennen, deshalb nun in den Müllcontainer wandern? Vielleicht können auch sie als Spolien in einer nüchternen urbanen Welt taugen. Und was machen wir mit all den Gegenständen, die tagtäglich in einer Überzahl produziert werden, wie zum Beispiel die unendliche Menge an Handyfotos?

Die Britische Fliegerbombe HC 4000, die 2017 am Fundort Campus Westend entschärft wurde und derentwegen ein gesamtes Quartier evakuiert werden musste, Foto: Petra Kammann

Mal wird uns in der Schau die Erinnerung in Gestalt einer gewaltig tickenden Bombe vor Augen geführt – die britische Fliegerbombe wurde erst am 3. September 2017 im Frankfurter Westend entschärft, was zu einer der größten Evakuierungen der Nachkriegszeit führte –; mal ist der „rote Faden“ eher zart, wenn wir uns etwa die feinen frühen wissenschaftlichen Zeichnungen der Ganglien aus dem letzten Jahrhundert anschauen, und an anderer Stelle wiederum lassen uns die eindrucksvollen „Dokumente“ zur gesellschaftlichen Verarbeitung von mit Kriegen verbundenen Massenmorden und Kriegsverbrechen nicht mehr los wie in der visuellen Audio-Installation „Redepausen“ der finnischen Künstlerin Sigrid Sigurdsson, welche die Bedeutung des Schweigens im Auschwitzprozess optisch und akustisch wahrnehmbar macht.

Dafür hat sie Audio-Mitschnitte des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses zwischen 1963 bis 1965 ausgewertet und die Mitschnitte der Zeugen, Angeklagten, Plädoyers und Feststellungen des Gerichts technisch bearbeitet. Die Idee zu ihrem Projekt kam ihr, als sie gemeinsam mit Ida Stein-Feinberg einen Tag lang den Prozess von der Zuschauerbank aus live miterlebt hat. Da wurde sie der Pausen zwischen den gesprochenen Worten gewahr. Dabei hatte sie den Eindruck gewonnen, dass sich der Nachklang im Raum mit der Verfassung der Person und dem Inhalt des Ausgesagten aufgeladen hatte, und gelangte zur Überzeugung, dass er etwas enthielt, was angesichts des vorangegangenen Grauens damals nicht formuliert werden konnte.

Ein weiteres Beispiel ist eine Installation des französischen Künstlers Christian Boltanski, der sich immer aufs Neue mit dem „Verschwinden“ befasst, weil er durch den Holocaust geprägt ist: „Das Archiv. Diese Kinder suchen ihre Eltern“. Auf den  übereinander gestapelten Pappschachteln sind aufgeklebte Fotos von Kindern zu sehen, die 1946/1947 auf den Suchplakaten des Roten Kreuzes abgebildet waren. Die in den Trümmer herumirrenden Kinder suchten damals verzweifelt ihre Eltern. Oft kannten sie ihre eigenen Namen nicht einmal. „Namenloses Findelkind“ heißt es häufig in der Beschreibung…

An anderer Stelle wiederum entdeckt man unter dem Thema „Die Vergangenheit verleugnen“, das sich auf das Verdrängen der Schuld an den Gräueltaten und der eigenen Beteiligung am Nationalsozialismus im Deutschland der 1950er und 1960er Jahre bezieht, ein Hitler-Bild von Johann Vicent Cissarz (1872 – 1942) aus dem Jahre 1940, das bis 1945 im Römer hing, dann 1945 überpinselt und 1965 dem Museum übergeben wurde. Bis heute ist unklar, wer das Bild übermalt hat. Kaum einer wollte damals an die alten Symbole und Gesichter erinnert werden.

Hörstation für ein Interview mit dem Psychotherapeuten Kurt Grünberg, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sigmund-Freud-Institut ist, Foto: Petra Kammann

22 Künstler und Künstlerinnen insgesamt untersuchen in ihren Arbeiten dynamische Prozesse, unterschiedliche Arten sowie Bedingungen und Funktionen des Vergessens und Erinnerns. Jochen Gerz weist in einer Foto-Text-Arbeit auf Widersprüche zwischen eigener Erinnerung und fotografischer Abbildung des Erlebten hin, während Christian Boltanski, Tacita Dean und Hans-Peter Feldmann mit gefundenen Fotografien ihnen unbekannter Menschen neue Alben angelegt haben.

Bei der Themeninsel „Nicht vergessen können“ geht es um szenisches Erinnern mit Holocaust-Überlebenden, um die erlebten Traumata, die sich auch in sozialen Beziehungen niederschlagen und sich auf nachfolgende Generationen übertragen, zu bewältigen. Als besonders schwierig gestaltet sich dies, wenn die Betroffenen die Ereignisse nicht selbst ansprechen. Der Psychoanalytiker Kurt Grünberg erforscht die psychosozialen Spätfolgen der nationalsozialistischen Judenvernichtung in seinem Forschungsprojekt „Szenisches Erinnern der Shoah“ des Sigmund-Freud-Instituts, an dem er gemeinsam mit anderen arbeitet. Dabei stehen vor allem die daran beteiligten psychischen Prozesse auch der nachfolgenden Generation im Vordergrund.

In einem weiteren filmischen Doppelporträt singen albanische Erwachsene, die ein Kleinkind im westlichen Exil filmisch begleiten, als singende Gruppe dasselbe Volkslied wie das lernende Kind und sprechen auf diese Weise dem ebenfalls gefilmten und ihnen gegenübergestellten Kind Mut zu. Wie anrührend, wenn sie den Faden zur zurückgelassenen Heimat nicht abreißen lassen wollen und auf diese Weise aufnehmen! Auch andere zeitgenössischen Kunstwerke sind sehr überzeugend wie die beiden Gemälde „Collage of Spaces“ des russischen Künstlers Ilya Kabakov aus dem Jahre 2010, der die Geschichte der Sowjetunion als Fake-Collage malt, in dem er Motive wie herausgerissene Bilder aus einem Fotoalbum als Komposition zusammenfügt und in die Privatsphäre einer Plattenbausiedlung verlagert. Da hängt auf dem im re-konstruierten Wohnzimmer noch ein Teil eines Stalin-Porträts etwas windschief an der Wand.

Porträt des jüdischen Frankfurter Nervenarztes Ludwig Edinger, 1909, von Lovis Corinth (1858 – 1925), Öl auf Leinwand HMF, Foto: Petra Kammann.

Das Vergessen wurde bereits im 19. Jahrhundert zu einem wichtigen und intensiven Forschungsthema. Der Frankfurter jüdische Nervenarzt Ludwig Edinger (1855 – 1918) war einer der ersten, der davon überzeugt war, dass die Grundlage des menschlichen Bewussteins in seinem Gehirn lag. Edingers neuroanatomische und physiologische Verhaltensstudien begann er mit einfachsten Wirbeltieren und arbeitete sich entlang der evolutionär aufsteigenden Reihe der Tiere empor.

Wie Vergessen und Erinnern im Menschen bzw. in unserem Gehirn funktionieren, interessierte auch den in Frankfurt praktizierenden Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer, der dann erstmals zu Anfang des 20. Jahrhunderts die nach ihm benannte Alzheimer-Krankheit Demenz beschrieb. Er wies als angenommene Ursache der Hirnerkrankung Proteinablagerungen und Neurofibrillen 1906 im Gehirn von Auguste Deter (1850 – 1906) nach, deren Krankenakte ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wird. Zusätzlich zeigen Instrumente und Modelle diese Ursprünge bis hin zur heutigen Vergessensforschung.

Demenz ist die Hölle. Die „Angst vor dem Vergessen“ ist zu Beginn der schleichenden Krankheit, die uns als alternde Gesellschaft zunehmend betrifft, besonders groß. Eine Vitrine ist innerhalb dieses Themenkreises auch Medikamenten wie zum Beispiel Nootropil gewidmet, die zunächst einmal die Stimmung des Patienten aufhellen sollten –, damit man dann die Krankheit überhaupt ergründen kann.

Objete des „Reminiszenzprojekts“, Foto: Petra Kammann

In diesem Teil der Ausstellung werden aber auch Strategien wie psycho-soziale Behandlungskonzepte entwickelt, die gegen die schleichende Demenz wirken und die Persönlichkeit demenziell veränderter Menschen ins Zentrum stellen. Roboter Paro, der das Aussehen eines weißen Kuscheltieres hat, reagiert auf Ansprache, auf Berührungen, auf Lichteinflüsse und er kann außerdem auch noch Gefühle im Menschen wecken. Daher kann er auch bestens als Hilfsmittel für therapeutische Zwecke bei Menschen mit Demenz eingesetzt werden. Da bei den Betroffenen die Emotionen am längsten erhalten bleiben, ist die Verlässlichkeit der „Zuwendung“ qua unmittelbarer Reaktion, welche Menschen aus dem Umfeld des Kranken nicht ständig leisten können, besonders erfolgversprechend.

Auch Gegenstände des Alltags können dabei helfen, die Kommunikation zwischen Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu unterstützen. In dem Pilotprojekt „Reminiszenzprojekt“ hat das Historische Museum zusammen mit dem Bürgerinstitut Frankfurt für diese Ausstellung Menschen mit leichter Demenz in die Vorbereitung zur Ausstellung mit einbezogen und in kleinen Gruppen zusammengebracht. Sie sollten anhand von Alltagsgegenständen des 20. Jahrhunderts aus der hauseigenen Sammlung ihre eigene Geschichten entwickeln und erzählen. Ein zweifellos hilfreiches Training, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.

Das „Generationen-Gedächtnis“ kann sich auch in Stickern auf einer Tür ausdrücken, Foto: Petra Kammann

Ohnehin haben wir ja kulturelle Techniken entwickelt, die Ereignisse festzuschreiben, damit wir auf Erlebtes oder noch zu Erledigendes Zugriff haben. Das kann ebenso gut eine Einkaufsliste oder ein aufgekritzeltes Merkzettelchen sein oder auch Fetischgegenstände festigen die emotionale Bindung an eine abwesende Person – man denke nur an die in der Romantik so beliebte abgeschnittene Locke für die oder den Allerliebste(n).

Zu guter Letzt müssen wir uns nochmal die Fragen stellen, was wollen wir für die Zukunft aufbewahren und was kann weg? Was möchten wir vergessen? Wir müssen diese Fragen in der durch Digitalisierung sich ständig beschleunigenden Welt, in der die Speicherkapazitäten ins schier Unendliche anwachsen, immer wieder neu beantworten. Diese Fragen werden uns auch in Zukunft, die ohne Vergangenheit nicht zu denken ist, weiterhin begleiten, sei es als Individuum wie auch als Gesellschaft im Ganzen. Vergessen ist viel mehr als das Versagen der Erinnerung; es funktioniert als notwendiger Filter des Gedächtnisses. Die Frage nach den Parametern bleibt uns dabei allerdings nicht erspart.

Dabei vergessen wir ständig, ohne es zu bemerken. Vergessen ist und scheint normal. Wir alle tun es. Es gibt individuell und gesellschaftlich viele Gründe, weshalb wir vergessen, verdrängen, vergessen wollen, auch wenn wir uns dazu ermahnen, nicht zu vergessen. Es geschieht lautlos und unspektakulär. Daneben besteht die extrem traumatische Erfahrung, die bewirkt, dass wir einfach nicht vergessen können. Erinnern – wie im Falle der Jill Price, die sich an jeden Tag ihres Lebens erinnert, ist dagegen eher die Ausnahme. Meist ist das Erinnern mit großer Anstrengung und der Disziplin sorgfältigen Dokumentierens verbunden. Ohne die Erinnerung wären wir jedoch nur die „Ziege am Pflock des Augenblicks“, wie Nietzsche es in „Unzeitgemäße Betrachtung vom Nutzen und Nachteil der Historie“ formulierte. „Es ist die Schwäche des Gedächtnisses, die den Menschen Stärke verleiht“, sagte Bertolt Brecht. Eine Stärke, die uns wiederum erst Zukunftsaussichten eröffnet.

Behälter zur Aufbewahrung fotografisch archivierter Dokumente mit hohem kulturhistorischen Wert © Bundesamt für Bevölkerungsschutz

Die so klug in sich vernetzte Ausstellung führt uns die Komplexität dieses Phänomens auf bemerkenswerte Weise vor Augen und macht sie uns bewusst. Sie bewahrt uns nicht zuletzt vor vorschnellen Urteilen und motiviert uns, dem Erinnern Raum zu geben, was nicht zuletzt die eigene Identität festigt. Und schließlich gibt es auch rein technisch die Möglichkeit, einen Teil der Vergangenheit mit in die Zukunft hinüber zu retten. Seit 1975 lagert die Bundesrepublik nämlich die Kopien der wichtigsten Dokumente deutscher Geschichte, wie etwa die Pläne des Kölner Doms oder die Originalfassung des Grundgesetzes im Barbarastollen im Schwarzwald. Die Daten solch wichtiger Informationen sind auf 30 Millionen Meter Mikrofilm gespeichert. Allein das übersteigt die menschliche Vorstellungskraft. Angeblich soll diese Technik 500 Jahre überdauern können. Ob uns das trösten kann, dass unser heutiges Wissen noch in Generationen verfügbar sein wird?

In den Räumen des Historischen Museums aber können wir derzeit erst einmal ein paar roten Fäden der verschiedenen Geschichte(n) aufnehmen, und indem wir beim Gang durch die Ausstellung jeweils neue Wege ausprobieren und dabei genau hinschauen, um dann das Geflecht von Lebensgeschichten immer wieder neu aufdzuröseln.

Zusatzinfos

„Vergessen – warum wir nicht alles erinnern „- Die Ausstellung geht bis zum 14. Juli 2019, Historisches Museum, Saalhof 1, Frankfurt.

Das Begleitbuch von Jasmin Alley und Kurt Wettengl (als  Band 37 der Schriften des Historischen Museums Frankfurt, hg. von Jan Gerchow) mit Beiträgen von Autoren unterschiedlicher Disziplinen aus den Bereichen Geschichte, Neurowissenschaften, Psychoanalyse und zeitgenössische Kunst, u. a. von Christine Abbt, Aleida Assmann, Astrid Erll, Kurt Grünberg, Ulrike Jureit, Vera King, Jan Lohl, Sharon Macdonald, Hannah Monyer, Bettina Rudhof, Heinz Weiß, hat 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Michael Imhof Verlag, 2019, kostet 30,- €.

Öffentliche Tagung „Dynamiken des Erinnerns und Vergessens“ am 23. und 24. Mai 2019

Die Tagung des Historischen Museum Frankfurt in Kooperation mit dem Sigmund Freud-Institut Frankfurt vertieft die Themenfelder Gedächtnis – Biografie – Identität, kultureller Wandel von Erinnern und Vergessen, Vergessen als Verdrängen des Vergangenen und Trauma im Dialog der Expert*innen. Vorträge von 30 Minuten und moderierte Gespräche wechseln sich ab. Mit: Christine Abbt, Aleida Assmann, Verena Boos, Astrid Erll, Jenny Erpenbeck, Jochen Gerz, Jan Gerchow, Tilmann Habermas, Vera King, Ilany Kogan, Patrick Meurs, Hannah Monyer, Heinz Weiß, Moderation: Insa Wilke, Konzeption: Jasmin Alley, Kurt Wettengl

Wo? Historisches Museum Frankfurt, Leopold Sonnemann-Saal

Anmeldungen bis zum 15. Mai unter: david.barth@stadt-frankfurt.de

Teilnahmegebühr: 80 € / 40 € inklusive Lunch und Kaffeepausen vor Ort an der Museumskasse

http://www.historisches-museum-frankfurt.de

 

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