home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Wiederentdeckt: Der Künstler Erich Franke im Kunstraum Bernusstraße

Erich Franke (1911-2008) – Zeitwende

Theater und Malerei im Strudel geschichtlicher Wenden

Von Petra Kammann

Erich Franke entwickelte unter dem Einfluss der Kunstströmungen der 1920er und 30er Jahre schon früh abstrakte Arbeiten unterschiedlichster Techniken. Das vielfältige Werk des über sieben Jahrzehnte schaffenden Künstlers entfaltete sich vor dem Hintergrund der historischen Phasen und ihrer Wenden. Dem Einfluss modern denkender Lehrer sowie der weltoffenen und künstlerischen Prägung durch seine Familie und Wegbegleiter ist es wohl zu verdanken, dass Erich Franke die abgeschnittenen künstlerischen Fäden wieder aufnehmen konnte. Der mit dem verstorbenen Künstler befreundete Wegbegleiter Thilo Herrmann, der seinen Nachlass verwaltet, präsentiert eine Auswahl der Arbeiten im Kunstraum Bernusstraße.

Experimentelles Bild von Erich Franke: Siegellack mit Draht auf Farbe. Dieses Werk wurde wohl parallel zu Henzes Uraufführung 1949 in Heidelberg gezeigt; © Thilo Herrmann

Erich Franke, Jocco, 1973, Tempera, © Thilo Herrmann

In den ersten Nachkriegsjahren nach der NS-Diktatur war in allen Bereichen der Kunst die Sehnsucht groß, eine Menge nachzuholen. Musiker, Schriftsteller und bildende Künstler waren begierig, die im Dritten Reich verschlossene künstlerische Welt der Avantgarde zu erkunden, die Kunst, die in der NS-Zeit als „entartet“ galt… Die Schriftsteller experimentierten mit der Sprache, die Künstler des Informel mit Farbe und Alltagsmaterialien, die Musiker mit dem Klangmaterial wie zum Beispiel der auch in Frankfurt verankerte Komponist Paul Hindemith. Entscheidende bildnerische Einflüsse nahmen die Künstler der Zimmergalerie Franck der mit der Quadriga-Gruppe um Karl Otto Götz in Frankfurt. Sie, die „neu-expressionistischen“ Informel-Künstler, hatten erheblichen Anteil daran, dass es der deutschen Kunst nach 1945 wieder gelang, Anschluss an die internationale Kunstentwicklung zu finden.

1949 wurde der vielseitig begabte Künstler Erich Franke vom Avantgarde-Komponisten Hans-Werner Henze, mit dem Franke befreundet war, nach Heidelberg eingeladen, wo Henze neben seinem Lehrer, dem Komponisten und Gründer der Heidelberger „Musica viva“ Wolfgang Fortner, seine Nachkriegsuraufführung erlebte, die ein großer Erfolg wurde. Die Feuilletons jubelten: Heidelberg wurde schon bald zu einer führenden Musikstadt im Dienste der Musica viva. Parallel zur Uraufführung der Werke von Henze wurde die erste Ausstellung Erich Frankes mit dessen abstrakten Werken eröffnet.

Erich Frankes „Figurinen 1 und 2“ um 1930 (Aquarell auf Pergament) waren von den Ballets russes beeinflusst, ©Thilo Herrmann

Franke hatte mehrere Brüche in seinem Leben zu verkraften, war er doch zu Ende des Krieges noch eingezogen und 1946 erst wieder aus der sowjetischen Gefangenschaft entlassen worden. Frankes Atelier in Wiesbaden war 1944 bei einem Bombenangriff komplett zerstört worden, so dass leider ein Großteil seines malerischen Frühwerks sowie etliche seiner besonderen Bühnenbilder und Kostümentwürfe auf Nimmerwiedersehen verschwunden waren. Aber der Einfluss der Kunstströmungen der Zwanziger- und Dreißigerjahre blieb für ihn prägend. Und für Franke trugen die daher bekommenen Prägungen wohl zur Motivation bei, auch nach dem Krieg mit der abstrakten experimentellen Malerei weiterzumachen.

Wenige Blätter aus den Dreißigern sind noch erhalten wie Erich Frankes Kostümentwürfe für den Wiesbadener Presseball, Foto: Petra Kammann

Der in Offenbach geborene Franke, der einer Schauspieler- und Künstlerfamilie entstammte, wuchs in Wiesbaden auf. Viele Künstler der 1920er und 1930er Jahre verkehrten in seinem Elternhaus wie zum Beispiel der russische expressionistische Künstler Alexej von Jawlensky, der von 1921 an in Wiesbaden lebte. Bei den Treffen wurde nicht nur viel musiziert und rezitiert, sondern auch rege über Malerei und andere kulturelle Zusammenhänge diskutiert.

Erich Franke hielt aber auch stetig den Kontakt zu seinem Großvater in Offenbach, zu dem er eine enge Beziehung hatte, zumal er seinen Vater schon früh verloren hatte. Der Großvater war nicht nur Hofschauspieler im berühmten Meininger Theater gewesen, er hatte auch Theaterstücke verfasst. Das hat Franke zweifellos in der Wahl seiner Ausbildung beeinflusst.

Schon am Gymnasium in Wiesbaden waren die ersten abstrakten Collagen von Erich Franke entstanden, mit denen er sich später für die Ausbildung an der dortigen Kunstgewerbeschule bewarb. Da die Kunstgewerbeschule praktisch ausgerichtet war, konnte er hier neben der Malerei die Fächer Innenarchitektur, Werbegrafik und Mode belegen. Und es entstanden Kostümentwürfe und Modezeichnungen, die denen der Bauhauskünstler in nichts nachstanden.

Ab 1930 nahm Franke sein Studium dann an der Kunstakademie in Wiesbaden bei Otto Fischer-Trachau auf, der 1927 in Leipzig schon die bemerkenswerte Art-Déco-Pfeilerhalle des Grassi-Museums kühn in Gold Rot und Blau gestaltet hatte, die nach einer umfangreichen Restaurierung erst 2010 wieder in den Urzustand zurückversetzt worden ist. Er lehrte in Wiesbaden von 1927 bis 1934. Die Professur wurde ihm jedoch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entzogen, so dass er nach Hamburg zurückkehrte, wo er sich in der Hamburgischen Sezession engagierte. Fischer-Trachaus Einfluss auf Franke war beträchtlich, sowohl was die Auffassung einer ganz persönlichen Farbgestaltung betrifft, als auch seine geradezu expressionistisch- tektonische Raumauffassung. So hatte Franke sich in Wiesbaden schon früh mit der „Moderne“ beschäftigt und abstrakte Arbeiten geschaffen.

Der Sammler Thilo Herrmann hat auch eine Mappe mit Entwürfen zu den Bühnenbildern aus den 30er Jahren mitgebracht, Foto: Petra Kammann

Bühnenbild-Entwürfe © Thilo Herrmann, Foto: Petra Kammann

Im Jahr 1934 hatte Franke dann eine Ausbildung zum Bühnen- und Kostümbildner am Staatstheater in Wiesbaden begonnen und anschließend in Wiesbaden ein Atelier einrichtet. Der modernistische Bühnenbildner Lothar Schenck von Trapp machte Franke später zu seinem Assistenten. 1939 wurde Franke daraufhin als Bühnenbildner in Heidelberg engagiert. Das Atelier in Wiesbaden behielt er bei; in dieser Zeit entstanden weitere Entwürfe für die Inszenierungen in Heidelberg.

Bei einem Bombenangriff auf Wiesbaden 1944 wurde dann – wie schon erwähnt – das Atelier zerstört, wobei ein Großteil seines malerischen Frühwerks und seiner Inszenierungen verloren ging. Bis zur Schließung der Theater pendelte Franke weiter zwischen Heidelberg und Offenbach am Main, wo er inzwischen ein Atelier hatte und ein Teil seiner neuen Entwürfe entstand. Ein Jahr später allerdings wurde er zum Kriegsdienst eingezogen…

Obwohl Franke sich eigentlich der Malerei verschrieben hatte, nahm er nach dem Krieg auch seine Tätigkeit als Bühnenbildner wieder auf. So entstanden mehrere hundert Kostümentwürfe und Bühnenbilder für  insgesamt über 200 Inszenierungen, die  u.a. an den Theatern in Karlsruhe, Baden-Baden, Mannheim, Heidelberg und Bruchsal stattfanden. Da jedoch seine ganze Leidenschaft der Malerei galt, nahm Franke 1954 das Studium der Malerei noch einmal auf. Er wurde in die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe aufgenommen und konnte nochmals neu an der „Moderne“ anknüpfen, indem er bei den Vertreter der Künstlergruppe Der Kreis in Karlsruhe bei Karl Hubbuch und Otto Laible studierte, die beide als „entartet“ gegolten hatten.

Erich Franke, Salamina Towerclub, 1975, Gouache/Tusche © Thilo Herrmann

So konnte Franke seine künstlerische Tätigkeit mit abstrakten Nachkriegsbildern, Collagen und Frottagen wieder „frei“ aufnehmen, um mit Alltagsmaterialien aller Art, die er in seine Bilder einbaute, zu experimentieren, gleich ob Werbegrafiken, Zeitungsausschnitte oder Zitronen- und Orangennetze, die er besprayt als Netzstruktur in seine Gemälde mit einbezog, so dass vielschichtige größtenteils dreidimensionale Gemälde entstanden. Paten haben da vielleicht auch die frühen Stillleben des französischen Kubisten Georges Braque gestanden.

Als er schließlich 1958 heiratete, gab er endgültig seine Tätigkeit als Bühnen- und Kostümbildner auf, zog nach Uelzen um und konnte nun endlich als freischaffender Künstler arbeiten. Dort wurde er zudem Mitglied des „Priessecker Kreis“. Verschiedene Einzel- und Gruppenausstellungen im norddeutschen Raum folgten, u.a. in Hamburg und Hannover.

Erich Franke, „Grenze“, 1964, Tusche und Rohrfeder, © Thilo Herrmann

Als er 50 wurde, war gerade die Mauer gebaut worden. Dieses schockierende Erlebnis sollte ihn dann nachhaltig beeinflussen. Von der Farbe, mit er äußerst frei umging, wechselte er nun zu einer Reihe von schwarz-weißen Bildern, die sich mit dem Thema der (innerdeutschen) Grenze als auch mit dem Zonenrandgebiet beschäftigten. Im Jahr 1963 gründete er die Gruppe „G“, eine Vereinigung von Künstlern, Maler, Bildhauer und Schriftsteller, darunter der Bildhauer Waldemar Nottbohm, der Maler Emil Kritzky und die Schriftsteller und Lyriker Walter Brockmann und Klaus Bertelsmann. Sie hatten sich vorgenommen, sich bewusst auch künstlerisch mit der Errichtung der Mauer und der Teilung Deutschlands auseinanderzusetzen.

Ein weiteres einschneidendes Erlebnis wurde für Franke eine Reise nach  Zypern im Jahr 1972, wo er – schon sensibilisiert durch die deutsche Trennung – auch hier die Teilung des Landes miterlebte und in seinen Bildern verarbeitete. Aus diesen Eindrücken heraus entstand der Zyklus der Zypernbilder, wo er zum Beispiel nach einem Foto aus der FAZ die Schichten und die Struktur der Gräberfelder abstrahiert kreisförmig malt und ihre magischen Lichtfelder wiedergibt.

Erich Franke, Khirokita Mauern im Licht, 1974, Aquarell, Tusche © Thilo Herrmann

Im Jahr 1981 zog er nach Bielefeld um und richtete dort ein neues Atelier ein, weil seine Frau Anneliese in der Nähe eine Gartenbauschule betreute. Im Jahr 1982 schuf er seinen letzten Bühnenbildentwurf für Udo Zimmermann, den langjährigen Leiter der „musica viva“-Reihe des Bayerischen Rundfunks, für dessen Oper „Die wundersame Schusterfrau“ nach dem gleichnamigen Bühnenwerk von Federico García Lorca.

Die in Wiesbaden lebende Galeristin und Ehrenbürgerin Christa Moering veranstaltete 1983 eine Ausstellung mit Werken des Malers Heinz Nassner, der ein Freund von Erich Franke war. Bei der Vernissage, zu der Erich Franke eigens nach Wiesbaden angereist war, kamen beide ins Gespräch. Moering war so begeistert vom Werdegang und den Arbeiten Erich Frankes, dass sie ihn daraufhin mit einer Werkschau im Jahr 1985 in ihrer Galerie ehrte. Sein langjähriger Freund Thilo Herrmann hat ihm damals bei der Hängung mitgeholfen.

Ein Großteil seines Bühnenarchivs wurde im Jahr 1992 an das „Theaterwissenschaftliche Institut“ auf Schloss Wahn in Köln übergeben, wo auch die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln untergebracht ist, die eine der weltweit größten Sammlungen von Theatralia gilt. Da befinden sich u.a. Frankes Projektionsplatten mit dem Sternenhimmel für die „Königin der Nacht“ aus der „Zauberflöte“.

Als Franke am 5. August 2008 in seinem Atelier in Bielefeld starb, übergab seine Frau dem langjährigen Wegbegleiter Thilo Hermann, der seit 1976 viele gemeinsame Situationen mit dem Künstler erlebte und ihn häufig in seinen Aktionen unterstützt hat, das restliche abwechslungsreiche und malerische Oeuvre, dem der Kunstraum Bernusstraße seine derzeitige Ausstellung widmet.

Es ist erstaunlich, wieviel räumliche Tiefe und welch tänzerische Dynamik aus den frühen Theaterwerken sich auch in den späteren Arbeiten Frankes wiederfinden. Franke hat mit ständig neuen und bisweilen banalen Materialien immer wieder einen neuen „Dreh“ in die jeweiligen Wenden gefunden.

Galeristin Marina Grützmacher freut sich, das vielfältige Werk Erich Frankes auszustellen, Foto: Petra Kammann

Infos

Die Ausstellung „Erich Franke“(1911-2008) – Zeitwende“ im KunstRaum Bernusstraße in Frankfurt Bernusstraße 18 (über Zeppelinallee) läuft bis zum 13. April 2019

Öffnungszeiten:
Do  14.30 – 21 Uhr, Fr  14.30 – 18.30 Uhr, Sa  11 – 14 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung. Tel: +49-69-977836-56, Mobil: +49-69-172-6707014

Thilo Herrmann wird im Rahmen von Führungen das Werk Erich Frankes am Donnerstag, den 28. März und Donnerstag, den 11. April, jeweils um 19:00 Uhr den Besuchern nahe bringen.

www.kunstraum-bernusstrasse.de

 

Comments are closed.