Absolventenausstellung 2015 der Städelschule „Parked Like Serious Oysters“ im MMK 3 (Teil 3)
Von Erhard Metz
„Parked Like Serious Oysters“: Mit dem etwas schräg anmutenden Titel der diesjährigen Absolventenausstellung haben wir uns bislang noch kaum beschäftigt. Nun gibt es die weltweit verbreitete, artenreiche Tierfamilie der Austern seit etwa 250 Millionen Jahren, für viele Menschen zählen die Muscheln zu den Kulinarien, und ihre Perlen schätzen Mode- und Schmuckindustrie – aber das hatten die Städel-Studierenden bei der Titelwahl wohl nicht im Sinn. Nein, sie entnahmen dazu vielmehr einen Satz aus dem „Manifeste Cannibale Dada“. Erfunden hatte es der französische Künstler und Schriftsteller Francis Picabia (1879 – 1953), der es 1920 in Paris immerhin von dem berühmten Dichter und Schriftsteller André Breton (1896 – 1966) vortragen liess. „Que faites vous ici, parqués comme des huîtres sérieuses … ?“ heisst es im die damaligen Anwesenden provozierenden französischen Originaltext. Das Manifest findet man übrigens im SCHIRN-Magazin im Rahmen eines erhellenden Beitrags von Katharina Cichosch veröffentlicht.
Francis Picabia in seinem Atelier; Bildnachweis: wikimedia commons/Sammlung George Grantham Bain in der Library of Congress, Washington D.C.
Um Protest gegen die bürgerliche Welt und ihre Werte gehe es also, gegen die Starrheit des bestehenden Systems; mit dem Titel hätten die Absolventen ein Zitat ausgewählt, das als Vorsatz für die Zukunft verstanden werden kann: sich nicht festlegen zu lassen und stets mit bestimmtem Blick Neuem und Unbekanntem entgegenzutreten, so das MMK.
So weit, so gut.
Nachdem wir die Absolventenpreisträgerin sowie die „Malerinnen und Maler“ bereits vorgestellt hatten, folgt jetzt eine Auswahl an skulpturalen und installativen Arbeiten. Es handelt sich zumeist um konzeptuelle Kunst, die das Konzept, die Idee, den Gedanken für die Bedeutung eines Kunstwerks als gleich- oder gar vorrangig gegenüber seiner Ausführung erachtet und sich oft erst durch die Auseinandersetzung mit dem Künstler und dessem Denken erschliessen lässt.
Luke Willis Thompson, Untitled, 2015, Installationsansicht
Hochglanzpoliert wie ein Jeff Koons-Ballon, aber unverkennbar eine Anspielung auf Marcel Duchamps revolutionäre Arbeit „Fountain“, pfiffig-witzig im Spiel mit den Objekten und deren Bedeutungsumkehr und schliesslich mit – immer noch – politischem Bezug: Luke Willis Thompson verwendet Teile eines US-amerikanischen, allein von Schwarzen (denen der Zugang zu den Brunnen der weissen Bevölkerung verwehrt war) benutzen Trinkbrunnens aus der Zeit der Rassentrennung.
Auch hier ein Zitat: auf den ersten Blick erkennbar der Bezug auf Claes Oldenburgs „Bedroom Ensemble, Replica I“ aus dem Jahr 1969, das „tierische Schlafzimmer“, eines der Filetstücke in der Sammlung des MMK. Ironisch die Verkleinerung wie zugleich Verfremdung des von oberflächlichen Betrachtern so empfundenen „Originals“ in der MMK-Dauerausstellung, das jedoch seinerseits vom Künstler offen als Replika I ausgewiesen wurde: Auf dem Kopfteil des Betts steht ein Staubsauger, dessen Schlauch auf der Bettstatt liegt wie auch zwei Staubpuschel, ein kleines Staubpinselset und schwarze Hausputz-Handschuhe. Das Ganze statt auf Teppichboden auf den unwirtlichen Klinkerkacheln des ehemaligen Zollamtssaals.
Marcello Spada, Bedroom Ensemble, 2015, Conservation toolls, acrylic, fabric, mdf; Installationsansicht © Marcello Spada
Im folgenden einige weitere hoch interessante Arbeiten, die wir des längeren betrachteten, im Blick auf unsere „last minute“-Publikation – die äusserst sehenwerte Ausstellung endet bereits am kommenden Sonntag – ohne nähere Kommentierung:
Ian Edmonds, Chaken Dispirit, 2015, Mixed media, Installationsansicht (auf dem Boden Detail der den Ausstellungsraum durchziehenden Arbeit von Benedikte Bjerre „Romancing in thin Air, 2015, Aluminium, elastic, polypropylene)
George Rippon, Age of Consent, 2015, Ladders, bitumen, ladder brackets, awnings, earth, stinging nettle, American wild flowers, thistle, model train figure, pot
Anna-Lisa Theisen, Fences, 2015, Metal, fabric, plastic, cement, sand
Die seit längerem als „Mainstream“ verbreitete, an der Städelschule offenbar dominierende konzeptuelle Kunst – wie werden Kunsthistoriker in 50 oder 100 oder gar 200 Jahren über sie urteilen und richten? Wird sie im historischen Rückblick lediglich als eine Episode im sich ständig verändernden Kunstgeschehen erscheinen? Wer unter den der Konzeptkunst verhafteten Studierenden wird jemals den – auch materiellen – Durchbruch im aberwitzig irrlichternden, mitunter sozusagen von Paranoia gekennzeichneten aktuellen Kunstbetrieb erreichen, wieviele andere werden demgegenüber den steinigen Weg in die bekannte „Brotlosigkeit“ der Kunst antreten müssen?
Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit Beiträgen u. a. von MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer, Städelschulrektor Philippe Pirotte, Professorin Judith Hopf, Kuratorin Anna Goetz und Martina Cooper – leider in nicht nachvollziehbarer und tadelnswerter Weise nur in Englisch. Mit welcher kulturellen Legitimation verweigert man sich hier der deutschen Sprache?
„Parked Like Serious Oysters“. Absolventen der Städelschule 2015, MMK 3, bis 15. November 2015
Abgebildete Werke © die entsprechenden Absolventen/Absolventinnen;
Fotos: Erhard Metz
→ Absolventenausstellung 2015 der Städelschule „Parked Like Serious Oysters“ im MMK 3
(Teil 1 – Absolventenpreis)
→ Absolventenausstellung 2015 der Städelschule „Parked Like Serious Oysters“ im MMK 3
(Teil 2 – Malerei)