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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Angela Davis-Gastprofessur am Cornelia Goethe-Centrum der Frankfurter Goethe-Universität

Begegnung mit der amerikanischen Bürgerrechtlerin und kritischen Sozialwissenschaftlerin

Von Renate Feyerbacher

Angela Davis

Professorin Angela Davis am 3. Dezember 2013 in der Frankfurter Universität

Das Cornelia Goethe-Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse hat eine Gastprofessur für internationale Gender- und Diversity-Studies eingerichtet, die den Namen von Professorin Angela Davis trägt. Sie gilt als Wegbereiterin aktueller kritischer Diskurse in diesem Fach. Einmal im Jahr wird eine international renommierte Gender-Forscherin auf diese Position berufen werden. Angela Davis persönlich weihte den Lehrstuhl ein.

Die geschäftsführende Direktorin, Professorin Ulla Wischermann, und die Direktorin des Centrums, Professorin Helma Lutz, sind die Initiatorinnen. Sie luden zum Mediengespräch mit Angela Davis ein.

„Am Centrum findet bereits Forschung statt, die sich mit der Bedeutung von Geschlecht in Verbindung mit anderen Achsen sozialer Ungleichheit und Differenz beschäftigt. Dieser Schwerpunkt bekommt mit der Gastprofessur Unterstützung und Profil“, begründete Professorin Wischermann die Entscheidung.

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Pressekonferenz am 3. Dezember 2013 in der Universität Frankfurt: (v.l.) Ulrike Jaspers, die drei Professorinnen Helma Lutz, Angela Davis und Ulla Wischermann sowie Barbara Ulreich

Für zehn Tage ist Angela Davis, die engagierte, streitbare, mittlerweile emeritierte Professorin der University of California, Santa Cruz, an die Universität Frankfurt zurückgekehrt. Bei ihrer Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen drückte sie ihre Freude aus, nach 40 Jahren wieder in dieser Stadt zu sein. Gespannt sei sie, wie sich alles verändert habe. Sie wolle die neue Universität erkunden, ehemalige Freunde treffen, Kneipen besuchen und ins Kino gehen.

Hauptsächlich junge Journalisten, vor allem Journalistinnen, und junge Wissenschaftlerinnen kamen, um mit Angela Davis zu diskutieren. Sehr gut hatten sich einige vorbereitet und sorgten für eine intensive Diskussion. Für mich war es auch ein Stück Erinnerung an die politischen Aktivitäten, an die Studentenproteste Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

„I am not an icon“, betont sie mehrmals, wenn ein Schimmer von Ikonenverehrung deutlich wird. Sympathisch, aufgeschlossen, geduldig und ausführlich geht Angela Davis auf alle Fragen ein.

Ja, die Occupy-Bewegung sei ihr ein Anliegen. Nach wie vor kämpft die heute 69-Jährige gegen politische und gesellschaftliche Repressionen, gegen die Todesstrafe, gegen soziale Ungerechtigkeit. „Freedom is a constant struggle“ ist das Thema einer ihrer Vorträge. Sie kritisiert eine Islam-Hysterie, die Flüchtlingspolitik und die Gefangenenpolitik, den „industrialisierten Strafvollzug“. „I will visit a prison“, wünscht sie. Sie will nicht nur lehren, sondern sich auch mit engagierten Gleichgesinnten austauschen. Wissenschaft und Aktivismus, Theorie und Praxis gehören für sie zusammen. Einen Rassismus heutiger Prägung findet sie gefährlicher als den während der Bürgerrechtsbewegung oder der Apartheid, weil er sich in den Strukturen festgesetzt habe – in Europa und auch in Deutschland. Die NSU-Prozesse verdeutlichten dies auf erschreckende Weise.

„How does change happen?“ – diese Frage beschäftigt sie bei allen wissenschaftlichen und politischen Engagements.

Angela Davis wurde 1944 in Birmingham, Alabama geboren, einer Stadt, die durch Rassenhass tief gespalten war. Hier war das Zentrum der Afro-Amerianischen Bürgerrechtsbewegung, hier wurde 1963 die Rassentrennung aufgehoben. Wenig später gab es den „Marsch auf Washington“, an dem 250.000 Schwarze und Weisse teilnahmen. Höhepunkt war die Rede von Martin Luther King „I have a dream“. Er wurde 1968 ermordet.

Angela Davis, die aus einer schwarzen Familie des Mittelstandes kam – ihre Mutter war Lehrerin mit Magistergrad, ihr Vater ehemals auch Lehrer, dann Tankstellenbesitzer – ist in der Unrechts- und Unterdrückungsstruktur dieser von Rassenhass gespaltenen Stadt aufgewachsen. Mit zwölf Jahren war sie schon aktiv, mit 15 erhielt sie ein Stipendium für eine fortschrittliche Privatschule, mit 20 besuchte sie die berühmte Brandeis-Universität in Waltham, Massachusetts, an der Professor Herbert Marcuse (1898-1979), der gebürtige Deutsche, Philosophie und Politikwissenschaft lehrte. 1962 studierte sie an der Sorbonne in Paris. Sie folgte Marcuse, dem geistigen Führer der studentischen Linken in den 1960er Jahren, später an die University of California, San Diego. Eine ausserordentliche Professur übernahm Marcuse auch an der Freien Universität Berlin.

Er, ihr späterer Doktorvater, motivierte Angela Davis 1965 zu einem Studium in Frankfurt bei Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Jürgen Habermas und Oskar Negt. Am legendären Institut für Sozialforschung („Frankfurter Schule“) arbeitete sie vor allem über Hegel und über die These von Marx, dass die Philosophen die Welt immer nur interpretierten, aber nicht veränderten, worauf es aber ankomme. Sie wurde aktives Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS).

1967 verliess sie Frankfurt und kehrte in ihr Heimatland zurück. Es waren die poltischen Veränderungen in ihrem Land, an denen sie sich aktiv beteiligen wollte. Das erschien ihr wichtiger. Sie stand der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung „Black Panther“ nah.

Angela Davis II

Sie wurde als Professorin an die University of California, Los Angeles, berufen, aber bereits vor ihrer ersten Vorlesung von dem durch Gouverneur Ronald Reagan bestellten Universitäts-Regenten gefeuert, nachdem FBI-Chef John Edgar Hoover über ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA) informiert hatte. Sie klagte und wurde nach Gerichtsentscheid wieder eingestellt. In ihren überfüllten Vorlesungen gab es keine kommunistische Indoktrination, wie die Aufzeichnungen belegen. Dennoch wurde ihr Universitäts-Vertrag 1970 nicht verlängert. Begründung: sie habe ihre Doktorarbeit noch nicht beendet und aufrührerische Reden ausserhalb der Universität gehalten.

Es waren die Auswirkungen der Kommunistenhatz durch Senator Joseph McCarthy („McCarthy-Ära“) in den 1950er Jahren, deren Opfer viele Künstler und Intellektuelle wurden. Das Komitee für unamerikanische Umtriebe (House Committee on Un-American Activities – genannt HUAC) wurde gegründet. Zum Beispiel Bertolt Brecht wurde vorgeladen, Charly Chaplin die Wiedereinreise in die USA verwehrt. Der Republikaner Richard Nixon, aber auch demokratische Senatoren mischten entscheidend mit. Später wurde das HUAC in „Committee on Internal Security“ umbenannt, aber erst 1975 aufgelöst.

Angela Davis solidarisierte sich mit den sogenannten Soledad-Brüdern, deren Freilassung sie forderte. George Jackson sass im Gefängnis, sein jüngerer, 17-jähriger Bruder Jon wurde ihr Leibwächter. Dieser stürmte mit einer Waffe von Angela Davis den Gerichtssaal, um seinen Bruder zu befreien. Vier Personen, unter anderem der Richter, starben im Kugelhagel mit der Polizei. Angela Davis, die ihre Unschuld beteuerte, tauchte unter. Die Jagd nach ihr begann. Die damals 26-jährige Literaturwissenschaftlerin stand ab sofort auf der Liste der zehn meistgesuchten Personen in den USA.

Nach ihrer Verhaftung Ende 1970 folgten Untersuchungshaft und Gerichtsprozess. Ihr drohte die Todesstrafe. Ihre Anwälte fürchteten sogar ihre Ermordung im Gefängnis. Die weltweite Bewegung „Free Angela Movement“ forderte ihre Freilassung. Zwei Jahre später wurde sie in allen Punkten der Anklage freigesprochen: von einer weissen Jury!

Kurz zuvor hatte an der Universität Frankfurt ein Solidaritätskongress stattgefunden, auf dem Herbert Marcuse die politischen Repressionen gegen Angela Davis anprangerte: als Frau, als Schwarze, als amerikanische (nicht deutsche) Kommunistin und Aktivistin.

Über seine ehemalige Studentin sagte Marcuse: „Ihr Intellekt ist so etwas Natürliches geworden. Was sie sagt und was sie tut, ist der menschliche, beinahe körperliche Ausdruck der Intelligenz“ (zitiert nach SPIEGEL vom 8. November 1971).

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Plakat zum Film

Nachempfunden werden kann dieser Ausspruch in dem Dokumentarfilm „Free Angela and All Political Prisoners“ (USA/Frankreich 2012), der auch in Frankfurt gezeigt wurde. Er nimmt die Jahre 1968 bis 1972 der Angela Davis-Kampagne in den Fokus. Es ist keine Hommage an Angela Davis, sondern eine Zeitreise. Regisseurin Shola Lynch ist ein geschichtliches Dokument mit faszinierendem Archivmaterial, mit Interviews von Familienmitgliedern, von Mitstreitern und noch lebenden poltischen und juristischen Zeitgenossen gelungen. Der Film dokumentiert einen markanten Zeitabschnitt des langen Kampfes gegen Rassismus, Ungerechtigkeit und Gewalt gegen Frauen. Der Kampf ist keineswegs vorbei. Bürgerrechtlerin Angela Davis ist unermüdlich in diesem Kampf unterwegs.

Fotos: Renate Feyerbacher

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