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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Blickachsen 9″ in Bad Homburg und Rhein-Main (9)

Kenny Hunter und Stefan Rohrer:
Allerlei zum Reiten

Es sind zwei gute Bekannte, die wir heuer im Bad Homburger Schlosspark zu den 9. „Blickachsen“ gerne wieder antreffen: die Bildhauer und Skulpturenkünstler Kenny Hunter und Stefan Rohrer.

Dieses Mal geht es um das Reiten – das Reiten eines Pferdes vielleicht oder eines „Feuerstuhls“, na ja, sagen wir mal, eines Motorrollers.

Auf der oberen Schlossterrasse, neben dem weithin sichtbaren Bad Homburger Wahrzeichen, dem „Weissen Turm“,  präsentiert uns Kenny Hunter ein Reiterstandbild, aufgebockt auf einem hohen Holzgerüst. Wir schätzen die Arbeiten des Künstlers seit jeher, und jüngst schuf er zu den aktuellen „Blickachsen 9“ bereits den „Schwarzen Schwan“.

Kenny Hunter, Horse and Rider (Plinth Trial), 2013, Kunstharz, Holz, Farbe, 310 x 100 x 200 cm (Totale und Details)

Ein Reiterstandbild: Wir denken an die einst zahlreichen antiken Reiterstatuen, noch heute markant die des Mark Aurel auf dem römischen Kapitol, verewigt auf der italienischen 50 Cent-Münze, an Gattamelata von Donatello in Padua, an die legendären Bamberger und Magdeburger Reiter, an die Reiterstandbilder Friedrichs des Grossen in Berlin und August des Starken in Dresden, um nur einige wenige zu nennen. Sinnbilder von Herrschertum und Autorität, Absolutismus und Macht, militärisch-politischer wie auch in nicht wenigen Fällen geistlicher.

Und nun dies: Ross und Reiter von Kenny Hunter, in leuchtendem Weiss wie der benachbarte „Weisse Turm“, nicht auf einem monumentalen, Erdbeben und Kriegseinflüssen standhaltenden Sockel, sondern auf fragilem Holz aufgestellt. Einen „Sockeltest“ nennt der Künstler im Untertitel denn auch seine Arbeit – prüfte man doch früher die optische Wirkung von Skulpturen im öffentlichen Raum zunächst auf provisorischen Sockeln. Hunter bezieht sich zugleich auf Auguste Rodin, der seine Skulpturen zu ebener Erde unter Verzicht auf Sockel errichtete und damit neue Massstäbe setzte.

Sprachen wir soeben von Ross und Reiter? Wer aber nun reitet das vermeintliche Pferd? Zunächst: ein Pony ist es wohl bei näherem Hinsehen. Und auf ihm sitzt: ein anmutig-zierliches Mädchen. In ruhiger Selbstgewissheit schaut es vorwärts über Schloss und Park hinweg in den blauen Himmel.

Eine wunderschöne Arbeit, die alles konterkariert, was man bislang unter einem Reiterstandbild verstand.

Und wir erinnern uns an Kenny Hunters „Red Boy“: den kleinen aufgeschlossen-aufsässigen, wissenshungrigen Jungen gegenüber dem mächtigen Kaiser Wilhelm I. im Kurpark, den er geradezu herauszufordern scheint. Der „Red Boy“: Sinnbild für Chancen und Zukunft der Menschheit. Der alte (wenn auch einst das – rasch fragwürdig werdende – „Reich“ einigende) Kaiser hingegen steht, heute betrachtet, für Rückwärtsgewandheit und bedrohlichen Nationalismus.

Unverändert bedauern wir, dass Bad Homburg seinerzeit nicht den Mut aufbrachte, im Kurpark den „Red Boy“ gegenüber dem „Wilhelm I.“ dauerhaft zu platzieren.

Ein wenig schwierig wird es im unteren Schlosshof, wo Stefan Rohrer eines seiner bekannten motorisierten und so überaus arg deformierten Vehikel präsentiert. Den leidenschaftlichen Biker wird das „Gefährt“ kaum erfreuen können, sitzt doch der Motor statt der Radgabel unter dem Scheinwerfer, und ein Lenker fehlt ganz und gar! Und wenn auch die Arme der jungen Menschengeneration proportional der wachsenden Körpergrösse lang und länger werden – vom Sattel dieses „Bluebirds“ aus werden sie niemals den Volant dieses Fahrzeugs – man sollte besser von einem „Stehzeug“ sprechen – erreichen.

Eine Persiflage auf den zeitgenössischen Strassen-Stau-Verkehr, in dem doch gerade der Motorroller am ehesten ein Vorwärtskommen gewährleisten sollte, aber auch dieses Streben scheint vergebens. Der Mensch steht vor dem kontraproduktiven Ergebnis seiner technischen Errungenschaften. Und Sisyphos lässt grüssen!

Stefan Rohrer, Bluebird, 2010, Motorrad, Stahl, Lack, 195 x 180 x 430 cm (Detail und Totale)

Dem kleinen Buben – mit passendem blauen Helm – macht es umso mehr Spass, von seinem Kinderfahrrad herabzusteigen und das „grosse“ Zweirad zu reiten. Und dass es verboten ist, die Kunstwerke (wir hoffen, allein aus Sicherheitsgründen) zu besteigen, erhöht nur das Vergnügen! Wie gut können wir das nachvollziehen; und den Künstler, da sind wir uns ganz sicher, wird es allemal freuen!

Stefan Rohrer wurde 1968 in Göppingen geboren. Nach seiner Ausbildung zum Steinmetzmeister studierte er Bildhauerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei den Professoren Werner Pokorny und Micha Ullmann, gefolgt von einem Aufbaustudium bei Professor Udo Koch.

Abgebildete Werke: © Kenny Hunter und Stefan Rohrer; Fotos: FeuilletonFrankfurt

→ “Blickachsen 9″ in Bad Homburg und Rhein-Main (Folge 10)

→ “Blickachsen 9″ in Bad Homburg und Rhein-Main (Folge 1)

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