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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Krakau, April 2016 (Folge I)

Von Monika Müller-Löwenberg

Für Christa

FOLGE  I

Mein Foto „Engel“ besuchte vor mir Krakau.

Eine Ausstellung des Dezernats Soziales, Senioren, Jugend und Recht der Stadt Frankfurt am Main im Sommer 2012 mit dem Thema: „Älterwerden – Wünsche, Hoffnung, Träume“.

„Es wäre schön, wenn Sie mitmachen“, so eine Mitarbeiterin des Dezernats, die ich kennengelernt hatte, als ich Bewohner der Budge-Stiftung zu einer Ausstellung im Seniorenrathaus in Frankfurt begleitete. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich selbst bereits zur Gruppe der Senioren gehörte. Täglich begegnet mir das „Alter“ in der U3L (Universität des 3. Lebensalters) und macht mir Angst. Ich muss an mir arbeiten.

Das schwarz/weiß Foto habe ich mit blauer Aquarellfarbe auf der linken Seite koloriert. An der Figur entlang steht der Text: „Immer wenn Du meinst es geht nicht mehr, kommt von Irgendwo ein Lichtlein her, dass Du es noch einmal wieder zwingst und von Sonnenschein und Freude singst, leichter trägst des Alltags harte Last und wieder Kraft und Mut zum Glauben hast.“

Das Wunsch-Kästchen hat den Text: BEWUSST GESUND ALT WERDEN
Das Hoffnung-Kästchen hat den Text: LIEBEN UND GELIEBT WERDEN
Das Träume-Kästchen hat den Text: LANGE NOCH IN DEN BLAUEN HIMMEL UND DAS BLAUE MEER ZU BLICKEN WIE DIE STATUE AUF DEM GRABMAHL EINER JUNGEN RUSSISCHEN FRAU HOCH ÜBER DER COTE D’AZUR

Die Mädchenskulptur befindet sich auf dem Friedhof in Menton (Frankreich) hoch über dem blauen Meer.

d-450

Das Foto gewann bei der Ausschreibung, jedoch konnte ich nicht nach Krakau mitfahren, wo die Bilder erneut ausgestellt wurden. Ich wurde als Künstlerin nicht ausgelost. Ich ahnte damals nicht, dass ich doch noch einmal Polen und Krakau erleben und erkunden würde.

* * *

Bürgerreise nach Krakau (25 Jahre Städtepartnerschaft mit Frankfurt am Main) vom 26. bis 30. April 2016

Am Abflugtag um 4.30 Uhr aufgestanden. 7.30 Uhr traf sich die Reisegruppe in Abflughalle B 13 am Frankfurter Flughafen. Ich hatte Nasenbluten. Christa, meine Freundin, fehlte mir. Wir hatten die Reise gemeinsam gebucht und uns sehr darauf gefreut. Da bekam sie die furchtbare Nachricht von ihrer Krankheit. Sie weinte, ich weinte und betete jeden Abend. Wir kennen uns schon sehr lange, über 40 Jahre. Getroffen und angefreundet hatten wir uns in der Werbeagentur, in der wir beide arbeiteten, da hatten wir noch keine Kinder. Ich noch nicht einmal einen Ehemann.

Es lag ein Schatten über dieser Reise. Christa fehlte mir jeden Tag aufs Neue. Liebenswerterweise haben sie und ihr Mann mir ein Einzelzimmer umbuchen können. Die Vorstellung, abends auf das zweite leere Bett zu schauen, bereitete mir seelisch und körperlich Schmerzen. Vieles auf dieser Reise habe ich für sie aufgeschrieben, viele Fotos gemacht. Das bekommt sie bald von mir, so mein Versprechen.

In fünfzehn Minuten ist Boarding Time, ich sitze alleine, die Nase blutet immer noch. Was wird auf mich zukommen? Mit der Frage habe ich mich eingehend beschäftigt.

Kurz vor der Landung sah ich auf der unter uns liegenden Erde viel Grün und Gelb. Barbara, die Führerin, erwartete uns bereits mit einem voluminösen Programm: „Ich habe ein Konzept, das ich durchhalten möchte“. Sie hatte unser vorliegendes Programm verändert. Wir starteten umgehend.

Barbara zeigte uns ein Kontor zum Geldwechseln. Mein Magen knurrte, ich kaufte mir an einem Stand eine Art Teigkringel. Im Galopp ging es zum Rathaus, das ist bei den Bürgerreisen üblich. Wir wurden mit Obst, Kaffee und Kuchen bereits erwartet. Weiter zum Schloss „Wawel“, das königliche Schloss. Laufen, laufen, laufen war angesagt. Im Schloss hatte ich meinen Fotoapparat nicht dabei, denn unser Gepäck war noch immer im Bus und wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Hotel vorbeigeschaut. Nach dem gefühlten fünfunddreißigsten Gobelin an der Wand sah ich nichts mehr. Ich fühlte mich wie in einer japanischen Reisegruppe, die Europa in einer Woche erkundet!

Irgendwo dazwischen besuchten wir noch die Marienkirche mit dem Hochaltar des Veit Stoß. Der Hochaltar ist ein Pentaptychon, ein Wandelaltar mit dem Hauptschrein, zwei feststehenden Außen- und zwei beweglichen Innenflügeln. Der Schrein ist mit Skulpturen versehen, die Flügel sind mit Reliefs geschmückt. Die Schnitzarbeiten sind teils farbig gefasst, teils vergoldet. Thema des Flügelaltars ist die Verherrlichung Marias. Mit seinen zwei Schauseiten ist er das erste gesicherte Werk des spätgotischen Bildhauers Veit Stoß und gilt als eines seiner Hauptwerke.

Es war bereits 17.30 Uhr. Unser erster Tag. Barbaras nächster Programmpunkt sah danach die Ausstellung in Oskar Schindlers Fabrik vor („Schindlers Liste“). Da begann ich zu streiken und zu meckern. Ein Ehepaar, wesentlich jünger als die anderen Teilnehmer, meinte: „Dann bleiben Sie doch einfach hier“. Das nenne ich eine funktionierende Reisegruppe. Zum Glück tauchten unsere Reisebegleiter auf, die Dame vom Referat für Internationale Angelegenheiten der Stadt Frankfurt und ein Herr des Reiseveranstalters. „Wir waren schon oft in Krakau und haben uns das Schloss geschenkt, weil wir es schon kennen.“ Das kam bei einigen in der Gruppe nicht gut an! So fuhren wir in unser Hotel „Atrium“. Ich wollte Christa von dort ein paar WhatsApps mit Fotos senden. Ihr Sohn hatte dies extra noch eingerichtet. Wie sich herausstellte, war die PIN nicht ok. Am nächsten Tag hing im Aufzug ein Zettel: „Unser W-Lan funktioniert nicht“!

Am Abend im Hotel zeigte mir mein „Polar Flow“-Armband 8.823 Schritte an.

Mit einigen Damen nahm ich noch ein kleines Abendessen mit Rotwein (welcher übrigens hoch besteuert ist) im Hotel zu mir und fiel nach Auspacken, Bad aufsuchen, noch einen Zigarillo rauchend erschöpft ins Bett. Das muss ich noch erwähnen, die Matratze war ausgezeichnet und das Bett fast so breit wie meines zuhause. Meinen Wecker hatte ich im Gepäck, völlig überflüssig, denn ich wurde jede Nacht zwischen vier und fünf Uhr wach.

→ Krakau, April 2016 (Folge II)

 

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