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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Mit einem Traum verabschiedet sich Stefan Bachmann aus Köln

„Akins Traum vom osmanischen Reich“

von Simone Hamm

Akin Emanuel Sipals Alter ego hat sich ein Mammutunterfangen vorgenommen, die Geschichte des osmanischen Reiches in einem Roman zu erzählen. Dieses alter ego (Mehmet Atesci) ist ein junger Vater, der einen großen Roman schreiben will, bei dem Jelinek und Handke durchscheinen. Ängstlich ist er nicht. Seine Frau ruft ihm nach, er solle die Feuchttücher nicht vergessen. Mit dem Elektroroller macht er sich in den Drogeriemarkt dm auf. Ein Mammutunterfangen auch für den Regisseur Stefan Bachmann, der mit der Inszenierung der Auftragsarbeit „Akins Traum“ seine Abschiedsvorstellung in Köln gibt. In der kommenden Spielzeit wird er Intendant des Wiener Burgtheaters.

Akins Traum vom Osmanischen Reich von Akin Emanuel Şipal Regie: Stefan Bachmann, Foto: Tommy Hetzel / Schauspiel Köln

Die Schauspieler stecken wie Osman (Bruno Cathomas) in prächtigen orientalischen Brokatkostümen, ein Halbpferd (Alexander Angeletta) hat Hosen aus  goldenen Pailettenschuppen an, sie tragen Fez oder Turban. (Kostüme: Adriana Braga Peretzki). 200 Leuchtröhren hängen herab, leuchten rot, wenn sie einen Palast darstellen sollen und kaltblau, wenn sie das Meer sein sollen. (Bühnenbild: Olaf Altmann)

Bei Bachmanns Inszenierung des Rainald Goetz Romans „Johann Holtrop“ liefen die Schauspielerinnen durch lange Schnüre, die auf die Bühne herabhingen und Räume voneinander trennten. Sie deklamierten dazu stakkatohaft den Text, eine gerapte Choreografie. Das rein weibliche Ensemble in den blauen Hosenanzügen hielt das den ganzen Abend durch. Es war grandios.

Was aber bei „Johann Holtrop“ so perfekt passte – Stefan Bachmann ist für diese Inszenierung mit dem „Faust“ ausgezeichnet worden, dem deutschen Theaterpreis – passt so gar nicht zu „Akins Traum“. Die Leuchtröhren schaffen keine Räume, das Ensemble fungiert nur ab und an als Chor, etwa, wenn zu Beginn eine Gruppe von Bettelmönchen auftritt.

Und das, obwohl ein Quartett von exzellenten Musikern die Schauspieler live begleitet, die choristischen Elemente unterstreicht.

Die Rahmenhandlung des Schriftstellers aus Recklinghausen – einer wahrhaft osmanischen Stadt, denn dort leben Nachfahren der Osmanen aus allen möglich Ländern – ist eher albern.

Der wie ein Märchen erzählten Geschichte des osmanischen Reiches ist da schon mehr abzugewinnen. Die Herrscher sind Säufer, gründen die größte Bibliothek der damaligen Welt oder haben Potenzprobleme. Die Frauen (als Edith und Safiye: Melanie Kretschmann) wissen, was sie wollen und setzen ihren Körper dafür ein. Da kann es schon mal sehr derb zugehen.

Ich habe herausragende Inszenierungen von Stefan Bachmann in Köln gesehen. Große Romanadaptierungen wie „Tyll“ nach Daniel Kehlmann, perfekt umgesetztes, frisches klassisches Theater (Lessings „Nathan der Weise“, Molières „Der eingebildete Kranke“), beeindruckende politische Arbeiten (überwältigend: „Die Vögel“ von Wajdi Mouawad). Inszenierungen, die bleiben werden.

In „Akins Traum“ zeigt Stefan Bachmann die Zeit des osmanischen Reiches in kurzen Episoden. Dabei setzt er auf Unterhaltung. Ganz am Ende singt der Schriftsteller ein wunderschönes, wehmütiges Lied. Da bekommt man eine Ahnung, wie großartig dieser Abend hätte sein können, wenn Bachmann mehr das Märchenhafte und weniger das Klaumaukhafte betont hätte.

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