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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Eine Reise um die Welt und ins Innere zugleich

Shahar Binyaminis Tanzabend “More Than“ in Bonn bei den Highlights des internationalen Tanzes

von Simone Hamm

Drei Männer und drei Frauen, die in hautfarbenen mit Blüten bedruckten Einteilern tanzen. Sie versinken fast ineinander, verbiegen, umarmen sich, zeigen kraftvolle Duette. So beginnt Shahar Binyaminis Tanzabend „More Than“. Israelische Tanzensembles wie die Batsheva Dance Company hatten ihre Tourneen abgesagt. Shahar Binyamini und seine Kompanie haben sich anders entschieden. Sie wollen nicht, dass Tanz und Kultur  sich vom Terror dominieren lassen.

More Than © Ascaf, Theater Bonn

Shahar Binyamini, 1988 in Israel geboren, lange Jahre Tänzer bei der Batsheva Dance Company, fragt in all seinen Stücken nach dem Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist. Wie hängt das zusammen? Verändern sich Gefühle durch das, was der Körper wahrnimmt? Verändert sich der Körper durch Empfindungen? Was ist der Mensch überhaupt? Was haben Zivilisation und Kultur aus dem Säugetier gemacht?

Er stellt diese Fragen nicht nur philosophisch. Seit 2013 leitet er zusammen mit Professor Atan Gross vom renommierten Weizmann-Institut in Rechovot, Israel eine Forschungsgruppe von Tänzern und Wissenschaftlern, die die Verbindungen zwischen Bewegung und Wissenschaft erforscht.

Es scheint, als seien Wissenschaft und Tanz grundverschieden. Das sei nur auf den ersten Blick so, meint Binyamini, denn Wissenschaftler und Tänzer, so sagt er, seien sich insofern ähnlich, als das sie – jeder auf seine Weise – eine Geschichte erschaffen und erzählen wollten. Im Tanz sei es der menschliche Körper, der sich mit Emotionen, Wünschen, Sehnsüchten, Fähigkeiten, Schwierigkeiten und Schmerzen im Raum bewege.

Die Tänzer und Tänzerinnen nehmen uns mit auf die Suche nach dem Wesen des Menschen. Zur Musik des israelische Musikers Mark Eliyahu (für das persische Streichinstrument Kamancheh), des persische Musikers Mohammad Mortazavi (Schlaginstrumente) und des Gamelan Orchesters Degung (Xylophone und Flöten) begeben wir uns mit den Tänzern und Tänzerinnen auf eine Reise zu verschiedenen Kulturen.

Die Reise ist wild, wenn die sich Tänzer in schnellen Schritten aufeinander zubewegen. Sie ist schmerzhaft, wenn die Tänzer, die sich eng umschlungen wiegen, sich voneinander lösen wollen und doch miteinander verwoben bleiben. Sie ist erdverbunden, wenn die Tänzer in den Boden stampfen. Sie ist lässig, wenn die Tänzer ihre Beine über den Boden ziehen, dem Publikum ihre Hinterteile zuwenden. Sie ist umwerfend schnell, wenn die Tänzer über die Bühne zu schweben scheinen.

Sie wirkt fast aggressiv, wenn die Tänzer ihre Hände ausschütteln. Sie wirkt hochnäsig, wenn die Tänzer wie Königinnen  über die Bühne schreiten. Sie endet meditaiv, ruhig. Dieser fortwährenden Dynamik hat sich niemand im Publikum entziehen können. Sie hat alle ergriffen.

Ein sehr anspruchsvoller, extrem lohnender Abend.

 

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