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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Richard Siegals „Ballet of (Dis)Obedience“

Im Gleichschritt Marsch!

von Simone Hamm

Shuudan Koudou, Japanese Precision Walking, ist eine Sportart in Japan, bei der Dutzende, bisweilen hunderte von gleich gekleideten Mensch streng synchrone Bewegungen machen. Sie laufen wie auf einem Schachbrett, in dieselbe, in eine andere Richtung und berühren dabei einander nie. In riesigen Turnhallen hören sie auf laute, knappe Befehle. Das hat etwas Militärisches. Richard Siegel und seine mit dem Kölner Schauspiel verbundene Kompanie waren tief beeindruckt von dieser Mischung aus Sport, Tanz und Marsch. Siegal wollte das in seine jüngste Choreografie „Ballet of (Dis)Obedience“ einarbeiten, die jetzt am Kölner Schauspiel (tanz.köln) zu sehen ist.

Ballet of (Dis)Obedience von Richard Siegal / Ballet of Difference Foto: Thomas Schermer

Die  12 Tänzer und Tänzerinnen tragen Anzüge, deren eine Seite hell, die andere dunkelgrau ist und die an die Kreationen japanischer Designer erinnern, dazu grüne Turnschuhe. Bisweilen sind die Scheinwerfer auf diese grünen Schuhe fokussiert. Die Kostüme hat Flora Aranda entworfen, das Licht hat Matthias Singer gesetzt. Die Tänzer und Tänzerinnen laufen im Gleichschritt, stehen stramm. Sie sollen sich, so Siegal, ganz der Form unterwerfen. Jemand gibt Anweisungen. „Everybody walk. Everybody stop. Everybody flip. “ Aber manchmal und immer öfter ist da einer, ist da eine, der (die)  nicht innehält, wenn es verlangt wird, der (die) nicht abbiegt, wenn er (sie) abbiegen soll.

Dazu hat Alva Noto (alias Carsten Nicolai) eine elektronische, minimale Musik komponiert.

Dann kommt die Anweisung, sich zu entspannen- und die Köpfe hängen und die Rücken beugen sich. Aus der gleichförmigen Masse werden auf Befehl Individualisten. Einmal kommen die Tänzer sogar richtig aus sich heraus, verlassen die starren Posen. Ihre Bewegungen ähneln für kurze Momente eher Voguing, ausgelassenem Tanz.

Dazu deklamiert Nazareth Panadero den Kafka Text „Ein Bericht für eine Akademie“. Darin erzählt wie ein Affe, wie er zum Menschen dressiert wird. Panadero hat an etlichen Pina Bausch -Stücken mitgearbeitet, war lange Jahre Tänzerin bei der großen Wuppertaler Choreographin. Sie ist eine starke Persönlichkeit, und das strahlt sie auch aus. Aber sie ist keine Rezitatorin. Wenn sie deklamiert, ist das ist auf die Dauer ermüdend. Vor allem im Zusammenhang mit den über lange Zeit so wenig wechselhaften Schritten der Tänzer.

Diese Art des Vortrags soll natürlich ihre Art von Widerstand gegen Uniformität demonstrieren. Sie erzählt zwar, wie sie als Äffin dressiert wird, aber sie bleibt widerständig, macht ihr eigenes Ding, gibt nur nach, täuscht, um wieder frei zu werden.

Ballet of (Dis)Obedience von Richard Siegal Kostüm: Flora Miranda, Foto: Thomas Schermer

Der Gleichklang der Tänzer, die strenge Anordnung der Schritte, das alles kann nur wirken, wenn es wirklich exakt und akkurat ist. Vor allem, wenn es nur zwölf und nicht über hundert Menschen sind, die da laufen.

Im ersten Teil des Abend sind alle wirklich so synchron, wie das Japanese Precision Walking es verlangt, der eins achtzig große Tänzer hat dieselbe Schrittlänge wie dieeinsfünfundsechzig große Tänzerin. Doch es scheint, als verlören die eigentlich doch so brillanten Tänzer im Laufe des Abends an Konzentration. Da ist ein Arm noch oben, während der andere sich noch senkt, und die Schritte sind auch nicht mehr gleich lang. Oder wollen sie uns damit etwas sagen? Nämlich, dass es  glücklicherweise doch nicht so einfach ist ist, blindlings Befehlen zu gehorchen.

Die nächste Vorstellungen:

Kölner Schauspiel Depot 1

14.-16. April 2023

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