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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Francesca da Rimini“ – Ein „Dramma per musica “ von Saverio Mercadante

Eine beachtenswerte musikalische Ausgrabung nach 200 Jahren

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Fast 200 Jahre nach der Vollendung 1830/31 erfährt die Oper von Saverio Mercadante (1795-1870) ihre Uraufführung (2016) im Palazzo Ducale in Martina Franca, einer Stadt in Apulien, und nun hatte das Dramma per musica am 26. Februar die erste Deutsche Erstaufführung an der Oper Frankfurt. Die Koproduktion mit den Tiroler Festspielen Erl fand wenige Wochen vorher statt.

Jessica Pratt (Francesca; rechts im Bett stehend) und Chor der Oper Frankfurt

Der Komponist hat seine Oper also nie auf einer Bühne gesehen. Das haben die Streitigkeiten unter der Sängerschaft verhindert.

Francesca da Rimini war eine Zeitgenossin von Dante Alighieri  (1265-1321), der sie in seine Divina Commedia, seine „Göttliche Komödie“, einer Vision vom Jenseits, aufnahm. Er sah sie dort, verurteilte sie aber nicht. „Amor, der keinem Geliebten das Lieben erlässt“  heißt es im Programmheft.

Der politisch motivierte Betrug hat Francesca durch Ehebruch schuldig werden lassen. Vom Vater, Herrscher in Ravenna, wird sie regerecht verhökert. Sie soll Lanciotto, Sohn des Herrschers in Rimini, heiraten, der von ‚missgebildeter Gestalt‘ ist. Wahrscheinlich hat sie sich geweigert und der schöne Paolo, Bruder von Lanciotto, wurde ihr als Bräutigam untergeschoben. Ein schwerer Betrug also von Vater, Ehemann und Liebhaber.

Siegreich kehrt Lanciotto aus dem Krieg zurück, auch Paolo ist wieder zurück. Francesca und er begegnen sich, lesen vom Kuss in der Legende von Lancelot, der Guinevere, die Frau des Königs, liebt. Francesca und Paolo kommen sich näher „Mein Schatz, du bist mein Augenstern! Das Schickssal soll mich für immer mit dir verbinden – im Leben und im Tod“, singt Francesca im ersten Akt.

Lanciotto überrascht sie und tobt. Den Treuebruch will er rächen. Er will den Tod beider.

v. l. n. r.: Kelsey Lauritano (Paolo), Jessica Pratt (Francesca), Brian Michael Moore (Guelfo) und Theo Lebow (Lanciotto)

Regisseur Hans Walter Richter hat die Bühne voll gepackt mit herumschwirrendem Personal,den zahlreichen traumatisierten Hofdamen. Rechts hat Bühnenbildner Johannes Leiacker Francescas Bett positioniert, das später regelrecht zum Ort des Tribunals wird. Lanciotto vergewaltigt sie dort. Jan Hartmann fokussiert durch sein Licht-Design so manche Szene überdeutlich.

Links ist ein schwarzer Hügel, auf dem auch dramatische Szenen ablaufen. Die Schwerter der Krieger werden dort angelehnt. Hin und wieder öffnet sich die weiße Wand und gibt den Blick frei auf die Ruine eines Klosters, das an die Klosterruine des Malers Caspar David Friedrich erinnert. Davor tanzen die Doubles. Sie befremden und irritieren mehrmals. Ideenreich sind jedoch die Kostüme von Raphaela Rose.

Das Libretto schrieb Felice Romani, Schriftsteller und angesehener Librettist bedeutender Opern. In Francesca da Rimini wird die Handlung von drei Handelnden getragen: von Francesca, die ihre Liebe nicht leben kann, von Lanciotto, den Eifersucht und Rachegefühle in den Wahnsinn treiben, von Paolo, der zwischen Bruderliebe und Liebe zu Francesca hin- und hergerissen ist.

Der Komponist Saverio Mercadante war sehr produktiv, sehr wandlungsfähig. Als er 1870 starb, war er hochgeehrt. Sein Werkkatalog verzeichnet 60 Opern, 21 Messen, vier Ballette und viele symphonische und kammermusikalische Werke. Eine Jahrhundert-Erscheinung.

Er war nicht nur „Zeitgenosse“ von Rossini, Bellini, Donizetti und Verdi, sondern deren kreativer Widerpart. Die Kollegen profitierten von ihm. Er war ein Komponist von europäischem Rang, der jedoch in Vergessenheit geriet. Jahrzehntelang hat er das italienische Musikleben beeinflusst. Ab 1826 war er, nachdem ihm wegen eines Misserfolgs gekündigt worden war, einige Monate in Madrid, später ging er nach Paris. Er galt als Reformer. („Mercandante, ein verkannter Meister“ von Michael Wittmann, zitiert im Programmheft)

Viele Komponisten zeigten Interesse an der Figur der Francesca da Rimini. Der italienische Komponist  Riccardo Zandonai schrieb 1913 seine Oper, die in Turin uraufgeführt wurde und von der Deutschen Oper Berlin 2021 –im Live stream – aufgeführt wurde. (Regie Christof Loy – Francesca: Sara Jakubiak, die bis 2017/ 18 der Frankfurter Oper verbunden war und sie 2015 Marta dargestellt hat.

Die drei Protagonisten des „Drama“ von Mercadante, die um die drei Stunden hauptsächlich das Geschehen tragen, werden vom Chor (Tilman Michael) unterstützt.

vorne v. l. n. r.: Theo Lebow (Lanciotto), Jessica Pratt (Francesca) und Kelsey Lauritano (Paolo; in weißem Hemd) sowie im Hintergrund Ensemble

Der spanische Dirigent Ramón Tebar, erstmals an der Oper Frankfurt, und die Musiker des Frankfurter Opern- und Museumsorchester lassen wunderbare Musik hören und unterstützen die Sängerinen und Sänger einfühlsam.

Die ausstralische Sopranistin Jessica Pratt singt Francesca. Es ist ihr Debüt in Frankfurt. Sie beherrscht ein Repertoire von 40 Rollen und gastiert weltweit an allen bedeutenden Opernhäusern. Sie singt die Titelpartie wuchtig, erreicht mühelos alle hohen Spitzentöne und wird auch schauspielerisch der Rolle gerecht. In den April-Aufführungen übernimmt Anna Nekhames die Rolle.

Die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano singt Paolo.– überzeugend. Sie brilliert in der Hosenrolle.

Lanciotto, der eifersüchtige, hasserfüllte Ehemann, wird vom jungen amerikanischen Tenor Theo Lebow interpretiert. Er tobt in höchsten Tönen, aber auch verhalten in verzweifelter Situation. Eine großartige Leistung des Ensemblemitglieds.

Soeben wechselte Erik van Heyningen vom Opernstudio der Wiener Staatsoper ins Frankfurter Ensemble. Sein ausgewogener Bariton gibt Guido, Francescas Vater, der die Tochter aus politischen Motiven betrog, seine Stimme.

Wenig, aber eindrücklich zu singen, haben Karolina Bengtsson als Dienerin Isaura und Brian Michael Moore als hetzerisch-bösartiger Guelfo, im Dienste Lanciottos.

Das Publikum feierte begeistert die zweite Aufführung.

Weitere Aufführungen:

 25. März  – anschließend Oper lieben

am 2. und 8. April 2023

www.oper-frankfurt.de

Telefonischer Kartenverkauf 069 212-49494

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