Wo Schneeglöckchen und Krokus sich begegnen
FROHES FRÜHLINGSERWACHEN!
Reflexionen und Fotos von Paulina Heiligenthal
„Froh und lachend kommt der Frühling.
Auf in den Garten! Nun ist‘s Zeit!
Zeit der Wollust, Zeit der Freude,
Zeit der Lust, der Wangenflur!“
Verse des Gedichtes „Aus dem Buchstaben Ra“ von
Rumi, Poet und Mystiker (1207 – 1273)
Wo Krokus und Schneeglöckchen einander begegnen, ist der Frühling nicht mehr weit…; Alle Fotos: Paulina Heiligenthal
Eine verführerische Sonne lockt am Dienstag, dem letzten Februartag, ins Freie. Die erwachende Natur lädt ein, mit allen Sinnen erkundet zu werden. Beschwingend und anregend. Das blaue Himmelsband lässt nur allzu schnell den Wintermonat, die wärmende Jacke und auch den eisigen Wind vergessen.
Waldwiesen, Auen und Laubwälder sind die bevorzugten Standorte der Schneeglöckchen
Noch bevor ich das farbenfrohe Hinweisschild von BUND mit Informationen über das Schutzgebiet „Niederweid“ am Erlenbach/Burgholzhausen erreiche, überrascht mich am lichten Waldeingang ein üppiger Blütenteppich von weißen Schneeglöckchen. Die zarten, sensiblen und robusten Frühblüher läuten hier lautlos den Vorfrühling ein und erhellen mit ihrer Grazie die Seele. Mittels eines eingebauten Kraftwerks, das eigene „Biowärme“ von 8-10° produziert, strecken diese zauberhaften Blütengeschöpfe nach dem Frost bei den ersten Wärmestrahlen ihre Köpfchen durch die Schneedecke. Dem Licht entgegen. Spektakulär. Ein Wunder der Natur.
Eine natürliche Brücke führt über glasklares Wasser des wildromantischen Erlenbaches
Als Adam und Eva nach dem Sündenfall des Paradieses verwiesen wurden, war es zu diesem Zeitpunkt Winter auf Erden. Eva wurde dadurch mutlos und schien verzweifelt. Ein Engel versprach Hoffnung auf den Frühling. Wegen des vielen Schnees bezweifelte Eva dies sehr. Da hauchte der Engel die Schneeflocken an. Sie fielen zur Erde, um sich in liebliche Blumen zu verwandeln. Zeichen von Trost und Liebe. Inspiration für Poeten.
Das Schneeglöckchen, Galanthus bildet eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Amaryllisgewächse.
Nicht verwunderlich ist es, dass viele Eigenschaften das Schneeglöckchen charakterisieren. Es gilt als Hoffnungsträger für das allmähliche Erwachen der Natur nach der bald endenden Winterzeit. Ihm wird eine besondere Widerstandsfähigkeit der frostigen Winterzeit gegenüber zugeschrieben. Aufgrund der weißen Farbe steht das Schneeglöckchen traditionell für Reinheit und Unschuld, sowie für Licht und Vertreibung von bösen Geistern im neuen Jahr. Trotz der Widerstandsfähigkeit symbolisiert das Schneeglöckchen auch Zärtlichkeit.
Um es auf einen Nenner zu bringen: Das Schneeglöckchen versinnbildlicht eine Kombination aus hoffnungsvoller Lebenskraft und, bei gleichzeitiger Unschuld und Zerbrechlichkeit, die Fähigkeit, Hindernisse zu überwinden.
Die Wintersonne spiegelt sich vergnüglich im Erlenbach und wärmt die Wurzeln der Kopfweide
Der Erlenbach ist ein Mittelgebirgsbach, der in der Nähe zum Großen Feldberg/Hoch-Taunus, unterhalb des Kamms entspringt. Nach ca. 30 km mündet er bei Bad Vilbel, Massenheim in die Nidda. Über Neu-Anspach und Wehrheim, auf der Höhe der Lochmühle, durchbricht er das Köppener Tal. Hier gewinnt der Erlenbach seine Selbstreinigungskraft zurück (Güteklasse I), die durch die Landwirtschaft bei Neu-Anspach mäßig belastet (Güteklasse II) ist. Der Bach führt konstant so viel Wasser, dass sich in historischen Zeiten sieben Mühlen auf Wehrheimer Gebiet angesiedelt haben.
In den 1980-Jahren übernahm der lokale Ortsverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, im Bereich der Gemarkung Friedrichsdorf, die Bachpatenschaft über das ca. 2 ha große Gebiet „Niederweid“. Ihre Aufgabe besteht in der Reinigung des Gewässers, Beobachtung der Gewässergüte, der Sicherung und Pflege der Gehölze in den Uferzonen. In Vegetationslücken werden junge Schwarz-Erlen angepflanzt und die Kopfweiden gepflegt. Eine wunderbare Aufgabe! Unübersehbar ist der gepflegte Weg, entlang des mäandernden Baches. Erfreulich ist die wildromantische, naturbelassene Landschaft. Wohltuend, diese Oase der Ruhe und der Stille.
Einer Erzählung nach verwandelte ein Engel herumfliegende Schneeflocken in Blumen als Hoffnungsträger, nachdem Adam und Eva aus dem Garten Edens vertrieben waren
Schneeglöckchen werden auch weiße Jungfrau, Milchblume oder Frühlingsglöckchen genannt. Sie stammen hauptsächlich aus der Türkei und aus dem kaukasischen Hochland der Autonomen Republik Adscharien/Georgien. Von dort landen die Zwiebeln der Wildblumen auf dem niederländischen Markt mit Deutschland als Hauptabsatzgebiet. Es gibt zahlreiche Sorten, mindestens 20, die allesamt giftig sind. Für seltene Sorten bezahlt der Liebhaber ein Vermögen.
Am Erlenbach finden sie hervorragenden Bedingungen, bleiben völlig unberührt und können sich unterirdisch weiter vermehren. Eine weiße Blütenpracht breitet sich vor meinen Augen aus. Links und rechts des Weges, vor und hinter verwunschenen Gartenlauben verzaubern sie die wilde Auenlandschaft. Eigenständig haben sie sogar den Weg in den Schattenbereich der gegenüberliegenden Uferseite gefunden, zu den elfengleichen Wildkrokussen, Crocus Tommasinianus aus der Familie der Schwertliliengewächse, an der sonnengewandten Uferseite. Die Elfenkrokusse sind eher kleiner, aber oho, auch vermehrungsfreundlicher. Sie bilden jedes Jahr eine neue kugelige Knolle, die von der Energie der Mutterknolle wächst und deren Nährstoffe über den Winter gespeichert werden.
Die ersten Farbtupfer des Jahres, zartlila mit orangefarbener Narbe, haben sich auf der Sonnenseite des Baches in ungeahnter Opulenz zu einem Blütenmeer entfaltet. Eine Augenweide. Ein Schlaraffenland für Bienen. Eine Begegnung mit den Schneeglöckchen, die in der unmittelbaren Nähe, im Schattenbereich erblühen.
Krokus, so heiter, so sinnlich
Die sensiblen Blüten der Krokusse reagieren schon bei einem Temperaturunterschied von nur 0,2° und schließen bereits bei größeren Wolken.
In der frühen Antike war der Krokus vermutlich schon den Ägyptern, Hebräern und Phöniziern als Heilpflanze und in der Küche bekannt. Er fand Verwendung in der Herstellung von Duftstoffen, die wiederum bei der Einbalsamierung der Mumien eine Rolle spielten.
In der klassischen Mythologie war Krokos eine Sagengestalt, die in eine Pflanze, den Namensgeber, verwandelt wurde.Die Römer verwendeten den Krokus als Parfum und zum Färben von Gewändern und Schuhen. Im Mittelalter wurde die Pflanze als Allheilmittel, als König der Pflanzen eingesetzt.
Krokus-Komposition: lila mit grün
Es gibt ca. 235 Krokusarten, die vor allem im Orient, auch in Europa, Nordafrika und bis nach China verbreitet sind. In gemäßigten Breiten sind sie in Parkanlagen und Gärten auf der ganzen Welt zu bewundern.
Da Frühlingsboten wie Schneeglöckchen und Krokus nur noch selten in der freien Natur anzutreffen sind, stehen sie unter Naturschutz und dürfen daher weder gepflückt, gerupft, noch ausgegraben werden.
Zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt, vom Spätsommer bis zum Herbst, blüht die krokusähnliche Herbstzeitlose auf feuchten Wiesen und Weiden. Ursprünglich in Westasien beheimatet, hat sie sich in Süd- und Mitteleuropa weit verbreitet und kommt auf frischen Wiesen und in lichten Auwäldern vor. Trotz ihrer Schönheit gilt sie als eine der giftigsten einheimischen Pflanzen, deren Verzehr tödlich sein kann. Für Mensch und Tier. Fast überall steht sie auf der Roten Liste.
Auf 3.600 Jahre alten Fresken aus Kreta und Santorin sind bereits die Narben des Safran-Krokus, crocus sativus, in rituellen Handlungen dargestellt. Archäologen stießen in minoischen Palästen auf mit Safran bemalte Bildgeschichten, die Tontöpfe schmückten. Geschätztes Alter 3.600 bis 4.000 Jahre.
Safran war neben Purpur die Farbe der Kaiser, Könige und Pharaonen. Ein Statussymbol in Europa, auch in Ägypten und China, für Reichtum, Macht, Wohlstand und Exklusivität, dem Adel und der Herrscherklasse vorbehalten. In Indien hatte die göttliche Farbe keine materielle, sondern eine spirituelle Bedeutung. Vorrangig steht sie für die kontemplative Meditation und den inneren Einkehr, mit dem Ziel der Erleuchtung. Ihre leuchtende Farbe ist heilig, der aufgehenden Sonne gleich.
Schönheiten des Vorfrühlings, auch in anderen Kulturen
In der Medizin des Orients hat Safran schon seit Jahrtausenden einen hohen Stellenwert inne. Die Ägypter setzen Safran als Mittel gegen Nierenprobleme ein. Im 14. Jahrhundert beruft sich Konrad von Megenberg in seinem medizinischen Lehrbuch auf Dioskundes/Plinius, der Safran gegen Augen- und Magenschmerzen empfiehlt. Bei moderaten Formen der Depression weist Safran einen stimmungsaufhellenden Effekt auf. Safran gilt als Aphrodisiakum und hat eine positive luststeigernde Wirkung auf die Sexualorgane.
Nach unabhängigen Studien soll die Ursprungswiege in Attika, Griechenland gestanden haben. Seit 4.000 Jahren wird Safran als Gewürz-, Heil- und Färbepflanze kultiviert und ist in seiner Art einzigartig. Aus den zartlila Blüten werden die drei orangeroten Stempelfäden gewonnen und zunächst getrocknet. Um ein Kilo der Kostbarkeit zu gewinnen, müssen 150.000 bis 200.000 Blüten mit viel Fingerspitzengefühl geerntet werden. Diese intensive Handarbeit erklärt den hohen Preis des Edelgewürzes, der bei bis zu € 15.000,- pro Kilogramm liegt. Um Transparenz im Preis zu ermöglichen, hat die Int. Organisation für Normung eine ISO-Norm, die ISO 3632-2 für Safran, aufgestellt.
Hierbei werden Werte für 1. Crocin, Carotinoid für die goldgelbe Farbe, 2. Mindestwerte für Picrocrocin, das Safranbitter und 3. Safranal, Hauptaroma und Duftstoff definiert. Verantwortlich für die ISO-Werte sind das Anbaugebiet, die Trocknung, die Frische und Lagerung der Safranfäden.
Meine Schatztruhe voll „roten Goldes“
Das größte Anbaugebiet Europas, welches ausgezeichnete Qualität liefert, befindet sich in der kastilischen Hochebene, südlich von Madrid. Allerdings wird Safran auch in Italien, Griechenland, Frankreich sowie in Österreich und der Schweiz angebaut.
Jenseits des Hohen Atlas, im kleinen Ort Souktana, Marokko wird auf einer Höhe von 1100 m das edle Gewürz bereits seit Jahrhunderten kultiviert.
Seit einigen Jahren heißt es auf der Schwäbischen Alb „Bücken und Pflücken“. In Sonnenbühl wird von Oktober bis Anfang November den Alb-Safran geerntet. Ein Genussweg führt an den Safranfeldern entlang. Mittlerweile gibt es in Deutschland 12 Safranbauer. In der Nähe von Dresden wird z.B. der Sachsen-Safran angebaut. Eine Traditionspflanze, die bis ins 16 Jh. dort erblühte. Auch in der Lausitz, bei Leipzig und in Thüringen gibt es Anbaugebiete für Safran.
Jedoch 85% der Weltproduktion dieser kostbaren Spezerei stammen aus dem Iran. Der Hauptanteil wird in der grenzübergreifenden Region von Herat, in Khorassan, auf iranischem Gebiet angebaut. Seit 2006 wird in Afghanistan Safran in großem Umfang und von hervorragender Qualität kultiviert und als wirtschaftliche Perspektive für die Bauern von der Regierung gefördert. Safran statt Opium.
Der Symbolpflanze wird eine aphrodisierende und stimmungsaufhellnde Wirkung zugeschrieben
Bei der Anwendung gilt das verkürzte Paracelsus Zitat: „NUR DIE DOSIS MACHT DAS GIFT!“ Safran, das rote Gold mit seiner intensiven Farbe, sorgt bei moderater Anwendung für mehr Spaß im Leben: Seit der Antike wird es als hochpotentes Heilmittel und als natürliches Potenzmittel sowohl von Frauen als auch von Männern geschätzt.
Es zeigt sich stimmungserhellend bei milderen Depressionen und wirkungsvoll bei PMS-Syndrom. Es ist stark antioxidativ und wirkt entzündungshemmend. Zur Erlangung der Bikini-Figur ist Safran als Appetithemmer ein treuer Freund. Paracelsus, der leidenschaftliche Befürworter der Pflanzenheilkunde, ging von folgender These aus:
„ Jeder Stern im Himmel ist ein geistiges Gewächs, dem ein Kraut bei uns auf der Erde entspricht; der Stern zieht durch seine Anziehungskraft das ihm entsprechende Kraut auf der Erde an, und jedes Kraut ist daher ein irdischer Stern und wächst über sich dem Himmel zu.“
Aus dem Safrankrokus zauberten die Römer eine Salbe, aus der ein Liebesgetränk entstand. Dieses Getränk wurde auf die Betten der Liebenden gesprenkelt – als Blume der Nacht. Symbolisch für die Leidenschaft und die Liebe.