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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das reich orchestrierte Jahresprogramm der Kronberg Academy

Ein Kammermusikfest im Mai und das Kronberg Festival zum September-Ausklang

Von Uwe Kammann

Die Handwerker werkeln noch, selbst im Foyer des spektakulären Hauses. Am Innenbau ist noch einiges zu tun, der mit improvisierten Schildern markierte Weg von der Tiefgarage bis zum Konzertsaal wird manche Besucher noch irritieren. Doch das Baustellen-Finale (wann wird es zu Ende sein, wo doch schon im letzten September die Eröffnungskonzerte begeisterten?) wird niemanden davon abhalten, in den kommenden Monaten das Casals-Forum zu besuchen.

Noch wird gewerkelt am Casals Forum in Kronberg, Foto: Uwe Kammann

Zu attraktiv ist die Fülle an ganz verschiedenartigen musikalischen Darbietungen, zu wohlkomponiert das ganze Jahresprogramm, das auch unter einem besonderen Stern steht: denn zu feiern sind jetzt auch drei Jahrzehnte, seit die Kronberg Academy zum kulturellen Mittelpunkt der Taunusstadt geworden ist – und (welt-)weit darüber hinaus.

Im Programmheft für das Frühjahrs-Festival im Mai betonen der Intendant, Raimund Trenkler, und der Künstlerische Leiter, Friedemann Eichhorn, völlig zu Recht, dass an diesem Ort „Menschen verschiedener Generationen und vieler Nationen zueinander finden, indem sie miteinander musizieren. Wir glauben, dass Kammermusik die Welt verbindet!“ Nicht zu übersehen: das Ausrufezeichen.

Diesen Grund- und Glaubenssatz aufnehmend, heißt das Motto des Kammermusikfests (7. bis 14. Mai) im nun bald (?) auch baulich vollendeten Forum zwischen Victoriapark und S-Bahnhof: Chamber Music Connects the World. Es soll ein Festival werden, so unterstreicht Trenkler bei einer Auftakt-Pressekonferenz, „das alle Dimensionen sprengt“. Das gilt natürlich zuallererst für die acht Konzerte, die von 40 ehemaligen Studenten – hier nach internationalem Brauch Alumni genannt – aus 21 Nationen bestritten werden; und die, das ist Trenkler und Eichhorn als Leitlinie wichtig, die kammermusikalischen Höhepunkte aus der Musikgeschichte präsentieren sollen.

Friedemann Eichhorn, künstlerischer Leiter und Raimund Trenkler, Intendant, bei der Pressekonferenz im Kabinettsaal, Foto: Petra Kammann

Was dann auch heißt: In den thematisch konzentrierten Konzerten – von Viva Italia über Apotheose des Tanzes und Eats meets West bis zum Abschluss mit Gassenhauer – wird deshalb auch nicht unter nächtlichen Auspizien auf Mozarts sonst in allen Variationen in Eichhorns Ohren „verunstaltete“ Kleine Nachtmusik verzichtet; die Akademie werde eine ursprüngliche und „wunderbare“ Fassung präsentieren, zusammen mit Arnold Schönbergs Verklärter Nacht und Rachmaninoffs Trio Elégique.

Überhaupt: Alles zusammen soll „Kammermusik in schönster Form“ dem Publikum nahebringen, in einigen Fällen auch mit einer Einführung durch den künstlerischen Leiter. Der auch bei dieser Gelegenheit wieder vom allseits hochgelobten Saal schwärmt, der feinste Nuancierungen und Schattierungen erkennen lasse, so, als ob man bei einem Bild jeden Bleistrichstift wahrnehmen könne, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.

Dies gelte natürlich für alle instrumentellen Formationen; wobei Raimund Trenkler dem oft gehörten „Missverständnis“, das Cello sei vorrangig, entgegensetzte, es habe zwar am Anfang der Akademie-Arbeit gestanden, doch hätten die anderen Instrumente keinen minderen Wert: „Wir sind ein Kammermusik-Zentrum für Streicher und Klavier“. Auch dies werde sich in den Darbietungen mit der Vielzahl der Alumni – von denen manche bei der Gründung („in gewissem Sinne ein Start-up“) noch gar nicht geboren waren, zeigen.

Der 30. Geburtstag der Akademie selbst wird dann im Herbst, beim inzwischen traditionsreichen Kronberg Festival (21. September bis 3. Oktober) gefeiert werden. Schon zu sehen: Es wird sicher eine Veranstaltung der Superlative werden, mit 25 Konzerten, die von weltweit renommierten Solistinnen und Solisten bestritten werden, auch von jungen Spitzentalenten der Akademie. Acht Orchester und Ensembles werden beteiligt sein, darunter natürlich auch das Chamber Orchestra of Europe, das in der Akademie seinen Residenzort gefunden hat.

Verbunden mit der Geburtstagsfeier ist die gedenkende Erinnerung an den 50. Todestages von Pablo Casals, dessen Credo „Zuerst Mensch“ auch zur zentralen Denkfigur der Akademie gehört. Nicht umsonst hat sie den Namen des großen Cellisten auf ihr weltweit einmaliges Forum übertragen. Beim Herbstfestival sollen, dies gehört zum Programm, auch „die Persönlichkeit und Botschaft des Ausnahmemusikers, Philantropen und Friedenskämpfers“ Casals beleuchtet und gewürdigt werden.

Auch im Foyer steht noch viel Detailarbeit an, Foto: Uwe Kammann

Dass die Arbeit der Akademie nicht nur auf musikalischen Extra-Glanz ausgerichtet ist, das wird sich in diesem Jahr auch in so genannten Sozialkonzerten wiederspiegeln, die sich Menschen mit Krankheitsbildern wie Demenz oder anderen Einschränkungen öffnen sollen. Begleitet wird dies mit Vorträgen und internen Seminarverstaltungen, welche untersuchen, wie Musik auf Menschen wirkt, ohne dies mit übertriebenen Erwartungen zu verbinden. Doch stehe schon die Frage im Raum, so Trenkler, „wo und wie Musik wertvolle Impulse setzen“ könne. Zu den Vortragenden wird auch der Musikpsychologe Stefan Kölsch (Goethe-Universität Frankfurt) zählen, dessen Buch „Good Vibrations. Die heilende Kraft der Musik“ zu den Standardwerken dieser Forschungsrichtung gehört.

Zu den Besonderheiten des Frühjahrs-Festes gehört auch, dass es zahlreiche Gelegenheiten gibt, über Öffentliche Proben dem vorbereitenden Entstehen von Musik beizuwohnen, also gleichsam in die Werkstattatmosphäre einzutauchen. Weiter sollen auch Kinder von  5 bis 10 Jahren beim ersten Konzert (am 19. März) über das Format Classic for Kids mit klassischer Musik vertraut gemacht werden. Eine zentrale Rolle übernimmt dabei der Musikerzähler Christoph Gotthardt, der die Kinder auf eine musikalische Zeitreise mitnehmen wird – eine Vermittlungsform, die im Juli und November fortgesetzt werden wird.

Handwerkermangel und der Kampf um Lieferketten beeinträchtigen die Detailarbeit der Fertigstellung, Foto: Uwe Kammann

Direkt ins Zentrum der Akademiearbeit führen dann fünf Tage im Juni (21. bis 25.): Denn dann, zum Abschluss des Studienjahres, sind die Bachelor- und Masterkandidaten in ihren Prüfungskonzerten zu erleben; ebenso ist auch Kammermusik aus den Professional Studies zu hören, bei denen die Studierenden die Konzertprogramme selbst zusammenstellen. Geboten werden, so ist es jetzt angekündigt, Glanzstücke der Sonaten- und Kammermusikliteratur, auch „virtuose Kabinettstücke und ausdrucksstarke Kompositionen des 20. Und 21. Jahrhunderts“.

Die Aussichten sind also – das lässt sich schon an der Variationsbreite der Veranstaltungen, aber auch an der Fülle der Beteiligten ablesen –  mehr als vielversprechend. Unter www.kronbergacademie.de lässt sich dieser Reichtum leicht erschließen und mit der notwendigen Terminplanung verbinden. Die zwei großen Themenveranstaltungen – Chamber Music Connects the World und das Kronberg Festival – werden auch in Zukunft das Frühjahr und den Herbst prägen. Spätestens im nächsten Jahr werden dann wahrscheinlich nur noch die Ausführenden und die Liebhaber der Kammermusik im Casals-Forum zu sehen sein und den Ton angeben. Kleine Kreissägen, wie jetzt im Foyer eingesetzt, werden dann höchstens noch in Avantgarde-Stücken zu hören sein.

So sieht es hoffentlich spätestens zum Casals Jubiläums-Festival aus. Simulierte Außenansicht des Casalsforum, © Marcus Ebener

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