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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt an VALIE EXPORT für ihr Lebenswerk

Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde seit 1978 insgesamt fünfzehn Mal vergeben und zählt deutschlandweit zu den bedeutendsten Kunstpreisen und wurde ins Leben gerufen, um hervorragende Leistungen in den Bereichen Malerei, Grafik, Bildhauerei und Architektur zu würdigen. Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig verlieh den Max-Beckmann-Preis 2022 der Stadt Frankfurt an die österreichische Künstlerin VALIE EXPORT in der Paulskirche. Nach Maria Lassnig, Barbara Klemm, Agnès Varda und Cindy Sherman ist VALIE EXPORT die fünfte weibliche Preisträgerin. Die Laudatio sprach die Schweizer Performance- und Objektkünstlerin Sylvie Fleury.

Die Preisverleihung an die Künstlerin VALE EXPORT fand in der Paulskirche statt, Foto: Andreas Varnhorn / Stadt Frankfurt


VALIE EXPORT, 1940 in Linz als Waltraud Lehner geboren, gilt heute als Ikone des Feminismus und als Pionierin der Medienkunst. Werkblöcke der Künstlerin finden sich in berühmten Museen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Museum of Modern Art in New York oder der Tate Modern in London. Ihre künstlerischen Ausdrucksmittel bewegen sich zwischen Fotografien, Skulpturen, body performances, Videos, Großinstallationen und Texten. Früher teils hart für ihre Radikalität kritisiert, gilt sie heute als Ikone des Feminismus und Pionierin der Medienkunst. Häufig wird sie auch dem Umfeld des Wiener Aktionismus zugerechnet, obwohl ihre Formen der Arbeit sich sowohl ästhetisch, wie auch inhaltlich und formal von diesem unterschieden.

VALIE EXPORT setzte sich in ihrer Jugend mit Kunstgeschichte auseinander, experimentierte mit der Fotokamera und besuchte die Kunstgewerbeschule, bevor sie 1960 nach Wien zog. Nachdem sie 1964 die Höhere Bundeslehranstalt für Textilindustrie mit einem Diplom in Design abschloss, arbeitete sie einige Zeit zunächst in der Filmbranche als Cutterin und Script Girl. 1966 verfasste sie ihren ersten filmischen Text „AUS ALT MACHT NICHT NEU – ein Versuch der sinnlosigkeit. metaphorische bildassoziation, Projekt“. 1967 nahm sieden  ihren Künstlernamen VALIE EXPORT an und brachte damit ihr Bedürfnis zum Ausdruck, die eigenen Gedanken nach außen zu transportieren. Im Anschluss daran entstand ihr erstes Kunst-Objekt, in dem sie zwar die Zigarettenmarke Smart Export zitierte, sie aber  für ihre eigene Namensdarstellung umänderte.

Mit ihren Aktionen schafft VALIE EXPORT Ende der 1960er Jahre ikonische Bilder, die sich bis heute in das visuelle Gedächtnis eingebrannt haben. Die frühen Arbeiten zeichnen sich durch die Auseinandersetzung mit Feminismus, Aktionskunst und dem Medium Film – insbesondere Ende der 1960er Jahre mit der Bewegung des Expanded Cinema – aus. Eine ihrer bekanntesten Aktionen war 1968 das Tapp- und Tastkino, bei der sie bewusst und provokant die weibliche Intimsphäre durchbricht und als Frau öffentlich in eine vorherrschende Definition von Kunst eingreift; gleichzeitig stellt sie den männlichen Voyeurismus zur Schau. 1970 veröffentlichte sie zusammen mit Peter Weibel „Wien – Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film“, wofür sie dort wegen Verbreitung von Pornographie zu einem Monat Haft verurteilt wurde. VALIE EXPORT bricht mit ihren Aktionen immer wieder mit gesellschaftlichen Tabus und setzt ihren Körper als Waffe ein. Offensiv sucht sie nach einem weiblichen Ausdruck sexueller Selbstbestimmung, wobei sie die Kunst als Medium des Feminismus’ nutzt.

Laudatorin Sylvie Fleury, die Preisträgerin VALIE EXPORT und Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig, Foto: Andreas Varnhorn / Stadt Frankfurt

In der Begründung der Kuratoriumsmitglieder heißt es: „Sie ist eine Pionierin der Medien- und Aktionskunst, des experimentellen Films und eines künstlerischen Feminismus, der seit den 1960er Jahren die vorherrschende Wahrnehmung des weiblichen Körpers in einer patriarchalischen Gesellschaft radikal dekonstruiert hat. Mit den Mitteln einer performativen Avantgarde, die auf soziale Veränderungen zielt, hat sich die 1940 geborene österreichische Künstlerin VALIE EXPORT schon früh mit Themen wie Geschlechterrollen, Zuschreibungen von Identität und der Befreiung aus Konventionen beschäftigt. Dabei hat sie Grenzen zwischen Kunsträumen und Alltagswirklichkeit, Abbild und Realität, Theorie und Praxis überschritten, ist ein hohes persönliches Wagnis eingegangen und ebnete den Weg für zahleiche Künstlerinnen, die eine entschieden weibliche Perspektive einnehmen. Die Stadt Frankfurt verleiht den … Max-Beckmann-Preis 2022 an eine so innovative wie unerschrockene, so kompromisslose wie spielerisch agierende, so formal avancierte wie gesellschaftspolitisch wirkende Künstlerin, deren Werk auch in der Gegenwart nichts von seiner Aktualität und Relevanz eingebüßt hat. Im Gegenteil kann es als Maßstab für eine engagierte Kunst gelten, dass sie sich eine heute nicht mehr selbstverständliche Freiheit des Ausdrucks nimmt.“

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig lobte die Entscheidung und gratulierte der Künstlerin: „Es ist uns eine besondere Ehre, den Max-Beckmann-Preis 2022 der österreichische Künstlerin VALIE EXPORT überreichen zu können. Mit dem Namensgeber des Preises Max Beckmann teilt sie eine kompromisslose Ästhetik. VALIE EXPORT inspirierte feministische Protestaktionen und Künstlerkolleginnen wie die letzte Max-Beckmann-Preisträgerin Cindy Sherman oder auch Marina Abramovic und reicht bis in die aktuelle Kultur- und Pop-Industrie. Ihr Werk beruht auf genauer Beobachtung und Analyse von gesellschaftlichen, medialen und geschlechtsspezifischen Konstruktionen und hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Ich gratuliere VALIE EXPORT zu dieser Auszeichnung aufs Herzlichste. Der Max-Beckmann-Preis ist nicht nur einer der höchstdotierten Preise unserer Stadt, sondern deutschlandweit einer der bedeutendsten Kunstpreise überhaupt und unterstreicht den Stellenwert Frankfurts als internationale Kulturstadt.“

Der Max-Beckmann-Preis wird seit 1978 im Abstand von drei Jahren eigentlich jeweils zum Geburtstag von Max Beckmann vergeben und erinnert an einen Künstler, der das kulturelle Leben Frankfurts wie kaum ein anderer nachhaltig geprägt hat. In diesem Jahr fand die Verleihung pandemiebedingt ausnahmsweise nicht am 12. Februar, sondern am Samstag, 18. Juni statt.

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