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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„L’amour de loin“ – die erste Oper der finnischen Komponistin Kaija Saariaho

Bilder einer fernen Liebe an der Kölner Oper

von Simone Hamm

Auf Opernbühnen – national wie international – ist es immer noch eine Seltenheit, wenn eine Oper einer Komponistin aufgeführt wird. „L’ amour de loin – Liebe aus der Ferne“ ist so eine Rarität, eine Oper, die im Jahr 2000 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt worden ist und die 2016 an Metropolitan Opera in New York zu sehen war. Die Geschichte der Liebe aus der Ferne, die im 12. Jahrhundert spielt, hatte jetzt an der Kölner Oper Premiere.

Emily Hindrichs, Daniel Calladine, der stumme Doppelgänger des Troubadour ©Foto: Paul Leclaire / Oper Köln

Das Libretto stammt von Amin Maalouf. Der Troubadour Jaufré Rudel, der Prinz Blayle aus Aquitanien, ist enttäuscht von einem Leben, da nur auf Vergnügen aus ist und frommt dem Ideal einer reinen, schönen, edlen Frau. Ein Pilger erzählt ihm, dass es eine solche Frau gebe, eine Prinzessin aus Toulouse, die seit ihrer Kindheit in Tripoli lebt.

Der Troubadour verliebt sich in sie, ohne sie gesehen, gehört, gespürt zu haben. Eine „amour de loin“. Er widmet ihr die schönsten Lieder, die ihr dann der Pilger, der über die Meere reist, vorsingt. Clémence empfindet diesen Zustand als ideal. Geliebt zu werden, lieben, ohne sich nahe zu sein, ohne mit der Realität konfrontiert zu werden.

Der Troubadour hingegen will die Angebetete kennenlernen, um noch schönere Lieder schreiben zu können. Voller Sehnsucht besteigt der Prinz schließlich ein Schiff, um zu der Geliebten zu gelangen. Er wird krank und stirbt in ihren Armen.

Bei Kaija Saariaho werden Orchester und Sänger von elektronischen Einspielungen unterstützt. Das Gürzenich Orchester unter Constantin Trinks schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Manchmal ist da ein fernes Summen der Streicher zu hören, das immer mehr anschwillt, dann wieder ein lautes Schluchzen der Oboe. Die Brücke zum Schlagwerk bilden zwei Harfen und ein Klavier. Denn es sind viele Schlaginstrumente zu hören: Vibraphon, Marimba, Trommeln, Becken, eine Triangel, ein Tamburin, auch eine japanische Trommel. Saariahos Musik führt hin zu mittelalterliche Klängen, der Chor singt bisweilen orientalisch anmutende Melodien. Düster und dunkel kann das Orchester klingen.

In Köln steht in einem großen Kasten der liebende Troubadour (Holger Falk, der manchmal regelrecht gegen das Orchester ansingen muss). Wie Rilkes „Panther“ geht er unruhig auf und ab. Nur in seiner Phantasie ist er glücklich. Das ist Aquitanien. Auf einem Gestell aus beigen Wellen, das Wüste wie Meer symbolisieren kann, steht Clémence (Emily Hindrichs), die sich im Laufe des Abends immer mehr steigert, die Stimme wird umso fester, je mehr sie erkennt, was ihr diese Liebe bedeutet. Das ist Tripoli.

Dazwischen sitzt das Orchester. Der stimmlich sichere und klare Pilger (Katrin Wundsam) wandert hin und her. So wird die Bühne des Staatenhauses, das Provisorium in dem die Oper untergekommen ist, perfekt genutzt. Das Orchester ist wie das große Meer zwischen den Liebenden. Musikalisch ist dies ein großer Opernabend.

Jede Person hat noch einen stummen Doppelgänger. Als ob man sonst nicht verstünde, dass es sich bei der Liebe aus der Ferne um Projektion handele. Im Hintergrund laufen Videos. Haare, die beiseite geschoben werden, Wasserflächen, Gesichter, die aneinanderliegen, Haut.

Ob der Troubadour und die Prinzessin aber einander begehren oder eher Ideal der geistigen Liebe teilen, das lassen Librettist Amin Maalouf und Komponistin Kaija Saariaho klug offen. Johannes Erath legt sich fest.

„L’amour de loin“ ist eine Oper für drei Sänger. Musik und Geschichte reichen aus, das Publikum zu fesseln. Mit Doppelgängern, Spiegeln und Videoinszenierungen ist dieser Abend viel zu überladen.

Welch kühne Idee hatte Johannes Erath, die Liebenden auch dann an verschiedenen Orten singen zu lassen, als der Troubadour in den Armen von Clémence stirbt. Sie bleiben einander fern.

Sie singen von einer Liebe, die hätte sein können, niemals war und nicht ist. Und wie schade, dass Erath dieses Bild der selbst im Tode nicht zueinander findenden Liebenden zerstört hat, in dem er sowohl Jaufré als auch Clémence einen Doppelgänger des jeweils anderen zur Seite stellte. Da liegt der schweigende Schauspieler in den Armen der trauernden Gräfin.

 

DIE OPER KÖLN IM STAATENHAUS

Weitere Termine:

6., 10. und 13. November 2021

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