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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Abi in Corona-Zeiten – eine spezielle Herausforderung für Schüler und Lehrer – mit Happyend

FeuilletonFrankfurt berichtete bereits über den „Prix AbiBac 2020″, die Auszeichnung über das zweisprachige Abitur im Rheinland. Hier lesen wir, wie eine Abiturientin im Südwesten das Procedere im Lockdown empfunden hat.

Ein Bericht von Louisa Heier

Zur Fastnacht 2020 schien die Welt noch in Ordnung…

Feucht-fröhlich ging’s noch bei der Karnevalsfeier zu; Foto: Liam Merle

Ausgelassen feierte ich mit Freundinnen und Freunden die “fünfte Jahreszeit“, bevor es auf die Zielgerade zum Abitur am Oberrhein-Gymnasium in Weil am Rhein gehen sollte. Damals ahnte noch keiner von uns, wie aufregend und hürdenreich diese letzte Etappe werden sollte – Neuland für alle!

Nach den Fastnachtsferien, die am 2. März 2020 endeten, standen für uns Zwölft-Klässler Wiederholungen und eine letzte Vertiefung des Unterrichtsstoffs auf dem Lehrplan. Nach den Osterferien sollten wir dann ab Mitte April bei den schriftlichen Abiturprüfungen unser Bestes geben.

Doch dann kam alles ganz anders. Täglich machten neue Nachrichten vom gefährlichen Corona-Virus die Runde. Zunächst schien das unbekannte Virus weit weg in China. Doch dann breitete sich die Pandemie exponentiell von dort über Südeuropa, dann in ganz Europa und schließlich mit rasanter Vehemenz über die ganze Welt aus.

Auch Deutschland und die Schweiz waren zunehmend von dem neuartigen Covid-19 betroffen. Die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle stieg von Tag zu Tag. Als Anfang März das beliebte, traditionsreiche karnevalistische Großevent, die Basler Fasnacht, abgesagt wurde, war die gefährliche Pandemie plötzlich auch bei uns sehr konkret und wir verstanden den Ernst der Lage.

Am 9. März wurden SchülerInnen und LehrerInnen mit Wohnsitz in Frankreich gebeten, zu Hause zu bleiben und sich für 14 Tage in Quarantäne zu begeben, da die COVID-19-Erkrankungen im Elsass sprunghaft gestiegen waren. Betroffen davon waren auch SchülerInnen aus dem Abiturientenjahrgang und auch einige LehrerInnen. Daraufhin wurden die Klassenzimmer etwas leerer und ab dem 17. März fiel der Präsenzunterricht ganz aus.

Der nüchterne,  funktionale Bau des Oberrhein-Gymnasiums in Weil am Rhein; Foto: Louisa Heier

Da weder die Kultus- bzw. Bildungsministerien der Länder noch die Schulämter auf diese Extrem-Situation vorbereitet waren, hatten Gerüchte Hochkonjunktur. Hinzu kam, dass aufgrund der unterschiedlichen Schulferien-Termine im föderalen Deutschland in einigen Bundesländern, wie in Rheinland-Pfalz und Hessen, die schriftlichen Abitur-Prüfungen bereits vorbei waren.

Auch bei uns machten Spekulationen die Runde: Würde das Abitur verschoben, damit wir mehr Zeit zum Lernen hätten oder ob die Abi-Prüfungen überhaupt in diesem Jahr stattfinden würden?

Am 13. März gab die Kultusministerin dann die Schulschließung ab 17. März 2020 für alle Schulen in Baden-Württemberg bekannt. Doch was war mit unserem Abitur? Ende März erfuhren wir dann mündlich und per Mail, dass die Prüfungen um einen Monat verschoben werden sollten.

Das Schulgebäude aus anderer Sicht: Verschlossene Schul-Tore; Foto: Louisa Heier

Zwar erhielten wir nun die Aufgaben über eine Plattform im Internet (Moodle), aber mit Präsenzunterricht war das – trotz der Bemühungen der LehrerInnen- nicht vergleichbar. Es breitete sich beim „Home-Schooling“ eher Ferienstimmung aus. Aufgrund der unsicheren schulischen Lage konnte niemand so recht glauben, dass das Abitur überhaupt stattfinden könnte, und dementsprechend schwierig war es, sich fürs Lernen zu motivieren.

Einige sehr engagierte LehrerInnen stiegen deshalb auf Unterricht per Zoom, eine Plattform für Videokonferenzen, um, so dass AbiturientInnen und LehrerInnen sich zumindest auf dem Bildschirm wiedersehen und auch die Fremdsprachen praktizieren konnten, was für unser bilinguales Gymnasium besonders wichtig ist. Leider bemängelten einige Eltern, dass diese US-Plattform nicht den europäischen Datenschutzrichtlinien entspräche und bei der Gratisversion bereits viele Sicherheitslücken aufgetreten seien. Dieser Protest machte es für uns und für das Lehrerkollegium keineswegs leichter, aber es ging weiter.

In und nach den Osterferien haben wir die Vorbereitungen dann nochmals intensiviert, auch wenn immer wieder Spekulationen über die Vergabe eines Durchschnitts-Abis zu hören waren, also ein Abitur ohne Prüfungen und einer Abiturnote, die sich aus den Leistungen der letzten zwei Jahre zusammensetzen sollte.

Am 4. Mai durften die SchülerInnen der Kursstufen, also Klasse 11und 12, wieder zum Präsenzunterreicht in die Schule zurückkehren. Wir waren glücklich, uns wiederzusehen, auch wenn die Sicherheitsauflagen hoch waren: Wir mussten weit auseinandersitzen, die LehrerInnen hatten während des gesamten Unterrichts Masken zu tragen, die Tische mussten regelmäßig desinfiziert werden, nur bestimmte Ein- und Ausgänge durften genutzt werden. Das ganze Schulgebäude sollte nur in einem Einbahnstraßensystem durchquert werden.

So hatten wir vor dem schriftlichen Abitur noch 2 Wochen Präsenzunterricht in den Prüfungsfächern. Am 18. Mai ging es dann offiziell mit den Klausuren los. Durch die Verschiebung waren die Termine dicht gedrängt und einige SchülerInnen hatten an 4 aufeinanderfolgenden Tagen Arbeiten von 3.5 Stunden bis 5 Stunden zu schreiben. Nach der letzten schriftlichen Prüfung fiel uns ein Großteil der Abitur-Corona-Last von den Schultern. Alle waren erst einmal erleichtert, dass diese Hürde genommen werden konnte. Einige von uns mussten allerdings noch in den Pfingstferien weiterlernen, da sich ein paar schriftliche Termine überschnitten hatten und deshalb Arbeiten nachgeholt werden mussten.

Auch während der Zeugnisübergabe musste der Sicherheitsabstand streng eingehalten werden; Foto: Andreas Sütterlin

Nach den Pfingstferien durften auch die SchülerInnen der Klassen 5 bis 10 wieder die Schule besuchen. Auch wenn sie nur zeitversetzt und jeweils in geteilten Klassen zum Unterricht kommen durften, war es plötzlich wieder richtig voll im Gymnasium. Wir merkten jetzt erst, wie schön ruhig es vorher war, als nur die beiden Abschlussklassen unter sich waren.

Anfang Juli hätte ursprünglich das mündliche Abitur stattfinden sollen. Der Abiball mit Eltern und Familienangehörigen in der Altrheinhalle war seit Langem geplant. Obwohl sich ständig die Verordnungen zum Schutz vor dem unberechenbaren Corona-Virus änderten, hatten wir noch gehofft, dass eine „normale“Abschlussfeier-Feier möglich sei. Den traditionellen Abi-Streich hatten wir uns ohnehin abschminken müssen. Die Motto-Woche, während der sich die SchülerInnen je nach dem Tages-Motto entsprechend verkleiden durften, sorgte zum Glück für fröhliche Abwechslung.

Die mündlichen Prüfungen fanden schließlich alle auf einen Schlag am 22. Juli statt – eine großartige, organisatorische Leistung von Seiten der Schulleitung. Bereits am nächsten Tag sollten die Zeugnisse in der festlich geschmückten Aula übergeben werden. Aber wie sollte dies ablaufen?

Gespannt verfolgten meine Eltern und meine Schwester die Feier im Live Stream; Foto: Florianne Heier

Da Versammlungen über 100 Personen nach wie vor nicht erlaubt waren, musste die Aushändigung der Abi-Urkunden – leider ohne Eltern und Großeltern – stattfinden. Dies führte zwar vereinzelt zu Protesten, doch allen SchülerInnen war jetzt wichtig, dass wir uns als gesamter Jahrgang nochmals treffen und von den LehrerInnen verabschieden konnten.

Nach zähem Hin und Her, an dem LehrerInnen, Eltern und Abiturienten beteiligt waren, konnten wir als Kompromiss-Lösung für Familie und Freunde einen Live Stream organisieren, damit auch sie wenigstens von Zuhause aus die Zeugnisübergabe zeitgleich miterleben konnten.

Auf der Bühne der großen Aula überreichte uns Frau Wießner, die Direktorin, mit Gesichtsmaske und weißen Schutzhandschuhen die Zeugnisse. Wir mussten 2,5 Meter Abstand halten – was der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Nicht nur für uns war es ein ganz besonderes Ereignis, sondern auch für das Oberrhein-Gymnasium, da wir die erste Abiturklasse der noch neuen Schule waren. Obgleich die Zeit für die Übergabe strikt auf 60 Minuten beschränkt war, konnten wir dennoch mit unseren LehrerInnen mit einem Glas Sekt anstoßen, ihnen noch Geschenke überreichen und ein letztes Mal kurz in Erinnerung schwelgen.

Große Solidarität trotz Pandemie – Die feierlich geschmückte große Aula; Foto: Andreas Sütterlin

Wir ließen es uns – trotz der Corona-Einschränkungen – nicht nehmen, in festlicher Kleidung die lang ersehnten Zeugnisse entgegenzunehmen. Dies führte noch zu ein wenig Stress in der letzten Woche, da neben der Vorbereitung zur mündlichen Prüfung viele noch etwas Schickes zum Anziehen suchen und kaufen wollten. Die Zeugnisübergabe fand so angemessen in feierlicher Stimmung statt. Wir freuten uns riesig, dass es alle geschafft hatten.

Die schick gekleideten 42 Abiturien/tinnen trafen sich noch zum Foto-Shooting auf dem modernen Vitra-Campus; Foto: Andreas Sütterlin

Dank der Hilfe des Vaters eines Mitschülers hatten wir die Möglichkeit, ein paar stimmungsvolle Fotoaufnahmen auf dem international bekannten Vitra-Campus zu machen. Der Abend klang dann entspannt in geschlossener Gesellschaft aus.

Als sehr zutreffend für die durchlebten letzten Monate erwies sich unser Abi-Motto: „Mit Abstand die Besten!“

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