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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Musiker in Zeiten von Corona

Musiker, die um ihr Leben spielen. Schöner und besser im Home-Office?

von Simone Hamm

Der Musiker Albrecht Maurer hatte sich eine gotische Fidel gekauft, ein Instrument mit einem archaischen Klang. Er war beglückt von der Einfachheit des Instruments, der Resonanz mit ganz einfachen langen Tönen und einfachen Doppelklängen. Jetzt steht die gotische Fidel in der Ecke und wird nur noch zum privaten Üben hervorgeholt. Im letzten Jahr hatte er bis Mitte April schon 25 Konzerte gespielt, in diesem Jahr waren es ganze drei gewesen. Etliche Konzerte, etwa im Baltikum und in Spanien mussten ausfallen.

Der Musiker Albrecht Maurer mit der gotischen Fidel

Zunächst hat Albrecht Maurer klassische Bratsche und Geige in Köln studiert und – neben der klassischen Musik – auch Jazz gespielt. Mit dem Ensemble Dialogos in Paris spielt er mittelalterliche Musik. Er tourte von Nordamerika bis China, hörte viel außereuropäische Musik. In seinen Kompositionen bringt der 60-Jährige traditionelle Kammermusik, Weltmusik und Improvisation zusammen.

Abhängig vom Einkommen des 60-jährigen Musikers ist auch der jüngere seiner Söhne, der noch studiert. Seit Februar hat er keinen Pfennig mehr verdient. Seine Lebenshaltungskosten sind nicht wahnsinnig hoch, aber ohne seine Notgroschen, die eigentlich für seine Minirente gedacht waren, könnte er zur Zeit nicht leben.

Maurer hofft, dass er einige der noch ausstehenden dreißig Konzerte noch geben kann. Eigentlich hat er Verpflichtungen in Kanada, Belgien, Italien und Kroatien. Ob und wann diese Konzerte aber tatsächlich stattfinden, das weiß derzeit niemand.

Ohne Einkommen seit Februar: Albrecht Maurer

Er hat einen Traum: dass die Menschen, die jetzt die ganze Zeit in ihren Wohnungen hocken und jetzt viel Zeit haben, über sich selbst, die Kultur und die eigene Persönlichkeitsentwicklung nachdenken können, dass all diese Menschen vielleicht den Wert der Musik, der Kunst noch mehr zu schätzen lernen. Dass sie Sehnsucht danach haben, wieder in Konzerte zu gehen, wieder live Musik hören. Dass die Musiker ihr Publikum zurück bekommen – vielleicht sogar ein Stück mehr.

Doch nicht nur die Musiker leiden unter dem Corona Virus, sondern auch alle, die professionell mit Musik zu tun haben: die Konzertveranstalter, diejenigen, bei denen die Konzerte stattfinden und das reicht von Bürgerzentren bis hin zu großen Philharmonien. Und Tontechniker wie der 57-jährige Stefan Deistler. 2001 eröffnete er ein eigenes Studio. Er fährt auch zu Konzerten, nimmt sie auf und schneidet sie für die Radiosendungen. Das alles liegt jetzt brach. Er hat eine Familie und drei Kinder, von denen zwei sich gerade aufs Abitur vorbereiten. Seine Frau arbeitet ebenfalls freiberuflich. Wie bei allen Freiberuflern ist sein monatliches Einkommen schwankend.

Vom 20. März bis zum 1.6. hätte er Aufträge für Produktionen und Mitschnitte für 12.000 Euro gehabt. Hinzu wären kleinere Produktionen gekommen. Davon wollte er etwas für wie in jedem Jahr eher maue Sommerzeit zurücklegen. De facto ist er zu 100% arbeitslos. Vor ein paar Tagen hat er vier Stunden mit dem Ausfüllen von Hartz 4-Anträgen verbracht. No nennt er die Corona Grundsicherung. Hartz 4 höre sich hässlicher an. Sei aber realistischer.

Der Tontechniker Stefan Deistler bei der Arbeit

Die Corona Soforthilfe hilft aktuell aus bei Betriebskosten und unmittelbaren Verbindlichkeiten, also etwa den Kosten für Miete. Dabei brauchen viele Künstler jetzt Geld, um überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Manche Bundesländer springen ein. 2000 Euro gibt es in Nordrhein Westfalen für diejenigen, die in der Künstersozialkasse sind. Berufsanfänger gehen leer aus.

Stefan Deistler betont, dass das für manch einen Jazzmusiker mehr sei, als er womöglich sonst habe. Für Stefan Deistler, der der Hauptverdiener der fünfköpfigen Familie ist, reicht es hinten und vorne nicht.

Bodek Janke beherrscht verschiedene Schlaginstrumente

Bodek Janke sitzt auf seiner Dachterrasse in Berlin Kreuzberg. und spielt brasilianische Rhythmen auf der indischen Tabla. Der 40-Jährige ist mit Musik aufgewachsen. Seine Eltern waren Konzertpianisten. Schon als Kind hat auch er Klavierkonzerte gegeben. Geboren ist er in Warschau, aufgewachsen in Süddeutschland. In Köln und New York hat er Schlagzeug studiert. Dort hat er sieben Jahre lang gelebt.

In Polen, im Riesengebirge hat er ein kleines Kulturzentrum aufgebaut. Jedes Jahr im Sommer treffen sich dort Künstler aus aller Welt. Noch weiß er nicht, ob das „Summer exchange festival“  in diesem Jahr stattfinden wird.

Normalerweise ginge Bodek Janke jetzt auf Tournee, gäbe Konzerte. 200 Tage im Jahr ist er unterwegs, lebt aus Koffern, in Hotels, in Flugzeugen und Bahnen.

Er spielt ausschließlich Projekte, die ihm Spaß machen. Davon kann er zu normalen Zeiten sehr gut leben. Jetzt, so sagt, er, merke er,  dass, wenn einmal dieses Grundsätzliche wegfalle, dieses Spielen vor Publikum, diese Sicherheit, eine Gage zu bekommen, wenn das wegfalle, dann falle plötzlich alles auf einmal weg.

Bislang sind 25 Konzerte gecancelled worden, kleine Clubaufritte, Studioaufnahmen, Festivalauftritte. Janke hat jetzt schon Gagen in Höhe von 20.000 Euro verloren.

Bodek Janke geht neue Wege. Sein neues Album verkauft er, der bislang ein altmodisch analog lebender Mensch gewesen ist, digital im Internet. Und noch aus einem anderen Grund schätzt er das Internet.

Das Internet dieser Tage sei ein Segen, so Janke. Portale wie Facebook oder Instagram gäben den Künstlern die Möglichkeit, sich weiterhin mit ihrem Publikum zu vernetzen und ihnen das, was sie gewohnt seien, zu geben. Natürlich seien die Qualität und das Erlebnis des Klanges nicht das gleiche. Aber zumindest könnten sie die Kultur und den Zusammenhalt von Künstler und Publikum, über diese Internet-Dienste aufrecht erhalten..

Das Internet nutzen derzeit viele Musiker. Die setzten sich einfach mit ihrem Smartphone hin, stellen das Mikro an und spielen akustische Gitarre und singen dazu. Andere bauen sich ein kleines Homestudio auf mit mehreren Mikros und Vorverstärkern und gutem Licht und geben dann Konzerte.

So macht Bodek Janke das Beste aus dieser Zeit.

Janke nutzt die Zeit auch zum Komponieren, Foto: B. Janke

Mittlerweile sieht er auch Vorteile darin, einmal wirklich nur stillsitzen und sich zu konzentrieren.“ Zum Glück hab’ ich natürlich meine Instrumente hier.“ Er hat seine Instrumente, sein  Schlagzeug, seine Tabla. Solange sich die Nachbarn nicht beschweren, kann er üben, soviel er will. Er kann auch Musik schreiben. so komponiert er sehr viel in diesen Tagen.

P.S.: Die Fotos wurden von den Musikern selbst zur Verfügung gestellt.

 

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