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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Museumskonzert mit dem Artemis Quartett in der Alten Oper Frankfurt

Abschied und Neubeginn

Von Petra Kammann

Leidenschaftliche Stammgäste bei den Museumskonzerten: Das heutige Artemis Quartett – die vier in Berlin und Brüssel lehrenden Musiker – spielten am 28. Februar neben dem bekannten Adagio von Samuel Barber und einem zentralen Werk von Benjamin Britten eine herausragende Interpretation des Quartetts „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert …

Finale und Ausblick auf die Zukunft: Geigenbögen, die ein Quartett bilden
v.r.v.l.: Vineta Sareika, Violine, Eckart Runge, Violoncello, Gregor Sigl, Anthea Kresto, Foto:© Nikolaj Lund

Der Mozart-Saal war bis auf den letzten Platz belegt. Einige der Besucher schienen es schon zu wissen. Sie würden zum letzten Mal in der Alten Oper das renommierte Artemis Quartett in der jetzigen Zusammensetzung erleben können, mit dem Cellisten und Mitbegründer Eckart Runge, der Primaria Vineta Sareika, dem Bratschisten Gregor Sigl und der zweiten Geigerin Anthea Kreston. Keinem anderen Streichquartett hat die Museums-Gesellschaft über die vergangenen dreißig Jahre so die Treue gehalten wie dem Artemis Quartett, zu dessen Mentoren auch schon zu Beginn so wichtige Musiker wie Walter Levin und Alfred Brendel zählten. Dabei hat in dieser Zeit schon mehrfach die Besetzung gewechselt.

Durch die wechselnde Zusammensetzung des Quartetts – besonders einschneidend 2015 durch den plötzlichen Tod des Bratschisten Friedemann Weigle –  mussten durch den personellen Wechsel jeweils ein damit verbundener neuer Klang, andere Sichtweisen und Interpretationen der Musik entwickelt und gefunden werden. Technische Details, das Zusammenspiel, das Timing, alles musste wieder neu zusammenwachsen. Und damit das gelingt, musste das jeweils intensiv aufeinander solange abgestimmt werden, bis Gesten, Blicke und Einsätze zur Selbstverständlichkeit werden.

Trotz der damit verbundenen Schwierigkeit scheint die mehrfache Erneuerung dem Quartett bis heute nicht geschadet zu haben. Im Gegenteil. Der Blick für das in jeder Hinsicht Neue – auch auf die scheinbar bewährten Klassiker – sowie das ganz präzise Aufeinanderhören und Aufeinandereingehen hat die Qualität des Miteinanderspielens zweifellos geschärft. Kein Wunder daher, dass durch den intensiven Schliff die Erfolge auch nicht ausblieben. Das Quartett erhielt Preise und bekam die Gelegenheit, in allen großen Musikzentren und Festivals in Europa, in den USA, Südamerika, Asien und Australien zu gastieren. In der Berliner Philharmonie, im Wiener Konzerthaus oder im Münchner Prinzregententheater konnten die renommierten Streicher sogar auch eigene Zyklen gestalten. Außerdem gingen sie auch noch Professorentätigkeiten nach – an der Universität der Künste in Berlin und an der Chapelle Musicale Reine Elisabeth in Brüssel.

Kreative Energie entstand nicht zuletzt durch den Wunsch, auch bekannten und zeitgenössischen Komponisten mit hoher Perfektion Leben einzuhauchen und ganze Werke neu zu interpretieren, darauf hatte das Quartett schon von Anfang an Wert gelegt. Die geballte Erfahrung und die Frucht ihrer intensiven Arbeit bekamen die Zuhörer am Abend ihres letzten gemeinsamen Konzertauftritts in der Alten Oper zu spüren: in dem sowohl spannungsreichen als auch atemberaubend schönen Zusammenspiel der Musiker und ihrer Präsenz im Quartett als Ganzes. Es war ein perfektes musikalisches Wechselspiel, das sich auch gestisch übertrug, ohne dass irgend etwas routiniert geklungen hätte.

Nach dem Auftritt im Mozartsaal – das derzeitige Artemis Quartett; Foto: Petra Kammann

In Anbetracht des Abschieds zweier Musiker hatte sich zwangsläufig auch ein Stückchen Wehmut in den so gelungenen Abend gemischt, sodass von Konzertbeginn an schon Barbers einprägsames „Adagio für Streichquartett op.11“ im wahrsten Wortsinn  tonangebend wurde. Das sequenzartig wiederkehrende Dreiton-Motiv, was sich zunächst fast tonlos anhörte, sich aber zunehmend entfaltete und mit unerhörten Schattierungen der Streichinstrumente steigerte, zu einer großen Melodie verschmolz, die dann wieder abbricht und schließlich wieder im Raum verklingen konnte, wurden die Zuhörer in eine unbestimmt verhaltene Melancholie eingestimmt.

Mit Benjamin Brittens selten aufgeführtem Streichquartett 2 in C-Dur op. 36, das kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden war, ging der Abend dann in ein völlig anderes musikalisches Fahrwasser über. Nach dem ruhigen Beginn und dem vereinnahmenden Celloton schienen die hellen Geigen förmlich herauszuspringen und die anderen Streichinstrumente sich gegenseitig zu überbieten. Aufwühlend, beunruhigend und erregt wirkte dann der vivace-Satz mit den zahlreichen Spiccato-Arpeggien und starken Kontrasten der Stimmlagen, bei der die Bratsche eine gewisse Beruhigung brachte. Technisch zweifellos eine große Herausforderung an die Spieler, weswegen u.a. das Werk wohl auch selten präsentiert wurde, spielte das Artemis Quartett die ausgedehnte variationsreiche Chacony des dritten Satzes, die Benjamin Britten sowohl mit melodiösen Einlagen als auch mit anspruchsvollen Solokadenzen versehen hat, bis zum Schluss mit großer Präzision. Zweifellos eine Tour de Force für die Streicher, die sie aber nicht zuletzt schon deshalb mit intensiver Sensibilität meisterten, weil sie diszipliniert, gut vorbereitet, eingespielt und engagiert waren. Britten hatte diese Auftragskomposition zu Ehren des von ihm geschätzten Henry Purcell zu dessen 25o-jährigen Todestag geschrieben. Auch hier reagierte das Publikum mit großem Applaus und erlebte das Stück als Entdeckung.

Mit großer Verve begann nach der Pause dann Schuberts raffiniert komplexes Streichquartett in d-moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“. Mit dem charakteristisch treibenden Triolenmotiv vermittelte sich der Eindruck, dass, da für das Leben nicht mehr viel Zeit bleibt, dieses noch einmal voller Hast erlebt werden müsse. Alle vier Sätze des Streichquartetts sind bestimmt durch die „tragische Spannungssphäre zwischen Sein und Vergehen“ – ein Memento mori, das wegen seiner bisweilen fast ruppigen Dissonanzen an manchen Stellen äußerst zeitgenössisch klang, ebenso durch die Betonung des Wechsels von Lautstärke, Tonhöhe und einer schroffen und zart-geschmeidigen Harmonik. Der 2.Satz, ein Andante con moto, wurde in einem so zurückgenommenen Pianissimo vorgetragen, als würde sich das Leben gerade aushauchen, während sich im nochmals aufbäumenden Presto Finale-Satz die düsteren, bedrohlichen Kräfte durchsetzten und mit den durch harte Fortissimo-Zäsuren gestoppten rhythmisch rasend-jagenden Bewegungen, vom Pianissimo ins stärkste Fortissimo drängten.

Nach dem tosenden Applaus trat Eckart Runge, eines der Gründungsmitglieder des Quartetts, nach vorn, bedankte sich für die fast zwanzigjährige Treue des Frankfurter Publikums und kündigte an, dass er das Quartett ab Mai verlassen werde ebenso wie die zweite Geigerin Anthea Kreston. Er sei aber glücklich, dass es bestens weitergehe, weil zwei herausragende und kompetente Nachfolgerinnen gefunden worden seien, die niederländische Cellistin Harriet Krijgh als auch Suyoen Kim, die renommierte Geigerin mit koreanischen Wurzeln. Er bat aber auch darum, den beiden Künstlerinnen ebenso vertrauensvoll zu begegnen wie ihm und Anthea Kerston.

Suyoen Kim,  Foto: Radek Wegrzyn und Harriet Krijgh, Foto: Marco Borggreve 

Die Zugabe, der langsame Adagio-Satz aus Mozarts Dissonanzen-Quartett, machte den bewegenden Abend zu einem ganzheitlichen Erlebnis und wird noch lange in Erinnerung bleiben. Die Spannung auf das nächste Konzert des Artemis-Quartetts in der Alten Oper in neuer Besetzung am 7. November 2019 dürfte schon jetzt groß sein bei der Frankfurter Museums-Gesellschaft wie beim treuen Publikum.

Weitere Infos, auch über das Programm der Saison 2019/2020 können Sie unter folgender Adresse abrufen:

www.museumskonzerte.de

http://www.impresariat-simmenauer.de/kuenstler/artemis-quartett/

Harriet Krijgh in Feuilletonfrankfurt

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