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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städelschule: Rundgang 2019 – eine Nachlese (2)

Skulptur und Installation

Von Erhard Metz

Medienübergreifendes Arbeiten in der bildenden Kunst gehört bereits seit langem zu den Prinzipien der Städelschule. Die Unterschiede zwischen Bildhauerei und Installation (und letztlich auch der Performance) lösen sich auf: Eine „Skulptur“, sogar Bilder können Teil einer raumgreifenden Installation sein, ein „Bild“ kann, wie noch zu sehen sein wird, aus einem skulpturalen Relief bestehen. Von Jahr zu Jahr ist es immer wieder spannend und faszinierend, die fortschreitende Entwicklung der jungen Studierenden zu beobachten.

Ella CB, Not titled yet, 2019, Dimensions variable

Ella CB nennt sich die Studierenden-Künstlerin, die Schöpferin dieses auf den entfernteren Blick gutbürgerlich anmutenden Wohnmobiliars – doch der erste Eindruck trügt. Verstörendes wie eine Pistole oder ein Totenschädel, eine abgeknickte Blume oder ein Bilderrahmen ohne Bild, das alles noch dazu scheinbar vergoldet, mischt sich im aufstehenden Regal unter eher Unverdächtiges. So gänzlich gemütlich scheint uns das Ambiente nicht zu sein.

Vexierend auch die kluge Arbeit von John Flindt (Rundgangpreis 2019), ein an der Wand verschraubtes wie von ihr abstehendes hölzernes Gestell, halb verspiegelt mit der Aufschrift „Silence goes faster backwards“, halb Durchblick gewährend.

John Flindt, Silence, 2019, screen print on acrylic mirror, wood, dimensions variable

Ist Tracy Thompson nun eine Eat Art-Künstlerin, deren „Veggie“-Vorhang, wenn wir es richtig verstehen, aus fantasievoll behandelten Blättern des als Heilpflanze bekannten Wegerichs bestehen – die skulpturale Installation verweist auf Fufu, jenen in Afrika als Nahrung geschätzten Brei aus der Speisepflanze Maniok und den nicht minder verbreiteten Kochbananen.

Mit einem Vorhang arbeitet auch Mahya Ketabchi, der Stoff verdunkelt das Fenster eines der kleinen Ateliers in der Dürerstraße, an der Wand auf einer dünnen Stahlplatte liegt eine lebensgroße Figur im Gipsverband, das linke Bein verstümmelt. Musik ertönt, es scheint ein wenig eigentümlich zu riechen im Raum.

↑ Tracy Naa Koshie Thompson, Plantain Fufu Undulate Petals I, 2019, Medium (Ingredients): Tropiway Plantein, fufu, icing colourant (bitter lime), glycerin, apple and lemon joice, Installation, 400 x 300 cm
↓ Mahya Ketabchi, Smelling myself, 2019, Plaster bandage, wax, stainless steel, 200 x 85 x 30 cm, Sound by Max Richter

Hadas Auerbach (Rundgangpreis 2019) schlägt vorsichtig wie kunstvoll ein Loch in die Trockenbauwand des Atelierraums, ein jeder der Besucherinnen und Besucher schaut natürlich hinein – zu sehen war außer Gerätschaften nichts Spannendes, jedenfalls haben wir nichts an solchem entdeckt. Oder haben wir nur nicht genau genug hingesehen?

↑ Hadas Auerbach
↓ Sopo Kashakashvili, Floating Aparatus, 2018

Verschreckend anzusehen die menschliche Menagerie vor schwarzem Vorhang, die Sopo Kashakashvili in der Daimlerstraße aufgebaut hat: Auf dunklen, aneinander geketteten Brettchen ragen jeweils drei wie gepfählt aufgespießte, schmerzverkrümmte Figuren empor; auf dem Monitor über der Szene fliegen sie in sozusagen himmlischen Gefilden.

Verkrümmte Figuren, die Köpfe in Textilien verhüllt, Stühle, auf denen niemand sitzen kann präsentiert Hanna Fitz in einer raumgreifenden Installation, auch hier stellt sich eine Assoziation an unterdrückte, schikanierte Individuen ein.

↑ Hanna Fitz (Ausschnitt)
↓ Rahel Goetsch, Karius and Bactus, 2019

Heiter dagegen eine Arbeit von Rahel Goetsch: Backenzähne mit deformierten Wurzeln stehen auf dem Boden, humorvoll der Titel „Karius and Bactus“ – Karies und sie verursachende Bakterien. Sehr ungern nur erinnern wir uns an das Ziehen ähnlich aussehender Weisheitszähne in grauer Vorzeit.

An dem von Shaun Motsi entworfenen geschlossenen Flügel wird kaum ein Pianist seine Freude haben, ein weiteres „Musikinstrument“ dieser Art steht in der anderen Ecke des Ateliers in der Daimlerstraße. Zwei handwerklich sicher recht aufwendige Arbeiten.

↑ Shaun Motsi, Untitled, 2018 (im Hintergrund zwei Arbeiten von Ziva Drvaric)
↓ Edi Danartono, Fig Life (Anfang und Ende), 2019, plaster, acrylic, spray paint, wire, wood, 100 x 100 x 200 cm

Allein bereits die zartest mit dünnem Draht ausgebildeten Flügelchen und der Schwanzstachel, der niemanden stechen wird, faszinieren uns an dieser wohlkomponierten Skulptur von Edi Danartono (Rundgangpreis 2019), erst recht der Mix aus verschiedenen künstlerischen Gestaltungsmitteln.

Pia Ferm weckt mit ihrem Arrangement aus Untersberger Marmor ein weiteres Mal die Hoffnung, dass sich der Kreis der begabten, „echten“ Steinbildhauerinnen um ihre Person erweitern wird – leider gibt es viel zu wenige!

↑ Pia Ferm, Lux and Bonnie (work in progress), Untersberg marble, dimensions variable
↓ Alyona Volkova, The Snake, 2018-2019, Glazed ceramics on board, Sculpture, 145 x 18 x 115 cm

Wir kehren zurück zu unserer Eingangsbemerkung und zeigen eine keramische Arbeit von Alyona Volkova – Bild, Relief, Skulptur? Die Künstlerin selbst plädiert für letzteres.

Ein Rückblick, eine Nachlese auf eine in diesem Jahr wieder einmal besonders eindrucksvolle Rundgangsausstellung der Städelschule, leider beschränkt auf eine – wie stets manchem ungerecht erscheinende – Auswahl. Eine abschließende Folge wird sich wieder der Malerei zuwenden.

Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen/Künstler; Fotos: Erhard Metz

→ Städelschule: Rundgang 2019 – eine Nachlese (3)
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