Quinceañera – 15 Jahre Eulengasse und was sie zusammenbringt
Die Eulengasse, der kleine feine Kunstverein in Bornheim, die Plattform für Künstler und Interessierte, mit den unterschiedlichsten Sichtweisen auf zeitgenössische Kunst und Kultur, feierte sein 15-jähriges Jubiläum mit einer adäquaten Ausstellung. Es lebe die Offenheit!
FeuilletonFrankfurt gratuliert ganz herzlich.
Harald Etzemüller und Vládimir Combre de Sena neben der Plastik von Brigitte Kottwitz in der Jubiläumsausstellung, Fotos: Petra Kammann
Es ist eine Theaterbühne geworden mit mäandernden Wegen und unterschiedlichen experimentellen „Selbstporträts“ der „Eulengassen-Persönlichkeiten“ verschiedener Generationen. Der „Hummelhaufen der Künstler“ war zur „Quinceañera“, zum „Fünfzehnjährigen“, angeschrieben worden, um einen Beitrag für die diesjährige Jubiläumsausstellung im Ausstellungsraum in der Seckbacher Landstr. 16 zu leisten. Von 48 Künstlern haben 39 (s.u.) etwas beigesteuert: Bilder, Zeichnungen, Fotografien, Objekte, Collagen, Plastiken, ein Video. Thema, Medium und Material standen dabei jedem frei. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse im ehemaligen Bornheimer Ladenlokal war ein Kubikmeter Raum für jeden der Künstler reserviert worden.
Von Petra Kammann
Diese grazile fluxusähnliche Plastik von Pelusa Petzel steht für das pulsierende Herz und das feingebaute Netzwerk der Galerie
Und warum heißt die Ausstellung Quinceañera? Im Deutschen gibt es keinen passenderen Begriff. Und schließlich hat die Eulengasse, wie die Frankfurter Institution heute kurz und knapp heißt, im Laufe der Jahre bewiesen, dass sie so kosmopolitisch wie regional verbunden aufgestellt ist. Also hat sie kurzerhand den spanischen Begriff für ihre Jubiläumsaktion verwendet. Einer lateinamerikanischen Tradition entsprechend ehrt eine solche Feier nämlich den Übergang einer 15-Jährigen vom Kind zur Frau. So ist auch die Eulengasse mit iher 15-jährigen Teilnahme am Kunstleben in Frankfurt am Main gereift und nähert sich kontinuierlich dem Erwachsenensein. Zur Erinnerung ein kurzer Rückblick auf die Geschichte:
Ende 2003 war der Kunstverein Eulengasse – darunter auch der Künstler Helmut Werres von der Darmstädter Sezession – in Frankfurt am Main als „Ausstellungsraum mit Projektraumcharakter“ gegründet worden. Für Harald Etzemüller war rückblickend 2003 ein ganz besonderes Jahr, da er sich damals auch mit seinem Architekturbüro selbständig gemacht hatte. Kurzum. Aufbruch und Aufbau in die verschiedenen Richtungen. Was seinerzeit noch als Off-Space begann, hat sich seit nunmehr 15 Jahren und nach dem Umzug in die neuen Räume mit Atelierhaus in der Seckbacher Landstraße 16 zu einer professionellen und offenen Plattform für zeitgenössische Künstler und Kunstinteressierte entwickelt und ist aus Frankfurts Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken. Es handelt sich weder um eine kommerzielle Galerie noch um etwas dem traditionsreichen Frankfurter Kunstverein Vergleichbares, sondern um etwas ganz Eigenes.
In der Galerie in der Seckbacher Landstraße „stellen Künstler aus Frankfurt und Umgebung aus, die sich als kritisch betrachten und ihre Arbeit als experimentellen Weg sehen“, sagt der Architekt und Designer Etzemüller. Er hält die „Selbstvergewisserung in der stetig komplexer werdenden Welt“ eine wichtige Voraussetzung für die gegenwärtige künstlerische Auseinandersetzung, außerdem eine Basis für zeitgenössische Künstler und deren Dialogfähigkeit untereinander, außerdem für ein wichtiges Ferment in der Gesellschaft, die sich immerzu weiterentwickelt. Hier in der Eulengasse werden auch stets aktuell politisch und gesellschaftlich drängende Themen in kleineren Zirkeln diskutiert. So durchziehe dann fast auch alle Arbeiten das Bedürfnis, etwas darzustellen, was „uns zusammenbringt“. Und zwar Künstler wie interessierte Bürger.
↑ So genial wie einfach: Vládimir Combre de Sena hat die Struktur für „den Hummelhaufen der Künstler“ gebaut und mit der Bühne aus einem schlichten Holzgestell Raum für alle geschaffen: Da können die Augen von einem Objekt zum anderen umherwandern
↓ Kleinformate als Gedankenträger sind auch dabei. Denn das Spiel sollte nicht zu kurz kommen. Eines der Exponate (unten) war eine interessante Kombination aus 9 x 9 Quadrat-Plättchen von Sabine Vogt
Im Unterschied zu den Aufgaben einer Galerie, wo der Galerist das Geschäft übernimmt, verkaufen Künstler in der Eulengasse selbst und spenden 10% ihres Erlöses an die Galerie. Das ermöglicht dem ein oder anderen Künstler das Überleben. Ein Verein wiederum ist so viel wie seine Mitglieder, die immer wieder mitmischen wollen. So auch der Kunstverein Eulengasse, der sich als ein „Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Kultur e.V.“ begreift.
Da sind es die Mitglieder, die den Ton angeben und die Musik machen. Sie diskutieren die Jahresthemen, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche Ausstellungen ziehen. Etzemüller und sein brasilianischer Partner, der Kulturmanager und Designer Vládmir Combre de Sena, der häufig die künstlerische Konzeptionen kuratiert, – manchmal werden auch externe Kuratoren eingeladen wie z.b. Brigitta Amalia Gonser, Cordula Froehlich, Dr. Ana Karaminova – sie begreifen sich als Ermöglicher, indem sie die Selbständigkeit „ihrer Künstler“, die sie – um nur ein Beispiel herauszugreifen –, auch im weitesten Sinne coachen.
So hilfreich wie verbindend wirken daher auch für die Mitglieder die alljährlichen Themenschwerpunkte. In diesem Jahr lautete die thematische Klammer „Raumkonzepte“, was übrigens auch vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main gefördert wurde. Da Raumkonzepte in erster Linie auch Raumkonstruktionen sind, wirkte das ,räumliche Konzept‘ der Jubiläumsausstellung daher absolut zutreffend. Denn die dreidimensionale Zusammenfügung der individuellen künstlerischen Positionen in der Hülle des Raums ließ auf die Komposition eines gelungenen abwechslungsreichen Teams schließen. Das so geartete demokratische Verfahren schafft auf jeden Fall Vielfalt in der Einheit des Raums.
Und hier nun die Künstler, die an der Quinceañera teilnahmen:
Brigitte Kottwitz, Helmut Werres, Bero Blumöhr, Velvet G.Oldmine, Stephan F. Rinke, Detlef Kleinen, Sybille Fuchs, Elke Bergerin, Jürgen Wolff, Denis Buckley, Wolfgang Hermann, Vládmir Combre de Sena, Susanna Sitterding, Stehn Raupach, Sabine Zimmermann, Sabine Voigt, Sabine Imhof, Rosemarie Lücking, Rahulla Torabi, Pelusa Petzel, Paul Hirsch, Martina Templin, Jo Albert, Karin Rahts, Helga Marx, Heide Khatschaturian, Harald Etzemüller, Florian Adolph, Elke Kaiser, Daniel Scheffel, Costa Bernstein, Cornelia F.Ch. Heier, Christiaan Tonnis, Carolyn Krüger, Arturo Laime, Andrea Blumör, Almut Aue, Agnes Stockmann, Jon Pahlow
Am Jubiläumsabend wurde nach einer gut besuchten Ausstellungseröffnung ausgiebig mit fast 40 Mitgliedern und Freunden im Restaurant La Duchessa gefeiert, Foto: Harald Etzemüller
Der Blick auf das in den 15 Jahren Erreichte lässt die Macher natürlich nicht ruhen. Schon am kommenden Freitag, den 9. November, wird es eine neue Ausstellung geben. Sie entstand in Kooperation mit dem ARThaus Altheim, Münster und dem Womens Studio Workshop, Rosendale NY. Der bewusst gewählte Termin der Ausstellungseröffnung am historischen Datum der Novemberpogrome nimmt Bezug auf die New Yorker Künstlerin Tatana Kellner, deren Eltern als Holocaust-Überlebende ihre Geschichte aufgeschrieben haben. Kellners Künstlerbuch »B-11226: Fifty Years of Silence«, in dem diese Geschichten künstlerisch verarbeitet wurden, wird einen Teil der Ausstellung darstellen. Zur Vernissage Freitag, den 9. November um 19 Uhr hält dann die bekannte HR-Moderatorin Dr. Ruth Fühner eine Einführung, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen.
Ansonsten werden sechs Künstler*innen unter dem Motto „in between“ Installationen, Radierungen, Künstlerbücher, Kurzfilme und Videos in der Eulengasse ausstellen: jeweils zwei aus Deutschland, zwei aus den USA und aus Indien – Ayisha Abraham und Veer Munshi aus Indien, Barbara Beisinghoff aus Deutschland, Tatana Kellner und Tara Sabharwal aus den USA, Roger Rigorth aus Deutschland. „in between“: allein der Titel könnte sich auf die aktuelle politische Lage beziehen. Er zeigt erzwungene und freiwillige Wege zwischen innen und außen, zwischen oben und unten und zwischen den unterschiedlichen Ländern auf. „in between“ wird außerdem die Grenzen zwischen Verdrängen und Erzählen, zwischen den Zeilen und zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren ins Bewusstsein rufen…
Ausstellungsraum EULENGASSE
Seckbacher Landstraße 16, 60389 Frankfurt am Main