home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Magritte. „Der Verrat der Bilder“ in der Schirn.

Es ist, was es ist, nicht! Das gedanklich-malerische Spiel um Schein und Sein.
Das aus den großen internationalen Museen und Privatsammlungen zusammengetragene Œuvre des belgischen Künstlers Magritte ist bis zum 5. Juni 2017 in der Frankfurter Schirn zu sehen. Eine gute Gelegenheit, die anstehenden Feiertage für einen Ausstellungsbesuch zu nutzen.

Von Petra Kammann

Eingang zur Magritte-Ausstellung in der Frankfurter Schirn

„Ceci n’est pas une pipe“ („Das ist keine Pfeife“) ist wohl eines der bekanntesten Word-Bild-Zitate von René Magritte (1898 – 1967), mit denen uns der belgische Künstler anscheinend foppen will. Dabei provoziert er vor allem den Betrachter, philosophische Überlegungen über die Bedeutung verschiedener Realitäten anzustellen. Denn wir sehen auf seinem Bild genau das, was er in dem Satz negiert, nämlich eine wahrheitsgetreu abgemalte Pfeife. Es ist aber auch eine Absage an die Pariser Surrealisten, die in Abwandlung einer Definition des französischen Dichters Paul Valéry zu dem Schluss kamen: „Die Poesie ist eine Pfeife.“ Magrittes Ölgemälde aus dem Jahr 1929 heißt bezeichnerweise „La trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“). Es gilt als eines der Schlüsselwerke des Künstlers und wurde daher wohl auch titelgebend für die Ausstellung.

Da es bei Magritte Rechteprobleme gibt, was die Abbildung seiner Werke betrifft, hat sich die Frankfurter Schirn einen hübschen Scherz erlaubt, indem sie Magrittes Aussage auch auf einen alltäglichen Gegenstand anwendet mit einer eigens für die Ausstellung produzierten Tüte, auf der das Motiv der Pfeife mit dem analogen Spruch „Das ist keine Tüte“  für die Ausstellung und den hintersinnigen Künstler werben soll. Zu Recht. Denn was die Schirn in dieser Schau zu bieten hat, können wir nicht alle Tage anschauen. Auch sind seit der letzten großen Retrospektive des berühmten Surrealisten in Deutschland inzwischen 20 Jahre vergangen.

Zu sehen sind in Frankfurt nun unter dem Titel „Magritte. Der Verrat der Bilder” rund 70 Arbeiten, darunter auch selten gezeigte Werke aus Privatsammlungen. Die Werkschau wurde gemeinsam mit dem Centre Pompidou in Paris konzipiert, das gerade sein 40-jähriges Jubiläum feiert. Dort fand sie von September bis Januar diesen Jahres statt. Die Schau in der kultigen „Kunst-Maschine“ von Renzo Piano aus den Siebzigern zog in Paris rund 600.000 Menschen in ihren Bann. Gleichwohl gab es im Pariser Centre Pompidou ca. 30 Exponate mehr, die dort in quadratischen „white cubes“ untergebracht waren, was der luxuriöseren Raumsituation geschuldet ist, während in Frankfurt im schmalen Bau der Schirn fünf verschachtelte Motivgruppen wie „Fenster“, „Spiegel“ oder „Meer“ angelegt wurden, und die Zwischenwände in Grauabstufungen als Fond dienen.

Die so enigmatischen wie magischen Meisterwerke aus den bedeutenden internationalen Sammlungen wie u.a. aus dem Musée Magritte in Brüssel, dem Kunstmuseum Bern, dem Dallas Museum of Art, der Menil Collection in Houston, der Tate in London, dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Museum of Modern Art in New York, der National Gallery of Victoria in Melbourne und der National Gallery of Art in Washington D.C. wurden in der Schirn thematisch gruppiert zusammengetragen. Magrittes Motive wie Pfeife, Hut, Kerze, Vorhang, Flamme, Schatten oder auch Fragmente treten immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auf. Sie machen sowohl auf die Verfremdung der Realität(en) aufmerksam wie sie in gleichem Maße dem Betrachter  den verlässlichen Boden unter den Füßen wegzuziehen scheinen.

Magrittes dialektische Vision der Dinge zeigt sich  besonders in seinem Bild „La condition humaine“ von 1935, wo er sich mit dem Thema Fenster befasst, indem er Innen und Außen, Gesehenes und Verborgenes, Natur, Landschaft, Fragmentarisches und Kultur auf höchst raffinierte Weise miteinander verknüpft. Im Zeitalter der fake news mag sich da anschließend so mancher fragen: Sind diese unglaublichen Bilder in der Schirn Realität? Bis zum 5. Juni hat man jedenfalls noch die Chance, dies kritisch zu beurteilen. Für Magritte blieb der Umgang mit den verschiedenen Realitäten – der Kunst/Malerei und der Wirklichkeit – ein Lebensthema.

In der Ausstellung wird vor allem das Verhältnis Magrittes zur Philosophie ausgelotet, was insofern naheliegend erscheint, da der Künstler ständig das Verwirrspiel mit Sein und Schein treibt. „Ich male Ideen“, sagte der Maler und gab als Beruf „denkender Mensch“ an. „Die Besucher erwartet (daher) eine Präsentation, die Magrittes vertraute Bildformeln vor dem Hintergrund der philosophischen Auseinandersetzungen seiner Zeit beleuchtet“ –  so Schirn-Direktor Philipp Demandt. Insofern biete die Schau daher ein „Erlebnis für Auge und Geist“. Mit seiner unverwechselbaren Bildsprache sei Magritte einer der populärsten wie auch der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts geworden.

Schirn-Direktor Philipp Demandt und Didier Ottinger, Stellvertretender Leiter des Centre Pompidou, Fotos: Petra Kammann

Waren die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen vom Dialog, von der Beschäftigung mit den „ranghöheren“ Dichtern geprägt, so wandte sich der belgische Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg den Philosophen zu. Nachdem er deren Vorträge gehört hatte, trat  er in einen Briefwechsel mit Alphonse de Waelhens, dem Übersetzer von Martin Heideggers „Sein und Zeit“ und dem Kommentator der Werke Maurice Merleau-Pontys, ein. Sie diskutierten den Status der Malerei. So beschäftigte Magritte sich ab den 50er Jahren zunehmend auch mit den verschiedenen philosophischen Theorien Heideggers oder Merleau-Pontys, welche ihm zwar die wissenschaftliche Legitimation für seine Bilder lieferten, seine Malerei hingegen dennoch nicht etwa auf ein höheres Podest stellten. Magritte lag zeitlebens viel daran, sich für die Anerkennung der Malerei einzusetzen und gegen das Vorurteil zu kämpfen, dass Malerei dumm sei.

1966 entdeckte er Michel Foucaults Werk „Die Ordnung der Dinge“ und trat auch mit dem französischen Denker in einen Meinungsaustausch. Erst nach seinem Tod wurde der Maler Magritte von Michel Foucault endlich rehabilitiert. Der Poststrukturalist widmete ihm 1973 posthum seine aus dem Briefwechsel der beiden hervorgegangene  Schrift „Ceci n’est pas une pipe“- „Dies ist keine Pfeife“. Auch dieses Bild ist in der Schirn zu sehen. Aber weil Frankfurt international denkt, befindet sich in der Schirn die englische Version: „This is not a pipe.“ Echt!

Der Katalog zur Ausstellung, den der Kurator des Centre Pompidou, Didier Ottinger, herausgegeben hat, erscheint im Prestel Verlag. Der reichbebilderte Band enthält spannende Essays und ein Vorwort des Schirn-Direktors Philipp Demandt.

Comments are closed.