“Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (6)
Franz West: „Sphairos“ – David Nash: „Black Butt“
Zwei Kugeln – zwei Globen, Weltkugeln, Raumkörper?
Von Erhard Metz
Seit jeher spielen die Kugel beziehungsweise die Kugelform, in welcher Gestalt auch immer, in der bildenden Kunst und namentlich in der Bildhauerei eine grosse Rolle. Bereits in der Antike ersetzten gebildete Naturwissenschaftler und Philosophen (Pythagoras, Platon, Aristoteles etc.) die archaische Vorstellung von der Erde als Scheibe auf einem Ur-Ozean durch das Kugelbild, und gleiches galt auch für die Gestirne. Stets faszinierte die Kugel – sie kennt kein oben oder unten, kein links oder rechts – mit ihrer endlichen, aber unbegrenzten Oberfläche die Menschen und forderte zu künstlerischer Gestaltung heraus.
Nehmen wir den „Black Butt“ des 1945 in Esher/Surrey geborenen Bildhauers David Nash: verbeult und zerklüftet, irgendwie rund und einer Kugel ähnlich ist das Werk. Eindrucksvoll und mit über zwei Meter Durchmesser Aufmerksamkeit einfordernd steht/liegt es auf einer weiten Wiesenfläche im Kurpark, der Blick schweift bis hinunter zum Schwanenteich mit seiner Fontaine, und je weiter sich der Betrachter von ihm entfernt, desto rundgefügter erscheint es ihm.
Ganz anders die kugelförmige Arbeit des berühmten Allround-Künstlers Franz West (1947 – 2012) im Oberen Schlossgarten von Bad Homburg. Der Korpus – dessen Durchmesser beträgt eineinhalb Meter – aus ungleich zugeschnittenen Aluminiumplatten wirkt deformiert und „verbeult“, nähert sich jedoch stärker der idealen Kugelform an, als dies bei David Nash der Fall ist. Den Titel „Sphairos“ entlehnt Franz West der griechischen Mythologie respektive der Elementen- und Epochenlehre des Empedokles: Die einheitlich vermischten Elemente bilden eine göttliche Kugel als vollkommenen Körper, den „Kugelgott“ Sphaíros, aus dem der Philosoph wiederum die Entstehung der Weltkugel, also der Erde, ableitet.
Franz West, Sphairos, 1998, Aluminium, bemalt, 150 x 150 x 150 cm, Sammlung Middelheimmuseum, Antwerpen
Die Aluminiumbleche hat Franz West in einem Ton zwischen Gold, Kupfer und Orange bemalt. Ein zusätzliches Braun verläuft sich vom oberen Kugelpol ausgehend zum Gegenpol und damit zur Basis der Skulptur.
Zwei sehr unterschiedliche Werke also, die sich in verschiedener Weise mit dem Wesen des Kugelkörpers auseinandersetzen und entsprechend, kongenial kuratiert, an zwei sehr unterschiedlichen Ausstellungsorten präsentiert werden: Bei David Nash spüren wir im zu Bronze umgesetzten verkohlten Holz das Vegetative, Irdisch-Vergängliche, im Werk von Franz West das Sphärische, Feierlich-Zeremonielle, Religiös-Transzendente.
Abbildungen: Courtesy Stiftung Blickachsen gGmbH, Bad Homburg; Fotos: Erhard Metz
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