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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„L’incoronazione di Poppea“ von Claudio Monteverdi an der Oper Frankfurt

Amor – ein (zuweilen) massloser, zerstörerischer, demaskierender Gott

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus /Oper Frankfurt und Renate Feyerbacher

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Gaëlle Arquez (Nerone) und Naomi O’Connell (Poppea); Foto © Monika Rittershaus

Schon im Prolog der Oper wird klar, dass es zur Sache geht. Amore mischt sich bei Fortuna (Glück) und Virtù (Tugend), den Göttinen, ein. Alle streiten um die Macht. Amore will beweisen, dass Liebe die Welt regiert, und dass er Poppea, die Frau des Generals Ottone, in Kaiser Nerones Bett bringen wird. Zur römischen Kaiserin will er sie gekrönt sehen. Hindernis ist allerdings noch Nerones Gattin Ottavia.

Ein Drahtseilakt im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Göttingen turnen auf quer verzahnten Leitern, die zum Publikum hin nur als Querbalken erscheinen, rauf und runter. Dieses erste Bild lässt schon vermuten, dass es toll zugehen wird. In der Tat. Hässlich maskiert sind sie alle – vor allem Amore. Ihm zu begegnen – eigentlich kein Vergnügen.

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im Vordergrund stehend Alfred Reiter (Seneca) und als Projektion Jessica Strong (Pallade); Foto © Monika Rittershaus

Ottone jammert entsetzlich über die Untreue seiner Frau, während Nerone und Poppea sich köstlich, sehr erotisch – amour fou – vergnügen. Poppeas Amme warnt ihren Schützling. Diese ist sich aber sicher, dass sie siegen wird. Sie will Nerones Frau und Kaiserin werden. Wenn sie alleine ist, dann singt sie nicht von Liebe, sondern von Macht. Massloser Ehrgeiz treibt sie. Kaiserin Ottavia klagt über Nerones Untreue und wird von ihrer Amme zum Seitensprung angeregt. Sie lehnt ab. Philosoph Seneca appelliert an Ottavias Tugend und Seekenstärke, ganz schöne Phrasen, und redet Nerone ins Gewissen. Da geht es um Staatsräson. Nerone aber verspottet ihn und preist die Macht der Liebe. Die Aufforderung zur Selbsttötung ist die Folge. Seneca ist der Einzige, der den Verwerflichkeiten trotzt und den Tod als erfüllende Krönung des Lebens preist. Der gehörnte Ehemann Ottone lässt sich von Kaiserin Ottavia zum Mord an Poppea anstiften. Hofdame Drusilla, total in Liebe zu Ottone verzehrt, ist Mitwisserin und hat ihm sogar ihre Kleider geliehen, damit er unerkannt morden kann. Aber Amore ist zur Stelle und verhindert den Mord an Poppea. Es folgen die Verbannung von Kaiserin Ottavia, die auf dem Meer ausgesetzt wird, und von General Ottone, dem Drusilla bereitwillig folgt. Der Krönung von Poppea steht nichts mehr im Wege.

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Naomi O’Connell (Poppea) und William Towers (Ottone); Foto © Monika Rittershaus

Ein sehr lebendiges, vielschichtiges Libretto, das Claudio Monteverdi (1567-1643) sich von Giovanni Francesco Busenell (1598-1659) hat schreiben lassen. Der Librettist hatte schon einmal für den Monteverdi-Schüler Francesco Cavalli einen historischen Operntext verfasst. Das historische Sujet war also nicht neu, jedoch die Art der Charakterisierung historischer Figuren. Im Libretto bezichtigt Busenello den römischen Kaiserhof der Charakterlosigkeit, der Unehrenhaftigkeit. Ein lächerlicher Kaiser wird vorgeführt.

Die historischen Ereignisse um Nero, Octavia, Poppaea Sabina und Otho, der später kurz Kaiser war, sind sehr facettenreich und wechselvoll; sie sind in der Oper verändert. Nerones Befehl zur Selbsttötung seines Erziehers Seneca zum Beispiel erfolgte laut Geschichtsschreibung erst später im Zusammenhang mit dem verheerenden Brand in Rom. Nero wurde, wahrscheinlich zu Unrecht, verdächtigt, den Brand initiiert zu haben, und beschuldigte daraufhin die Christen, die er verfolgen liess. Auch Seneca musste geopfert werden. Der historische Nero umgab sich mehr und mehr mit Günstlingen und wurde zum zügellosen Despoten.

In Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ (Die Könung der Poppea) wird das gezeigt, vor allem in der Szene mit Höfling Lucano, von der Regisseurin exzessiv inszeniert. Kaiser und Höfling feiern Senecas Tod. Ein Trupp von Soldaten, Leibwächtern – Anspielungen auf den Überwachungsstaat – mit clownesken Masken wuselt ständig über die Bühne – schauspielerisch agierend und Bühnenteile schiebend.

Was macht die dreistündige Barockoper ausserdem noch spannend? Es sind die einfachen Leute, die zu Wort kommen. Die beiden Ammen, Diener Valetto und die Hofangestellte Damigella. Kritisch beobachten sie die Szene der Mächtigen. Poppeas Amme Arnalta, herrlich karikiert von Hans-Jürgen Lazar, feiert allerdings später ihren gesellschaftlichen Aufstieg.

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auf dem Sofa sitzend Claudia Mahnke (Ottavia) und hinter ihr stehend Martin Wölfel (Nutrice); Foto © Monika Rittershaus

„L’incoronazione di Poppea“ ist Claudio Monteverdis letzte Oper. Er war bereits 75 Jahre alt, als sie zur Karnevalszeit 1642/1643 in Venedig uraufgeführt wurde. Kurz danach starb er. Bisher waren Götter und Göttinnen die Protagonisten seiner Opern, nun sind es die Menschen.

„Die Partitur besteht außer den Gesangsstimmen und der dazugehörigen Basslinie mit gelegentlichen Ziffern nur aus einigen kurzen Ritornellen“ (Anmerkung: bei Monteverdi wurden eingeschobene selbständige Instrumentalsätze als Ritornell bezeichnet), das schreibt Andreas Küppers, der die Oper neu einrichtete und sich auf zwei überlieferte Quellen stützte: auf die sogenannte venezianische und die neapolitanische. „An besonderen Stellen der Oper wurden im Stil Monteverdis nachempfundene Verzierungen für Sänger und Instrumentalisten eingefügt, sei es als Variation der Melodielinie, als Kadenz auf Schlussformeln oder als Wechselspiel zwischen Sängern und Instrumentalspielern“ (Zitat Programmheft). Wie schon bei „Oper Extra“ betont Andreas Küppers die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Dramaturgie (Zsolt Horpácsy), dem Regieteam, den Sängern, dem Dirigenten und den Musikern.

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Naomi O’Connell (Poppea) und Gaëlle Arquez (Nerone); Foto © Monika Rittershaus

Diese gelungene Verzahnung aller am Projekt Beteiligten ist dem Opernabend anzumerken. Ausgefallene Ideen hat Regisseurin Ute M. Engelhardt. Sie war, nach ihrem Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien, das sie 2006 abschloß, zunächst Stipendiatin der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, dann als Regieassistentin am Theater in Detmold und kam 2008 in gleicher Position an die Oper Frankfurt, arbeitete aber woanders bereits als
Regisseurin. Heute ist sie freischaffend tätig. Die Figuren fordert sie – auch in puncto Freizügigkeit. Das Bühnengeschehen hat auf diese Weise authentische Momente. Es gelingt ihr der Wechsel zwischen empathisch-dramatischen Szenen (Seneca, Ottavia), frech-kessen, karikaturhaften (Valetta, Damigella, Arnalta und vor allem Amore) und solchen Szenen, die Nerones Macht demonstrieren.

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Produktionsteam: Katharina Tasch, Ute M. Engelhardt, Julia Müer; Foto: Renate Feyerbacher

Engelhardts Ideen werden pfiffig umgesetzt von Bühnenbildnerin Julia Müer, die zuletzt an der Oper Frankfurt die Bühne in Humperdincks „Hänsel und Gretel“ schuf. Es gibt eine vordere Bühne, deren Teile verschiebbar sind. Klappen öffnen sich auf der Hauptbühne und Personal quillt heraus. Die Leiterkonstruktion als Schlussprospekt, hinter dem sich dennoch kleinere Aktionen abspielen, ist gelungen.

Die Kostüme von Katharina Tasch, abgestimmt auf jede Szene, gefallen sehr. Unter dem übergrossen, traumhaft schönen Krönungsmantel von Poppea am Ende der Oper verbergen sich die Opfer des Machtspiels. Beim Schreiten werden sie sichtbar: eine Klappe nach der andern ist geöffnet und die leblosen Körper hängen heraus.

Wieder stehen hervorragende Sängerinnen und Sänger auf der Bühne: allen voran Gaëlle Arquez als Nerone. Die Hosenrolle hat sie nicht nur darstellerisch, sondern auch stimmlich fulminant im Griff – ein wohlklingender Mezzosopran, der bereits als Medea in Georg Friedrich Händels Teseo (in der Spielzeit 2012/2013) das Frankfurter Publikum begeisterte.  In Paris sang sie die Rolle der Zerlina in Michael Hanekes berühmter Don Giovanni-Inszenierung. Sie ist nicht nur eine Spezialistin für Barockmusik, für Mozart und Rossini, sondern auch für Olivier Messiaen, dessen Werke sie mit Pierre Boulez interpretierte.

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Gaëlle Arquez am Premierenabend; Foto: Renate Feyerbacher

Zum ersten Mal ist die irische Mezzosopranistin Naomi O’Connell als Poppea dabei. Für sie ist es ein Rollendebüt. Die mehrfach ausgezeichnete Sängerin, die an der berühmten New Yorker Juilliard School ihr zunächst in Irland begonnenes Studium abschloss, steht oft auf den grossen Bühnen der USA. Sie ist eine grandiose Partnerin Nerones, mal eiskalt-berechnend, mal zerschmelzend im Liebesrausch.

Für Countertenor William Towers, der an der Oper Frankfurt schon in mehreren Produktionen Beachtung fand, ist die Rolle des Ottone nicht neu. Er beherrscht sie. Ihm gelingen feine Momente.

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William Towers bei „Oper Extra“; Foto: Renate Feyerbacher

Ensemblemitglied Claudia Mahnke singt Kaiserin Ottavia zum ersten Mal. Grossartig, wie sie nach Judith in Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ (die sie auch soeben in Los Angeles sang) und nach den Rollen im Bayreuther Ring diese barocke Partie interpretiert. Nach der Premiere scherzte sie „und nun Barock“.

Alfred Reiter verkörpert Seneca. Sein Bass ist wie ein ruhender Pol in dieser höfischen Umtriebigkeit – und ein Gegenpol zum quirligen Gott Amore und zum Diener Valetto. Beide Partien werden von Elizabeth Reiter brillant gesungen und gespielt.

Der klare, feine Sopran von Anna Ryberg gab Drusilla ihre Stimme. Die Schwedin, die seit zehn Jahren zum Ensemble gehört, ist auch als Darstellerin eine Idealbesetzung.

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Anna Ryberg bei „Oper extra“; Foto: Renate Feyerbacher

Unter der Leitung von Simone Di Felice lassen achtzehn Musiker, Mitglieder und Gäste des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, Monteverdis unverwechselbare Musik und deren charakteristische Instrumentierungen erklingen und entführen die Zuhörer in die einzigartige Musikwelt des 17. Jahrhunderts.

Stürmische Ovationen des Publikums.

Weitere Aufführrungen am 25., 26., 28. und 31. Dezember sowie am 1. und 3. Januar 2015

 

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