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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Dido and Aeneas“ von Henry Purcell – „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók

Gescheiterte Liebe
Wiederaufnahme an der Oper Frankfurt

Von Renate Feyerbacher

Fotos: Monika Ritterhaus/Oper Frankfurt (Dido and Aeneas) und Wolfgang Runkel/Oper Frankfurt (Herzog Blaubarts Burg)

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Dido and Aeneas: Paula Murrihy (Dido) und Sebastian Geyer (Aeneas); Foto © Monika Rittershaus

Fast auf den Tag genau kehren nach drei Jahren die Opern-Einakter „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell (1659-1695) und „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók (1881-1945) auf die Frankfurter Opernbühne zurück. Purcells Werk ist in den Hauptpartien wie zur Premiere besetzt. Den Blaubart singt diesmal Johannes Martin Kränzle, Claudia Mahnke wieder die Judith. Mit diesen Werken gastierte die Frankfurter Oper im August beim Edinburgh Festival 2013.

Die Idee, die beiden Einakter aus verschiedenen Epochen zu kombinieren, kam vom griechischen Dirigenten Constantinos Carydis, der auch bei der Wiederaufnahme die vorzüglichen Musiker des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters dirigierte. Ein kleines Barockensemble, es sind etwa 20 Musiker, darunter eine Barockgitarre, eine Theorbe, eine Basslaute, deren Hals heraus ragt, Basso continuo, Cembalo, Orgel, Schlagzeug, wenige Streicher und die virtuos spielende Flötistin, die immer wieder aufsteht, damit ihre Töne gut zu hören sind. Interessant, die Musiker zu beobachten.

Liebe, beziehungsweise die gescheiterte Liebe, ist die inhaltliche Klammer der beiden Opern.

Bei Purcell stirbt Dido an gebrochenem Herzen. „When I laid in earth“ singt sie in ihrer Abschiedsarie. Bei Vergil sind es die Götter, die dem Liebespaar Dido und Aeneas die Liebesbeziehung nicht gönnen. Im Text von Nahum Tate nach Vergil, der knapp die Geschichte erzählt, sind es Hexen, die à la Shakespeare dazwischenfunken. Willkür, unmotivierte Bosheit, pure Lust an der Zerstörung menschlicher Liebesbeziehung. Und was für einen Spass haben die drei männlichen, bärtigen Wesen, die Zauberin und ihre zwei Hexen, die turbulent das Geschehen auf dem nur zur Verfügung stehenden schmalen Bühnenstreifen, im Orchestergraben und im Zuschauerraum aufmischen. Es sind die vorzüglichen Countertenöre: Martin Wölfel als Sorceress (Zauberin) und Dmitry Egorov („Giulio Cesare in Egitto“, Spielzeit 2012/13) sowie Roland Schneider als Hexen, die am 5. Dezember 2010 auch schon dabei waren.

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Herzog Blaubarts Burg: Claudia Mahnke (Judith), Johannes Martin Kränzle (Blaubart); Foto © Wolfgang Runkel

In „Herzog Blaubarts Burg“ geht es um aufopferungsvolle Liebe. Wie Senta in Wagners „Der fliegende Hollander“ steht Judith nach der Entdeckung der furchtbaren Verbrechen zu Blaubart, den sie liebt. Für den sie ihre Familie, ihren Bräutigam verliess und ihm in sein finsteres Schloss folgte. Sie will, dass Licht in die dunkle Burg herein flutet, sie will, dass er die sieben verschlossenen Türen öffnet. Nach und nach zwingt sie Blaubart, ihr die Schlüssel für die Türen zu überlassen. „Warum? – Weil ich Dich liebe.“ Er warnt sie. Sie sieht die Folterkammer, die Waffenkammer, die Schatzkammer, einen Garten, eine strahlende Landschaft, einen Tränensee und überall Blut. Den siebten Schlüssel will Blaubart ihr nicht geben. Dahinter verbergen sich die drei früheren, ermordeten Frauen, die er am Morgen, (Morgenröte) am Mittag (Mittagssonne) und am Abend (Abenddämmerung) traf. Judith ist die vierte Frau, ihr gehört die Nacht. (Nachtzeit- Dunkelheit).

Sie scheitert mit ihrem Erlösungswillen. Vergeblich das Opfer. Hätte sie ihn aus seiner Selbstverbannung durch ihre Aufopferung erlösen, befreien können? Hätte sie ihre Vernichtung verhindern können, indem sie darauf verzichtet hätte, die Türen zu öffnen? Es geht es um den Beziehungs-Konflikt zwischen den Geschlechtern.

Bartók war ein Verfechter der Gleichstellung und -berechtigung von Mann und Frau. „Auch die Frau soll dürfen, was der Mann darf oder aber auch dem Mann soll nicht erlaubt sein, was der Frau nicht erlaubt ist“, schreibt er an seine Mutter 1905. Erst vier Jahre zuvor war es Mädchen im Land Baden erlaubt worden, höhere Jungenschulen zu besuchen. Am 30. November 1918 erhielten Frauen in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht. Am 24. Mai 1918 wurde Blaubart in Budapest uraufgeführt.

Bei Bartóks fortschrittlichen Thesen hätte allerdings eine Judith erwartet werden können, die nicht in Schicksalsergebenheit endet.

Geschrieben wurde das Libretto von dem ungarischen Philosophen, Schriftsteller und Filmtheoretiker Béla Balázs. Der Text basiert auf Motiven aus der französischen Sagenwelt und einer Siebenbürger Volksballade. Ein psychologisches Drama ist ihm gelungen, das den Beziehungs-Konflikt zwischen Mann und Frau kulminieren lässt. Balázs selbst nannte seinen Blaubart jedoch kein geeignetes Opernlibretto.

Bártók schuf ein klanggewaltiges Werk – sehr facettenreich, stilistisch vielfältig, gewaltig die musikalische Ausbeute: manchmal an Wagner, an Strauss erinnernd, dann an Debussy, zum Beispiel, wenn Judith hinter der fünften Tür die strahlende Landschaft sieht, und volksmusikalische Einflüsse. Mit Moll-Tönen beginnt Bartóks einzige Oper, mit Moll-Tönen schliesst sie.

Regisseur Barrie Kosky, heute Intendant der Komischen Oper Berlin, hat zwei grundverschiedene Regiekonzepte entwickelt.

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Dido and Aeneas: am linken Bildrand sich umarmend Sebastian Geyer (Aeneas)  und Paula Murrihy (Dido), Solistenensemble, Chor und Statisterie der Oper Frankfurt sowie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester; Foto © Monika Rittershaus

In „Dido and Aeneas“ sitzen die Königin Dido, von Anfang an von schwerem Liebesleid gezeichnet, und ihr Hofstaat auf einer langen Bank, dahinter stehen die Elemente, die sie ins Unglück stürzen werden. Es wird nur auf einem schmalen Bühnenstreifen und im Orchesterraum agiert. Auf der langen Bank wird balanciert. Es ist tief traurig und komisch, wenn das Team der Zauberin auftaucht. Ausgelassen wird gefeiert und getanzt, wenn Dido und Aeneas heiraten. Dann der Auftritt des Geistes, verkleidet als Merkur, mit dem Befehl, Aeneas müsse sofort Karthago verlassen, um ein neues Troja zu gründen. Aeneas (lyrisch fein gesungen von Bariton Sebastian Geyer), der vorher versprochen hatte, bei Dido zu bleiben, verzweifelt. Die Stimmung kippt. Als der frisch Vermählte Didos Verzweiflung sieht, will er bleiben, den Göttern trotzen. Aber Dido verlangt seinen Weggang. Kein Abschied. Ganz allein sitzt Dido am Ende der Bank, ihres Prunkkleides entledigt, kaum Bewegung, kaum Gesten, tief seufzend, laut schluchzend, einsam, depressiv. Grandios ist die Leistung der jungen irischen Sängerin Paula Murrihy, die vor kurzem in „Ezio“ begeisterte.

Verlassen wird Dido von allen, auch von den Musikern, die einer nach dem andern durch den Zuschauerraum abgehen: zuletzt sind es Geige, Cello und Dirigent.

Tosender Beifall.

Nach der Pause „Herzog Blaubarts Burg“ – ein musikalischer Sprung über drei Jahrhunderte.

Das Orchester, stark besetzt, musiziert wieder wie gewohnt in seinem Graben.

Der Vorhang hebt sich Millimeter um Millimeter. Diese Zelebration erhöht die Spannung. Zwei Beinpaare, die von Judith und die von Blaubart, werden sichtbar. Eng umschlungen stehen die zierliche Judith, fest umklammert in den Armen des grossen Blaubart.

Die Bühne tief schwarz, grossräumig, eine Scheibe, die sich immer wieder leicht dreht und erhebt. Judith in schwarzem Kleid mit Ausschnitt, auch genannt das kleine Schwarze, Blaubart in schwarzem Anzug mit Krawatte. Die sieben Türen, die sich Judith öffnen lässt, gibt es nur in der Vorstellung. Auch hier wie im ersten Einakter das eindrucksvolle Bühnenbild und die Kostüme von Katrin Lea Tag.

Die drei männlichen Figuren, die das Paar umkreisen, symbolisieren den Garten, die Schatzkammer und den Tränensee. Die Bühnenbildnerin lässt Ranken aus den Sakkoärmeln spriessen oder Goldstaub und Wasser herunterrieseln.

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Herzog Blaubarts Burg: Claudia Mahnke (Judith), Johannes Martin Kränzle (Blaubart); Foto © Wolfgang Runkel

Mezzosopranistin Claudia Mahnke verkörpert wie bei der Premiere die Judith. Die dramatische Ausstrahlung, die differenzierte Feinheit in Gesang und Spiel hat sie noch einmal steigern können. Unglaublich. Es bleibt einem schier der Atem weg, wenn sie sehr unsanft auf die Bühne fliegt, von Blaubart hingeworfen, und dann noch stimmlich voll präsent ist.

Diesmal ist ihr Partner Johannes Martin Kränzle, der nach einem Jahr wieder an die Oper Frankfurt zurückkehrte. In dem Jahr, das er abwesend war, gastierte er in Berlin, München, Mailand, London, Luzern und Madrid.

Sein markanter Bariton ist eine Idealbesetzung für diese Rolle. Und dann sein Spiel. Die Anspannung ist enorm, als Kränzle an der Rampe balanciert, eine Schüttelattacke bekommt und hin und wieder stürzt. Jedes Mal beim Öffnen einer Türe ist seine Stimme, sein Spiel anders. Was für eine Vielfalt von Klangfarben. Grossartig die klare Sprachdiktion. Es wird in Ungarisch gesungen. Kränzle identifiziert sich mit diesem Blaubart, mit seiner Brutalität, mit seiner Zartheit, mit seiner Verzweiflung.

Was für einen Opern-Höhepunkt beschert uns das Paar Kränzle / Mahnke, die mit immenser Intensität aufeinander eingehen, eine Einheit im Zerwürfnis bilden.

Wieder tosender Beifall.

Leider kann diese Inszenierung nur noch einmal in dieser Spielzeit, am 15. Dezember 2013, 19.30 Uhr, gesehen werden.

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