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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ottilie W. Roederstein, Emy Roeder und Maria von Heider-Schweinitz im Museum Giersch

Künstlerin sein! – Der unbeirrbare Wille zur Kunst

Von Hans-Bernd Heier

Unter dem Titel „Künstlerin sein!“ zeigt das Museum Giersch, Frankfurt am Main, bis zum 26. Januar 2014 Werke von Ottilie W. Roederstein, Emy Roeder und Maria von Heider-Schweinitz. „Unser Ausstellungstitel soll die Beharrlichkeit, das Engagement und die Leidenschaft ausdrücken, mit denen Frauen für ihre Existenz als Künstlerinnen kämpften, sich gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit stellten sowie im Rahmen der Möglichkeiten ihre Vorstellung vom Künstlertum lebten“, erläutert Manfred Großkinsky, Leiter des Museums Giersch.

Ottilie W. Roederstein, „Selbstbildnis mit Hut und Mantel“, 1903, Öl auf Leinwand, 69 x 49 cm; Privatbesitz

Dabei könnten die biografischen Lebensentwürfe der drei Künstlerinnen und ihr Werk kaum unterschiedlicher sein: Die Malerin Ottilie W. Roederstein lebte, mit ihrer Gefährtin, der Chirurgin Elisabeth Winterhalter, zusammen. Emy Roeder war mit dem Bildhauerkollegen Herbert Garbe verheiratet, von dem sie sich Jahre später kinderlos trennte. Maria von Heider-Schweinitz ging den traditionellen Weg der Familiengründung. Sie unterbrach ihre Malerausbildung und heiratete 1915 den Offizier Karl von Heider, mit dem sie drei Kinder hatte. Erst danach setzte sie ihre künstlerische Ausbildung fort.

Emy Roeder, „Geschwister. Mädchen, vom Kleinkind umhalst“, 1933/34, Bronze, Höhe 67 cm; Museum im Kulturspeicher Würzburg

Auch differieren die Rahmenbedingungen des Schaffens der Künstlerinnen: Roederstein und Roeder bestritten mit ihrer Kunst ihren Lebensunterhalt durch Verkäufe, Auftragsarbeiten und durch Unterrichtstätigkeit“, schreibt Birgit Sander, stellvertretende Leiterin des Museums Giersch, in dem profunden Begleitkatalog. Heider-Schweinitz übte dagegen ihre Kunst überwiegend im privaten Bereich aus. Indes: Alle drei Künstlerinnen verbindet der unbeirrbare, leidenschaftliche Wille zur künstlerischen Tätigkeit, der in ihrer Jugend seinen Anfang nahm und bis zum Lebensende währte.

Maria von Heider-Schweinitz, „Drei Akte“, 1936, Öl auf Leinwand, 108,5 x 127 cm; Privatbesitz

Parallelen zeichnen sich laut Sander auch bei ihren künstlerischen Anfängen ab: „Alle drei absolvierten ihre Ausbildungen in privaten Kunstschulen oder Künstlerateliers. Und für alle drei Frauen stellte der Nationalsozialismus, der die Moderne als ‚entartet‘ diffamierte und mit seiner autoritären Ordnung alle weiblichen Emanzipationsversuche rigide unterdrückte, eine Zeit der künstlerischen wie persönlichen Einschränkung und Unfreiheit dar“.

Kuratorin Susanne Wartenberg (links) mit einer Besucherin vor Ottilie W. Roedersteins Ölgemälde „Miss Mosher oder Fin d´Eté“, um 1887, 201 x 80 cm; Privatbesitz; Foto: Hans-Bernd Heier

Mit den Malerinnen Ottilie W. Roederstein und Maria von Heider-Schweinitz sowie der Bildhauerin Emy Roeder zeigt das Museum Giersch in seiner 30. Ausstellung die Arbeiten von drei bedeutenden Künstlerinnen der Rhein-Main-Region. Trotz schwieriger Zeitumstände hinterliess jede der drei Frauen ein beeindruckendes und kraftvolles Werk, für dessen Präsentation das Museum Regionaler Kunst, das seit dem Jahre 2000 die Kunstszene am Museumsufer bereichert, einen geradezu idealen Rahmen bildet.

Ottilie W. Roederstein, „Der kleine Sieger“, 1896, Öl und Tempera auf Malkarton, 27 x 24 cm; Kunsthandlung J. P. Schneider jr., Frankfurt a. M.

Während Ottilie W. Roederstein und Emy Roeder bereits zu Lebzeiten renommierte Künstlerinnen waren, wird das Werk von Maria von Heider-Schweinitz nun erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt – eine echte Entdeckung. Versammelt sind insgesamt gut 120 Exponate – rund 40 von jeder Künstlerin – in thematischen und monografischen Kabinetten, die den Besucher durch Nebeneinander- und Gegenüberstellungen der Arbeiten zu Vergleichen anregen. Die von Susanne Wartenberg, wissenschaftliche Volontärin des Museums Giersch, kuratierte Schau, die die individuellen künstlerischen Positionen der drei Frauen eindrucksvoll verdeutlicht, ist klar und überzeugend strukturiert.

Ottilie W. Roederstein – 1859 in Zürich geboren und 1937 in Hofheim gestorben – musste sich zunächst gegen Widerstände aus der eigenen Familie durchsetzen, um Kunst studieren zu können. Zudem war ihr als Frau Ende des 19. Jahrhunderts der Zugang zu den Kunstakademien verwehrt. Um ihr Ziel zu erreichen, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich an privaten Malschulen ausbilden zu lassen – nämlich in Zürich, Berlin und Paris. Anschliessend arbeitete sie als freischaffende Künstlerin. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin, der Ärztin Elisabeth Winterhalter, siedelte sie 1891 nach Frankfurt am Main über.

Ottilie W. Roederstein, „Rosen auf violettem Grund“, 1934, Öl und Tempera auf Leinwand, 46 x 38,7 cm; Rosenmuseum Steinfurth; Foto: Winfried Flammann, Karlsruhe

Porträts und Stillleben bilden die Schwerpunkte im Werk Ottilie W. Roedersteins. Daneben schuf sie religiöse und allegorische Darstellungen sowie Landschaften. Die Gattung der Porträtmalerei erlangte im Lauf des 19. Jahrhunderts immer grösseren Stellenwert auf dem Kunstmarkt. Dies lag vor allem an dem steigenden bürgerlichen Repräsentationsbedürfnis. So bestritt Roederstein im Wesentlichen mit der Porträtmalerei ihr Einkommen als Malerin. Das Ausdrucksspektrum ihrer Porträtkunst ist überaus breit und zeugt von ihrer besonderen Fähigkeit zur sensiblen Personenerfassung.

Als Malerin genoss sie über die Region hinaus hohes Ansehen und pflegte zahlreiche gesellschaftliche Kontakte. Auch unterrichtete sie in ihrem Atelier im Städelschen Kunstinstitut eine Gruppe von Schülerinnen, darunter die junge Hanna Bekker vom Rath. Später lebten die inzwischen befreundeten Malerinnen in nächster Nachbarschaft in Hofheim.

Zeitlebens blieb Ottilie W. Roederstein dem Naturalismus verbunden. Ihr markanter Malstil besticht durch die klare, sachliche, zugleich jedoch auch einfühlsame und repräsentative Darstellungsweise. Aufgrund ihres malerischen Könnens genoss sie in einem männlich dominierten Umfeld bei Künstlerkollegen, Sammlern und Kritikern hohe Wertschätzung.

Emy Roeder – 1890 in Würzburg geboren, 1971 in Mainz gestorben – war eine der wenigen Frauen, die sich in den 1920er Jahren erfolgreich als Bildhauerin ausbilden liessen. Von 1912 bis 1915 war sie Schülerin des renommierten expressionistischen Bildhauers Bernhard Hoetger in Darmstadt und später Meisterschülerin von Hugo Lederer in Berlin. Erste Ausstellungserfolge erzielte sie bereits 1921, als eine erste Werkmonografie erschien.

Emy Roeder, „Wasservögel“ (Kleine Fassung), 1960, Bronze, Höhe 37 cm; Museum im Kulturspeicher Würzburg

In Roeders Werk, das sich aus Plastiken und Zeichnungen zusammensetzt, stand die Auseinandersetzung mit Mensch und Tier zeitlebens im Zentrum ihres Schaffens. Sie arbeitete zunächst überwiegend mit Kunststein, Terrakotta, seltener mit Holz, später vermehrt mit Bronzetechnik. Sie wandte sich wie Künstlerkollegen auch vom idealisierenden Vorbild der klassischen Bildhauerkunst ab. In ihren plastischen Werken verband sie reduzierte, blockartige Formen mit sensibler Ausdruckskraft. Aufgrund ihrer expressionistischen Formensprache galt Emy Roeders Kunst während des Nationalsozialismus als „entartet“.

Seit den späten 1920er Jahren setzte sich Emy Roeder neben ihrem bildhauerischen Werk intensiv mit dem Medium der Zeichnung auseinander. Fortan näherte sich die Bildhauerin zeichnerisch ihren Motiven, die sie dann oftmals erst Jahre später plastisch umsetzte. Ihr zeichnerisches Werk, das einen Bestand von über 420 Arbeiten umfasst, führte Roeder überwiegend in Kreide oder Bleistift aus. Ihre Zeichnungen sind Bildhauer-Zeichnungen, die als autonome Kunstwerke anzusehen sind. Denn die Zeichnungen gehen in der Mehrzahl über eine rein werkvorbereitende Funktion und über den Charakter blosser Studien hinaus. Innerhalb des bildhauerischen Werkprozesses kommt ihnen eine wichtige Bedeutung zu: Nach einer Zeichnung baute Roeder in der Regel ihre Figuren in Ton auf und arbeitete dabei ohne Modell.

Emy Roeder, „Alter Bretone mit Baskenmütze“, 1934, Kreide, 75 x 53 cm; Museum im Kulturspeicher Würzburg

Zwischen 1936 und 1949 lebte die bekannte Bildhauerin zurückgezogen in Italien. Nach ihrer Rückkehr aus Italien nach Deutschland lebte und arbeitete sie in Mainz. Mit den Themen Mensch und Tier knüpfte sie an ihre früheren Werke an. Straffung und Verdichtung der Form bestimmten weiterhin ihr plastisches Schaffen. 1955 wird sie zur Teilnahme an der documenta l in Kassel eingeladen. Ihr Nachlass wurde nach Würzburg vergeben. Das erklärt, warum die meisten der gezeigten Arbeiten aus dem Museum im Kulturspeicher Würzburg stammen.

Maria von Heider-Schweinitz – 1894 in Darmstadt geboren, 1974 in Frankfurt am Main gestorben – widmete sich erst nach der Heirat und der Geburt ihrer Kinder wieder intensiv der Kunst. Ab den 1930er Jahren entstand ihr malerisches Werk, das sich auf Landschaften, Stillleben sowie Porträts konzentriert. Einen Schwerpunkt im Werk von Heider-Schweinitz bilden typisierte Frauendarstellungen. Häufig sind sie allein oder zu zweit als Halbfiguren wiedergegeben. Die meisten ihrer Frauenbildnisse sind keiner konkreten Person zuzuordnen und gehen nicht erkennbar vom anschaulichen Naturvorbild aus. In ihren Bildern verband sie Expressivität mit malerischer Sinnlichkeit und subjektivem Bedeutungsgehalt.

Maria von Heider-Schweinitz, „Dünen (Schlangenwolke)“, 1936, Öl auf Leinwand, 55 x 65,5 cm; Privatbesitz

Ihre frühen Werke weisen noch eine pastellige Farbpalette auf, schnell aber gelangte sie zu einer impulsiveren Malweise und satten, kontrastreichen Farben. Ihre Malerei zeugt von der existenziellen Erschütterung und Sinnsuche der Künstlerin während der nationalsozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkriegs, der für sie schwere persönliche Schicksalschläge brachte. Aufgrund ihrer bedingungslosen Expressivität konnte Maria von Heider-Schweinitz in diesen Jahren nur im Privaten arbeiten. Versuche, nach Kriegsende als Malerin öffentlich Fuss zu fassen, scheiterten. Heider-Schweinitz zählt zu der Generation der „verschollenen“ Künstler. Ihr bisher wenig beachtetes Werk gilt es, in dem gediegenen Ambiente der neoklassizistischen Villa am Schaumainkai zu entdecken.

Maria von Heider-Schweinitz, „Gläserner Akt“, 1937, Öl auf Leinwand, 90,8 x 61,2 cm; Privatbesitz

Reizvoll dürfte es für den Besucher auch sein, in den übergreifenden Themenräumen wie „Selbstdarstellung“, „Stillleben“ und „Akt“ die unterschiedlichen Ausdrucksformen der einzelnen Künstlerinnen zu vergleichen. Besonders aufschlussreich ist der direkte Vergleich der Selbstdarstellungen der drei Künstlerinnen.

Selbstbildnisse stellen traditionell Orte der künstlerischen Selbstbefragung und Auseinandersetzung mit der eigenen Person und Rolle dar. Alle drei Künstlerinnen widmeten sich mit unterschiedlicher Intensität der Selbstdarstellung.

Ottilie W. Roederstein, „Selbstbildnis mit Zigarillo“, 1936, Öl auf Leinwand, 46 x 33 cm; Privatbesitz

Ottilie W. Roederstein schuf schon früh Selbstporträts und malte sich in allen Phasen ihres Lebens. Ihre zahlreichen Selbstbildnisse können durchaus im Sinne einer künstlerischen Autobiografie verstanden werden. Auffälliges Merkmal ihrer künstlerischen Selbstbefragung ist die Betonung herber Züge in Verbindung mit einem nach aussen gerichteten durchdringenden Blick. Selbstbewusst stellte sich die Künstlerin dar und verheimlichte in ihren zahlreichen späten Selbstbildnissen auch die Spuren des Alters nicht.

Emy Roeder, „Selbstbildnis“, um 1960, Gips mit Schellack überzogen, 37 x 20 x 16,5 cm; Foto: Winfried Flammann, Karlsruhe

Die Bildhauerin Emy Roeder schuf lediglich ein plastisches Selbstbildnis, dessen Erstausformung 1958 erfolgte. Ihm waren verschiedene Zeichnungen vorausgegangen. Die Büste beeindruckt durch ihre expressive Ausdruckskraft: Sie offenbart die ungeschönten Spuren des Alters, gepaart mit einer gewissen mädchenhaften Ausstrahlung. Trotz geöffneter Augen scheint der Blick der gealterten Künstlerin nachdenklich sinnend nach innen, auf das eigene Selbst gerichtet zu sein.

Maria von Heider-Schweinitz ,“Selbstbildnis“, 1939, Öl auf Leinwand, 70 x 50,5 cm; Privatbesitz

Die Selbstporträts von Maria von Heider-Schweinitz zeugen auf besondere Weise von den existentiellen Erschütterungen des Ichs. „In den Selbstdarstellungen der Malerin offenbaren sich innere Seelenzustände und subjektive Empfindungen. Die Darstellung der individuellen Physiognomie verschwindet hinter maskenhaften Zügen und verdunkelten Augen, die keinen Blickkontakt zulassen und das Ich als unergründlich erscheinen lassen. Demgegenüber zeigen sich innere Aufgewühltheit und Unruhe durch eine kontrastreiche Farbwahl in Kombination mit raschen, heftigen Pinselzügen“, erläutert Kuratorin Susanne Wartenberg.

Die gut gehängte Ausstellung endet im dritten Obergeschoss mit einem Blick auf das Spätwerk der Künstlerinnen.

Zu der beeindruckenden Schau ist ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog (240 Seiten, Preis: 29,50 Euro) erschienen, den die Stiftung Giersch wieder grosszügig unterstützt hat. Begleitet wird die Präsentation von einem umfangreichen Rahmenprogramm.

Künstlerin sein! Ottilie W. Roederstein, Emy Roeder und Maria von Heider-Schweinitz“, Museum Giersch, bis 26. Januar 2014

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Museum Giersch

 

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