Niemals wieder Todesstrafe
Von Hans-Burkhardt Steck
Rechtsanwalt und Diplom-Soziologe
Selten dürfte ein Todesurteil derart viele Menschen im Innersten befriedigt haben wie das indische vom 13. September 2013. Zu entsetzlich war die Tat, für die es keinerlei Rechtfertigung oder Erklärung gab und gibt und die auch im Strafrecht Erfahrene mit Grauen erfüllt. Der Verfasser hat an hunderten von Mord- und Totschlagsverfahren mitgewirkt; keines der angeklagten Verbrechen, so grässlich sie auch waren, war auch nur annähernd so monströs wie dieses.
Und trotzdem. Auch jetzt. Nicht nur auch jetzt, gerade jetzt ist der unerbittliche Kampf gegen die Geissel der Menschheit, die schlimmste Verirrung staatlicher Gewaltausübung, die vom Staat betriebene Vernichtung von Menschenleben angesagter denn je.
Marie Antoinettes Hinrichtung am 16. Oktober 1793 auf dem Platz der Revolution; Bildnachweis: wikimedia commons/Autor unbekannt
Vor ganz kurzer Zeit war es in ganz Europa absolut üblich, Menschen von Staats wegen – lange Zeit sogar öffentlich – umzubringen. Das Vorgehen gegen Hexen und Straftäter reichte anscheinend nicht, so stürzten sich die Menschen in zwei fürchterliche Weltkriege, wie sie sich niemand hatte vorstellen können. Krieg gegen Feinde reichte offenbar immer noch nicht, da unternahm es ein Volk im Herzen Europas, einen Teil seiner eigenen Bevölkerung systematisch zu ermorden. Und dann endete all das mit dem ultimativen Schrecken, dem Umbringen von mehreren hunderttausend Menschen, dem Ausradieren zweier Städte durch Atombomben.
Hiroshima nach dem US-amerikanischen Atombombenabwurf am 6. August 1945; Bildnachweis: wikimedia commons/www.chinfo.navy.mil/navpalib/images/historical/hiroshima
Wenn es jemals irgendetwas aus der Geschichte zu lernen gab, dann das: Der Staat darf unter keinen Umständen Menschen umbringen. Kein Mensch auf der Welt hätte sich Anfang 1914 vorstellen können, was die irdischen und himmlischen Protokollführer in den nächsten 31 Jahren aufzuschreiben haben würden. Meine Eltern sind 1908 und 1912 geboren. Am Hiroshima-Tag waren sie gerade mal 33 und 37 Jahre alt. Ihr Leben bis dahin war praktisch ausgefüllt mit Grauen, das viele nicht verkraftet haben. Und der Dreh- und Angelpunkt dieses Grauens waren nicht irgendwelche Verbrecherbanden, sondern das staatlich betriebene Töten von Mitmenschen. Das erkannt und die Todesstrafe für alle Zeiten abgeschafft zu haben, ist das Verdienst dieser Menschen, die Dinge durchgemacht haben, die wir uns nicht entfernt vorstellen können.
Eben sonnten wir uns noch in der Gewissheit, dass die konsequente Abschaffung der Todesstrafe in Europa und die Verbreitung dieses unvergleichlichen zivilisatorischen Fortschritts im Rest der Welt massgeblich zur Verfriedfertigung (copyright: Verfasser) der wölfischen Natur des Menschen beigetragen hat, da soll eine kleine Gruppe barbarischer Unholde alles zunichte machen und die hierzulande faktisch erledigte Diskussion wieder aufleben lassen und um Jahrzehnte zurückwerfen? Muss das wirklich sein? Darf das sein?
Wehrt einer neuen Debatte um diese Frage! Talkshows und Umfragen zum indischen Urteil verbieten sich von selbst! Beckmann, Illner, Jauch, Will, Plassberg, Lanz und wie ihr alle heisst: Lasst die Finger davon!!!