Weikersheimer „Skulpturen.SCHAU!“ mit Arbeiten von Hilde Würtheim
Weikersheim, Blick vom Schloss auf Marktplatz und Stadtkirche St. Georg
Es gilt sich zu beeilen: Leider nur noch bis zum 22. September 2013, dem Wahlsonntag also, ist eine bemerkenswerte Skulpturenausstellung in Weikersheim zu sehen, die man wirklich nicht versäumen sollte, falls man sie noch nicht besucht hat. Es ist ein bequemer Tagesausflug von Frankfurt am Main aus, über die Autobahn A 3 und etwas über Landstrasse, insgesamt rund 150 Kilometer, in zwei Stunden zu fahren, allemal am erwartbar verkehrsruhigeren Wahlsonntag.
Wir hatten bereits im Frühsommer das Vergnügen mit – nein, sie heissen nicht Angie, sondern Franziska und Paula – mit den zwei Hübschen also, die niemals Kanzlerin der Deutschen werden wollen und die uns an einem wolkenverhangenen, eher kühlen Tag in Weikersheim erheiterten, was Kanzlerin Angie zweifellos nicht gelungen wäre.
Die Englischrote, 2012
Schloss Weikersheim, Stammsitz der Hohenloher, der illustre barocke Schlossgarten, die Gebäude der Orangerie (nicht jeder wird an deren stählerner Verunstaltung der Südseite Gefallen finden), die damalige Tulpenpracht – schön und gut. Wären da nicht Hilde Würtheims Mädels – Franziska und Paula eben. Sie belagern den Eingang zum Schloss, lungern sympathisch um den Marktplatz herum, hocken an der Mauer der Stadtkirche St. Georg. Man kann ihnen nicht ausweichen. Aber, seien wir ehrlich, man will es ja auch gar nicht. Weil sie uns auf subtile Weise interessieren, Vergnügen bereiten, auch durchaus beunruhigen, in Atem halten, ja in Bann ziehen.
Hockende I, 2012
Im Schneidersitz I, 2013
Sie schauen auf den ersten Blick so herrlich beteiligt-unbeteiligt vor sich hin, diese jungen Damen, ein Stückchen gelangweilt, ein Stückchen keck verschmitzt-interessiert, ein Stückchen provokant. Sie gucken ein Loch in die Welt und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein, wie man so sagt. Und doch wiederum blicken sie, bei näherem Hinsehen, auch sinnend und fragend in eine Zukunft, bei all ihrer Kessheit und jugendlichen Erotik nicht wenig bedenklich, vielleicht sogar sorgenvoll. Die Ruhe, die sie auf den ersten Blick ausstrahlen, kann sich als trügerisch erweisen. Es ist dieses Spannungsfeld in ihren Gesichtern und ihrer körperlichen Gestik, das den Betrachter fasziniert und einnimmt. Inmitten einer Altstadt, einem alten Städtchen, das nicht wenig von seiner Vergangenheit lebt, das einem – vielleicht interessierten, sicher aber einem kulturkonsum-orientierten – Tourismus einen Teil seiner Wirtschafts- und Lebenskraft verdankt.
Mädchen mit Apfel; Die Barfüssige; beide 2012
21 Skulpturen hat Hilde Würtheim im Städtchen platziert, in etwa lebensgross, in einem aufwendigen Arbeitsprozess aus Ton bei 1240 ° C gebrannt und anschliessend zum Teil farbig gefasst. Haut bleibt sichtbar belassen als gebrannter Ton. Unaufdringlich wirken sie, sie blicken den Betrachter nicht an – und sind doch so nachhaltig präsent. Fast möchte der Vorübergehende stehenbleiben, ihren Blick auf sich ziehen, ihre Aufmerksamkeit erregen und sich in ein Gespräch mit ihnen begeben. Auf wen oder auf was warten sie? Haben sie sich mit jemandem verabredet? Welche Vorstellungen und Pläne für die Zukunft haben sie? Wen oder was würden sie wählen am bevorstehenden Wahlsonntag – die einschläfernd Sprechblasen blubbernde Merkel, den jüngst arrogant-aggressiv „Stinkefinger“ zeigenden Steinbrück?
Nachdenklich, 2013
Franziska, 2012
Hilde Würtheim, 1953 in Wernek geboren, studierte in München Grafik und Malerei. Malerei und Zeichnung, Porträt und Akt, Landschaft und Stillleben bestimmten denn auch ihre Schaffensperiode bis etwa 1989; dann entdeckte sie ihr künstlerisches Talent für plastisches Arbeiten und Skulptur. Ihre Werke sind deutschlandweit durch zahlreiche Ausstellungen, vor allem unter freiem Himmel, bekannt. Hilde Würtheim lebt und arbeitet in Würzburg.
Renaissance-Schloss Weikersheim mit dem barocken Park in frühsommerlicher Pracht
Ausstellung „Skulpturen.SCHAU!“, Plastiken von Hilde Würtheim im Stadtgebiet Weikersheim, nur noch bis 22. September 2013
Abgebildete Werke © Hilde Würtheim; Fotos: FeuilletonFrankfurt