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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Carl Morgenstern, der „Frankfurter Italienmaler“

Wir haben uns zuletzt viel mit minimalistischer und konzeptueller Kunst befasst, zeitgenössische Installationen und Interventionen in den Blick genommen. Da tut es gut, einmal innezuhalten, sich zu vergewissern, wo man steht, im Bereich der Skulptur, vor allem auch des Tafelbilds, und sich dabei durchaus einem Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts wie dem Frankfurter Carl Morgenstern zuzuwenden, dem das Museum Giersch anlässlich des 2oo. Jahrestages der Geburt des Künstlers seine gegenwärtige Ausstellung widmet.

Carl, bereits in der vierten Generation der Malerdynastie Morgenstern (auch sein Sohn Friedrich Ernst, 1853 bis 1919, wird ihm in dieser Familientradition folgen), wird im Jahr 1811 geboren und von seinem Vater Johann Friedrich in der Tradition des damaligen Akademiebetriebs und einer dunkeltonigen, den altniederländischen Vorbildern verpflichteten Malweise unterwiesen. Mit 21 Jahren begibt er sich nach München, wo er sich – jenseit von Akademie und Hofmalerei – einer Gruppe junger Landschaftsmaler anschliesst, die vor allem in der Natur ihren Lehrmeister sehen.

1829 findet die längst klassische deutsche Italien-Sehnsucht mit der Veröffentlichung der „Italienischen Reise“ von Johann Wolfgang Goethe einen vorläufigen Höhepunkt. Im Herbst 1834 bricht auch Carl Morgenstern zur Reise nach Italien auf, die ihn durch die Vielfalt der italienischen Landschaften bis nach Sizilien führt und von der er erst im Sommer 1837 zurückkehrt. Seine mit sensiblem handwerklichen Können auf das Feinste gefertigten Arbeiten – auf der Grundlage hunderter Skizzen in seinen Ateliers in Italien und in Frankfurt ausgeführt – bringen ihm den Titel „Frankfurter Italienmaler“ ein.

Ihn faszinieren die südlichen Lichtverhältnisse, die Stimmungen des blauen Himmels und des blauen Wassers, die antiken Stätten, die üppige Vegetation, die kleinen Fischerorte am Meer. Die malerische Wiedergabe der zahlreichen verschiedenen Blautönungen und -schattierungen und der Intensität des Lichts sind ein herausragendes Merkmal dieser den südlichen Landschaften gewidmeten Malerei.

Carl Morgenstern, Capri bei Sonnenaufgang, 1836, Öl auf Leinwand, 74,5 x 105 cm, Privatbesitz

Carl Morgenstern, Terracina mit Fischfelsen, 1844, Öl auf Leinwand, 55 x 78 cm, Privatbesitz

Carl Morgenstern, Blick auf Terracina, 1837, Öl auf Leinwand, 50 x 78 cm, Privatbesitz

Carl Morgenstern, Italienische Ideallandschaft mit Hirten und Ziegenherde, 1837, Öl auf Leinwand, 58 x 78 cm, Sammlung Giersch

Diese bei manchen in Vergessenheit geratenen Bilder üben gerade heute wieder eine Faszination nicht nur auf den Italienliebhaber aus: Wenn wir heute von Rom aus durch Latium reisen, finden wir eine vor allem mit Industrieanlagen, aber auch mit allerlei Bauruinen und Schrotthalden weitgehend zersiedelte und zerstörte Landschaft vor – von der Verbetonierung der Meeresküsten einmal gar nicht zu reden.

Weitere Reisen des Künstlers folgen – innerhalb Deutschlands sowie nach Frankreich, an die französische und italienische Riviera, nach Venedig und in die Schweiz.

Carl Morgenstern, Canal Grande mit Blick auf Sta. Maria della Salute, 1843, Öl auf Leinwand, 30 x 45,8 cm, Privatbesitz

Einen grossen Namen erwirbt sich Morgenstern gerade auch mit Ansichten der Stadt Frankfurt, besonders mit dem Blick vom südlichen Mainufer aus auf die Leonhardskirche, den Dom und die markante Gebäudelinie.

Carl Morgenstern, Blick auf Frankfurt, 1854, Öl auf Leinwand, 52 x 80,5 cm, Privatbesitz

Carl Morgenstern entfaltet eine ungeheure Produktivität, er fertigt Auftragswerke, bei denen er auch auf Kundenwünsche eingeht, und entwickelt eine Reihe von „Standardmotiven“, die er zum Verkauf vorrätig hält.

Doch eilen wir im Zeitraffer voran: Seit den 1870er Jahren findet der einst so erfolgreiche Landschaftsmaler kaum mehr Zuspruch, so dass er, der seine Kunst eher als eine Dienstleistung versteht und weniger als ein Mittel zur Selbstentfaltung, an seinem Werk und seiner künstlerischen Arbeit zu zweifeln beginnt. Maler wie beispielsweise Gustave Courbet finden die öffentliche Aufmerksamkeit und den Erfolg, und mit ihm geben die anderen Maler des Realismus und anschliessend ebenso des Impressionismus die neue Richtung vor: 1859 stellt Édouard Manet im Salon de Paris aus; 1872 gibt Claude Monets berühmtes Seestück „Impression soleil levant“ der Bewegung ihren Namen. Und schliesslich beginnt die Fotografie mit ihrem Siegeszug um die Welt. Es wird stiller um Carl Morgenstern. In den ersten Tagen des Jahres 1893 verstirbt der Maler – im Konflikt zwischen handwerklich-malerischer Tradition und Moderne, der er sich nicht mehr zurechnen kann.

Neben den in Öl ausgeführten Gemälden enthält die Ausstellung Ölskizzen und Ölstudien, Aquarelle, Zeichnungen und Skizzenbücher. Den Werken Carl Morgensterns werden Arbeiten von Zeitgenossen und Künstlerfreunden wie Carl Blechen, Johann Georg von Dillis, Ernst Fries, Christian Ernst Bernhard Morgenstern, Friedrich Nerly, Johann Heinrich Schilbach und Ernst Willers sowie von Frankfurter Malern wie Jakob Fürchtegott Dielmann, Johann Heinrich Hasselhorst, Adolf Hoeffler und Eduard Wilhelm Pose gegenübergestellt.

Eine Augenweide schliesslich ist der hervorragend gestaltete Katalog.

Eine äusserst sehenwerte Ausstellung „Carl Morgenstern und die Landschaftsmaler seiner Zeit“ im MUSEUM GIERSCH, bis zum 29. Januar 2012.

Bildnachweis: Museum Giersch

 

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